Zum Inhalt springen

Predigt zum Pontifikalamt anlässlich der Priesterweihe Dom zu Mainz, Samstag, 28. Juni 2025, 09.30 Uhr| Es gilt das gesprochene Wort:Glaube entzündet sich von Mensch zu Mensch

Dom Mainz
Leben wir, leben Sie so, dass Menschen neugierig werden nach dem Grund unserer Hoffnung. Der Gesendete und Geweihte muss die Wirklichkeit wahrnehmen und annehmen. Und dann muss er einladen, dass Menschen den je eigenen Weg der Berufung gehen. Der Priester ist kein Guru, der seine Einsichten für alle verbindlich macht. Er soll Glaube, Hoffnung und Liebe ausstrahlen.
Datum:
Sa. 28. Juni 2025
Von:
Bischof Peter Kohlgraf

Kardinal Marx hat vor kurzem ein Buch mit dem Titel „Kult“ veröffentlicht. Er denkt darin über das Verhältnis von Christentum und Kult nach. Dabei betont Kardinal Marx, dass die Liturgie, der Ritus, der Gottesdienst und die Feier der Sakramente zum Kern des Katholischen und damit zur Kernaufgabe des priesterlichen Dienstes gehören. Im Kult, in der Liturgie, berührt Gott den Menschen, öffnet sich der Himmel für die Erde. Worum es in der Liturgie, besonders auch in der Eucharistie, geht, ist nicht Menschenwerk, sondern Geschenk Gottes. Der große, unbegreifliche Gott macht sich erfahrbar, berührbar. Er erwählt Menschen in der Taufe zu seinen Kindern, er zeigt sich als Geist der Lebendigkeit in der Firmung, er schenkt sich in seinem Sohn als Speise in den Gestalten von Brot und Wein, er vergibt die Schuld im Sakrament der Versöhnung, er schenkt Nähe in Krankheit und Sterben, er nimmt Menschen in seinen besonderen Dienst im Sakrament der Weihe, er verbindet zwei Menschen im Sakrament der Ehe und macht ihre Verbindung zum Abbild der Liebe seines Sohnes zur Kirche. Fünf Sakramente davon sind in der Regel dem Priester zur Spendung und Begleitung anvertraut. Zum Wesen des Katholischen gehören diese Feiern der Gegenwart Gottes, die Feiern, in denen er Menschen berührt und ihr Leben verändert.

Der Priester ist Diener in dieser großen Aufgabe. Wo immer diese Sakramente gespendet werden, ist Christus der eigentliche Zelebrant. Der Priester stellt sich ihm zur Verfügung. Er soll es mit ganzer Hingabe tun, mit Liebe und Treue zu den Menschen und zu Christus. Aber er soll gleichzeitig zurücktreten hinter den, den er darstellen darf. Der Priester ist nicht Christus, er ist nicht der Retter, er ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als Vermittler der Gegenwart des Auferstandenen. Und seine Aufgabe ist es, Menschen zur aktiven Teilnahme zu befähigen, so dass sie nicht unbeteiligte Zuschauer sind, sondern selbst eintreten können in die Feier von Tod und Auferstehung des Herrn, besonders in der Eucharistiefeier. Die Liturgie lebt von der Vielfalt der Aufgaben und Dienste, die der ganzen feiernden Gemeinde dienen.

Verräterisch ist in den Medien immer wieder die Formulierung im Hinblick etwa auf Papstgottesdienste: „Der Papst feierte die Messe vor Tausenden Gläubigen.“ Niemand feiert hoffentlich den Gottesdienst vor Gläubigen, aber manchmal kann es offenbar von außen betrachtet so gelesen werden. Träger der Liturgie und des Kultes ist die ganze Gemeinde.

Es ist daher Aufgabe des Priesters, Menschen dazu zu befähigen und vielfältige Beteiligung in der Liturgie zu fördern. Das meint nicht einen ziellosen Aktionismus, aber die Wertschätzung aller an der Liturgie Beteiligten. Und letztlich geht es um die Feier der Nähe Gottes in Christus und die Feier seiner Nähe in den vielen Lebenssituationen von Menschen. Es ist eine gewisse Gratwanderung zwischen dem Kult, in den wir eintreten, und der Aufgabe, uns als Person mit allen unseren Gaben auch als Priester in die Liturgie einzugeben.

Vor kurzem haben wir einen Podcast über die KI und die Pastoral gemacht. Dabei habe ich darauf hingewiesen, dass der Zelebrant keine KI ist. Sondern er ist Person, der mit seinen Gaben Liturgie gestaltet, Teilhabe fördert und durch seine Person zeigt, dass der Auferstandene lebt, Glauben bereichert und in großer Vielfältigkeit Menschen zum Glauben und Leben ermutigt.

