Predigt zu Aschermittwoch:Gott sieht auf seine Schöpfung

Manche sprechen auch von einer Lichtverschmutzung dieser Erde, durch künstliches Licht. Besonders in den großen Metropolen werden Abläufe in der Tier- und Pflanzenwelt massiv beeinflusst. Kunststoffmüll sammelt sich in den Weltmeeren. Sicher haben viele Bilder im Kopf, die uns oft gezeigt werden.
Es ist eine eher traurige Satire, wenn der US-amerikanische Präsident davon spricht, dass er sich nicht vorstellen könne, dass Plastik den Meerestieren schade, und sagt: „Ich glaube nicht, dass Plastik den Haien viel anhaben kann, wenn sie sich ihren Weg durch den Ozean knabbern.“
Der menschengemachte Müll und seine Folgen sind Kennzeichen des Anthropozäns, des menschengemachten Zeitalters. Eine Predigt ist keine wissenschaftliche Befassung mit diesem Thema. Hier soll an einige geistliche Grundlagen unseres Nachdenkens und Handelns erinnert werden. Dazu will ich drei Gedanken mitteilen, wissend, dass sie auch nicht annähernd die Komplexität des Themas beschreiben.
1. Ich lese immer wieder gerne die Schöpfungserzählungen im Buch Genesis. Die eine ist die Zusammenfassung der Schöpfung in sieben Tagen. Wie ein Refrain heißt es dort: Gott sieht auf seine Schöpfung, und siehe, es war sehr gut. Ich lese diesen Text immer wieder als eine Art Liebeslied auf die Schöpfung, deren Teil wir Menschen sind. Am sechsten Tag wird der Mensch geschaffen, und er erhält den Auftrag, das Schöpfungswerk weiterzuführen, sein Handeln soll Segen für alle sein. Fragen der Umweltzerstörung lagen noch nicht im Blick des Autors, aber die Grundlage gilt: das Handeln des Menschen soll lebensstiftend, nicht zerstörend sein. In einem Bibelkommentar lese ich, der Mensch solle die Welt in seine Obhut nehmen (J. Scharbert), eine sehr schöne Formulierung. Manche aktuellen Themen unserer Zeit konnte der alte Text noch nicht vorhersehen. Aber er weist eine Richtung auch in einer heutigen Welt, wenn es darum geht, wie man sein Leben so gestalten kann, dass ein behutsamer und achtsamer Umgang mit der Schöpfung gestaltet werden muss.
Vor genau zehn Jahren hat Papst Franziskus seine Umweltenzyklika „Laudato si“ veröffentlicht, wo er diesen Gedanken im Hinblick auf das Buch Genesis zusammenfasst: „Wir sind nicht Gott. Die Erde war schon vor uns da und ist uns gegeben worden. Das gestattet, auf eine Beschuldigung gegenüber dem jüdisch-christlichen Denken zu antworten: Man hat gesagt, seit dem Bericht der Genesis, der einlädt, sich die Erde zu „unterwerfen“ (vgl. Gen 1,28), werde die wilde Ausbeutung der Natur begünstigt durch die Darstellung des Menschen als herrschend und destruktiv. Das ist keine korrekte Interpretation der Bibel, wie die Kirche sie versteht. Wenn es stimmt, dass wir Christen die Schriften manchmal falsch interpretiert haben, müssen wir heute mit Nachdruck zurückweisen, dass aus der Tatsache, als Abbild Gottes erschaffen zu sein, und dem Auftrag, die Erde zu beherrschen, eine absolute Herrschaft über die anderen Geschöpfe gefolgert wird. (…) Die Texte laden uns ein, den Garten der Welt zu „bebauen“ und zu „hüten“ (vgl. Gen 2,15). Während „bebauen“ kultivieren, pflügen oder bewirtschaften bedeutet, ist mit „hüten“ schützen, beaufsichtigen, bewahren, erhalten, bewachen gemeint. Das schließt eine Beziehung verantwortlicher Wechselseitigkeit zwischen dem Menschen und der Natur ein.“ (LS 67).
„Wir sind nicht Gott“, das heißt, wir unterstellen uns auch im Umgang mit der Schöpfung seinem Auftrag. Auch im Paradies, von dem die weitere Schöpfungserzählung handelt, soll der Mensch den Garten pflegen. Fürsorge ist die Aufgabe des Menschen. Die Verfasser der alten biblischen Texte sahen einen Zusammenhang zwischen dem Gottesglauben und der Verantwortung für die Schöpfung. Denn der Glaube daran, selbst Geschöpf zu sein und nicht Gott, setzt den Menschen in den rechten Zusammenhang zu seinen Mitgeschöpfen und der gesamten Umwelt. Es ist nicht gleichgültig, wie er handelt und mit den Ressourcen umgeht. Es ist Ausdruck der gottgeschenkten Menschenwürde, die Welt mit Gottes Augen zu sehen und sie entsprechend zu behandeln und zu gestalten.