Lieber Weihekandidat, ermutigen Sie Menschen, wenn Sie Liturgie feiern, zur gemeinsamen Feier, zur persönlichen Suche nach ihrer Christusbegegnung und aktiven Teilnahme. Es ist gut, wenn ein Christ die Liturgie liebt, erst recht ein Priester, der ihr vorsteht. Am Ende steht aber immer die Sendung: „Ite missa est“. Daher braucht es das persönliche Zeugnis, den caritativen und gesellschaftlichen Einsatz. Ein Priester ist Missionar, er ist zum Zeugnis gesendet, auch hier wieder nicht allein, sondern indem er andere befähigt, ihr persönliches Zeugnis zu geben. Am Ende jeden Gottesdienstes steht der Auftrag der Mission, der Verkündigung des Evangeliums vor einer Welt, die nicht unbedingt darauf wartet. Einer Welt, die in ihren alltäglichen Geschäften aufzugehen scheint. Wo Gott und sein Anspruch nicht unbedingt mehr das Alltagsgeschäft bestimmen. Gott schickt seine Jünger nicht in eine Welt, die sie mit offenen Armen erwartet.

Eine schöne Liturgie allein ist nur ein Mosaikstein im gesamten kirchlichen Auftrag. Wir stehen vor Umbrüchen in der Kirche. Der Bischof von Essen hat einmal vor Jahren in einer Predigt mitgeteilt, dass er ein Drittel seiner Kirchen schließen werde. Die Reaktionen darauf reichten von Entsetzen bis Resignation. Was ihn jedoch besonders ernüchterte, war die Tatsache, dass viele Gemeinden vor allem fragten: „Wie sollen wir unser Gemeindeleben jetzt weiterführen?“ – und kaum jemand die eigentlich entscheidende Frage stellte: „Wie können wir angesichts der Probleme dennoch Menschen für Christus gewinnen?“

Theologisch sehen viele die Notwendigkeit der Mission nicht mehr. Die Aufforderung Jesu zur Glaubensverkündigung bleibt aber aktuell, vielleicht heute aktueller als je zuvor. Und es wird nicht vorrangig darum gehen, eine überlieferte Kirchengestalt zu bewahren, sondern Christus in den Mittelpunkt zu stellen. Jesus schickt in seiner Mission keine frommen Schriften vor sich her, und er entwickelt keine großen Strategien. Vielmehr weiß er darum, dass sich Glaube immer von Mensch zu Mensch entzündet. Glaube wächst über das Lebenszeugnis und die Beziehung zu einem Menschen, der selbst begeistert ist. Glaube kommt auf zwei Beinen daher. Diese Struktur der Mission gilt auch heute noch. Es gibt einen sehr wahren Satz: Glaubende Christen sind das einzige Buch, das die Menschen heute noch über ihren Glauben lesen. Es hilft nicht, über leere Kirchen und fehlende Zuwendung zur Kirche oder zur Gemeinde zu klagen. Durch Klagen wird kein einziger Mensch zu Christus geführt. Nein, jeder einzelne ist unverzichtbar und kann zum Missionar werden, durch den Christus einen anderen berührt. Und heute ermutige ich Sie zum persönlichen und glaubwürdigen Zeugnis. Dabei ist Ihr Weihespruch eine gute Hilfe: Die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen.

Leben wir, leben Sie so, dass Menschen neugierig werden nach dem Grund unserer Hoffnung. Der Gesendete und Geweihte muss die Wirklichkeit wahrnehmen und annehmen. Und dann muss er einladen, dass Menschen den je eigenen Weg der Berufung gehen. Der Priester ist kein Guru, der seine Einsichten für alle verbindlich macht. Er soll Glaube, Hoffnung und Liebe ausstrahlen. Immer wieder wird der Vorwurf erhoben, die Kirche solle sich aus gesellschaftlichen und politischen Fragen heraushalten. Zur Sendung gehört, Position zu beziehen, wenn es um Fragen der Menschenwürde, Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts, um Gewalt und Friedensbemühungen und viele andere Themen geht.

Kirche zeigt sich nicht allein in die Liturgie und spielt sich nicht nur in der Sakristei ab. Daher braucht es im priesterlichen Leben viel Interesse: für Theologie und ihre Entwicklungen, für gesellschaftliche und politische Fragen, für die Themen der Menschen vor Ort und darüber hinaus, für die Weltkirche und ihre Ansprüche, für das Denken einer säkularen Welt, die nicht nur unser Gegenüber ist, sondern inmitten der wir stehen und deren Weggefährtinnen und Weggefährten wir sind.

Lieber Weihekandidat, hören Sie nie auf, zu hören, zu lernen und um eine Unterscheidung der Geister zu ringen. Immer wieder werden sich auch Ihre Glaubenszugänge verändern. Sie werden in einer Kirche geweiht, die sich als synodale Kirche versteht. Übernehmen Sie Verantwortung, aber beteiligen Sie Menschen an den Wegen in die Zukunft. Betrachten Sie Menschen als Stimme Gottes an Sie und an die Kirche, immer im Geist der Unterscheidung. Dafür braucht es das tägliche Gebet, die Liebe zur Schrift und zu den Sakramenten, aber eben auch die Liebe zu den Menschen, zu denen Sie gesandt sind. Ich wünsche Ihnen für alles Kommende den Segen Gottes, Glaube, Liebe und Hoffnung, die nicht zugrunde gehen lässt.