Ich erinnere daran am Beginn der Fastenzeit, der österlichen Bußzeit. Fasten hat ja viele Aspekte. Es kann um körperliche und seelische Gesundung gehen. Der Verzicht kann sensibilisieren für die Not anderer. Er kann die Augen öffnen für das eigene Konsumverhalten, das die Schöpfung ausbeutet. Es kann auch dazu verhelfen, neue Dankbarkeit für die Gaben der Schöpfung zu entwickeln, die uns das Überleben ermöglicht. Er kann nachdenklich machen, ob wir alles nur als Mittel zum Zweck verstehen oder als Geschenk mit eigener eigenen Wertigkeit.
2. Das Nachdenken über Abfall und Müll ist der Bibel relativ fern, das Thema hatte längst nicht die Ausmaße wie heute. Und dennoch kann man an den Gedanken der guten Schöpfung anknüpfen. Bei Jerusalem gab es das sogenannte „Hinnom-Tal“, in der Talsenke neben der Altstadt. Dort wurden in der Antike die Abfälle der Stadt entsorgt. Permanent loderten Feuer, um den Unrat zu beseitigen. In der griechischen Sprache ist daraus die „gehenna“ geworden, was nach und nach als „Hölle“ übersetzt wurde.
Wenn Menschen der Gang in die „gehenna“ gewünscht wurde, ging es in den wenigen Beispielen weniger um die ewige Verdammnis, als vielmehr darum, sie sinngemäß „auf den Mond zu schießen“. Der Ort des Abfalls war eine Gegend, die man Übeltätern an den Hals wünschte. Auch die Menschen des Altertums wussten darum, dass Menschen Unrat produzieren, der entsorgt werden musste. Dass die Tradition aus diesem Ort die „Hölle“ gemacht hat, zeigt wohl, dass der Abfall als eine Folge der Sünde und des Schlechten gesehen wurde, der Abfall des Menschen jedenfalls war nicht gut in den Augen Gottes. Er störte die gute Ordnung der Schöpfung.
Hier reden wir nur von einem Tal bei Jerusalem. Heute erleben wir andere Dimensionen, dass ein bestimmter Umgang mit dem Abfall tatsächlich die Schöpfung zerstören und damit bereits diese Welt zur Hölle machen kann. Dieser Gedanke steht am Anfang der Fastenzeit. Müll und Abfallprodukte wird niemand von uns verhindern können. Aber immer wieder sollten wir unser alltägliches Verhalten kritisch bedenken. Unser Konsumverhalten, unser Umgang mit endlichen Ressourcen ist durchaus ein Kernthema christlichen Lebens. Jeder und jede trägt dazu bei, ob die Erde himmlischer oder höllischer wird.
3. Es gibt auch so etwas wie „verbalen Müll“, die Umweltzerstörung durch Gedanken und Worte. Halbwahrheiten, Lügen, Beleidigungen sind nicht nur in der Weltpolitik salonfähig geworden. Beleidigungen im Alltag werden prägender. Für immer mehr Menschen ist die eigene Sicht auf die Wirklichkeit die einzig gültige Realität. Informationen werden insofern gesucht, als sie die eigene Meinung bestätigen. Wirklichkeit wird ausschließlich selbst konstruiert. Natürlich ist dies zu allgemein formuliert, aber eine Tendenz scheint doch erkennbar zu sein. Ich glaube dem, der mich bestätigt. So kann auf Dauer Gemeinschaft nicht gelingen. Vor einigen Wochen las ich ein Zitat eines Politikers, der sinngemäß formulierte: mangelndes Wissen ist Grundlage fröhlicher Meinungsbildung, und diese wird dann zu meiner persönlichen Wirklichkeit. Das endet in der Vereinzelung des Menschen. Auch dies ist ein Bild eines höllischen Zustands.
Wir stehen am Beginn der Fastenzeit. Vielleicht wäre es ein Vorsatz, die Qualität des eigenen Denkens und Redens zu überprüfen. Wo keine andere Meinung mehr gilt, besteht die Gefahr, dass mein eigens Sprechen am Ende verbaler Müll wird. Überlege, ob deine Rede für andere nützlich, gut und wahr ist, überliefert eine Erzählung über den Philosophen Sokrates.
Im Anthropozän haben wir als Menschen wohl auch die Möglichkeit, etwas zum Guten zu wandeln. Die vierzig Tage der österlichen Bußzeit laden uns dazu ein. Hören wir auf Gottes Wort, bilden wir unser Gewissen, prüfen wir unser alltägliches Verhalten. So kann diese Zeit zum Segen werden für uns und die Schöpfung, in der wir leben.