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Predigt zum Pontifikalamt anlässlich der Amtseinführung von Papst Leo XIV., Dom zu Mainz, Sonntag, 18. Mai 2025:Habemus Papam – wir haben einen Papst

Papst Leo XIV. nach seiner Bekanntgabe auf der Loggia des Petersdoms
Es dauerte über eine Stunde, dass der neugewählte Papst sich am Abend des 8. Mai 2025 auf der Loggia des Petersdoms zeigte. Robert Prevost, der aus den USA stammt, Ordensmann im Augustinerorden ist, lange in Peru als Missionar und Bischof gewirkt hat, Verantwortung in der Ordensleitung trug und zuletzt das Dikasterium für die Bischöfe leitete, nennt sich Leo XIV.
Datum:
So. 18. Mai 2025
Von:
Bischof Peter Kohlgraf

Die Überraschung am ersten Abend war groß. Manch anderer Kandidat wurde gehandelt. Ich persönlich finde es beruhigend und deute es gläubig: Am Ende hat wohl der Heilige Geist eine entscheidende Rolle bei der Wahl eines neuen Papstes für unsere Zeit gespielt. Da geht es nicht in erster Linie um mediale Präsenz und andere Motive. Offenbar hat eine große Einmütigkeit unter den wählenden Kardinälen geherrscht, dass dieser Mensch der oberste Hirte und Brückenbauer werden und sein kann.

Natürlich haben viele Menschen aufmerksam die ersten inhaltlichen Botschaften dieses Papstes verfolgt. Er sprach vom Frieden und rief bald nach der Wahl zum Ende aller Kriege auf. Er will Themen aus dem Pontifikat von Papst Franziskus weiterführen, nicht zuletzt die Gestaltung einer synodalen Kirche. Er sprach sich dann deutlich für die Pressefreiheit aus und für die verantwortungsvolle Gestaltung und Anwendung der „Künstlichen Intelligenz“, der KI.

Aufgrund seiner Biographie ist zu erwarten, dass er wie sein Vorgänger die Armen und die Menschen am Rande besonders im Herzen trägt. Die ersten Stimmen sind sehr einhellig: Wir haben einen guten Papst, der ein wirklicher Brückenbauer sein kann. Er knüpft mit seinem Namen an Papst Leo XIII. an, einen in der Lehre sehr klaren und traditionellen, aber im sozialen Bereich sehr fortschrittlichen Papst Ende des 19. Jahrhunderts. Was dies konkret mehr als 120 Jahre später bedeutet, wird sich zeigen. Das Brückenbauen scheint mir in der gesamtkirchlichen Weltlage die dringlichste Aufgabe zu sein. Progressive wir Konservative sind derzeit begeistert. Mittlerweile wurden wir auch Tag für Tag mit den menschlichen Seiten dieses neuen Papstes konfrontiert: Er spielt gerne Tennis, er trinkt lieber Wein als Fanta, war zu lesen. Die katholischen Medien tun ihr Bestes, um uns diesen Papst theologisch und menschlich näher zu bringen.

Auch wir, das darf ich wohl sagen, sprechen ihm heute unsere Sympathie und unsere Loyalität aus, und zudem, wir werden regelmäßig für ihn beten.

Es ist bemerkenswert, welche Aufmerksamkeit die Wahl eines neuen Papstes auch in unserer kirchenfernen Gesellschaft erfährt. Offenbar sind Brückenbauer und glaubwürdige Hirten, um im biblischen Bild zu sprechen, selbst für nicht- oder andersglaubende Menschen Hoffnungsträger.

Trotzdem wird es auf Dauer zu wenig sein, das Katholische ausschließlich mit dem einen Mann an der Spitze zu verbinden. Ich erinnere an einen bekannten Satz des heiligen Augustinus: Mit euch bin ich Christ, für euch Bischof. Auch der Papst, der sich als Hirte gegenüber der Welt und dem Volk Gottes zeigt, ist Teil der großen Glaubensgemeinschaft. Er ist der Lehrer der Kirche. Aber er ist gleichzeitig Glaubender und Mitpilger der Hoffnung, um das Motto des Heiligen Jahres aufzugreifen.

Der Papst wird als Nachfolger des Apostels Petrus bezeichnet. Wenn ich in die Evangelien schaue, denke ich oft: Ausgerechnet dieser Petrus lenkt das Schiff der Kirche. Es ist doch verwunderlich, dass die junge Kirche um ihre führende Persönlichkeit nicht irgendwelche Heldengeschichten strickt, sondern seine Glaubensschwäche, seine Verleugnung und auch seine Großspurigkeit schonungslos berichtet, dann aber auch seine Treue und seine Liebe zu Christus.

Petrus ist aber vielen Menschen damals und heute nahe: In einem Evangelientext lesen wir, Petrus möchte Christus lieben, er möchte ihm auf den oft bedrohlichen Fluten des Lebens entgegengehen. Im entscheidenden Augenblick aber verlässt ihn das Vertrauen. Und doch spricht gerade dieser menschliche und so schwache Petrus das entscheidende Bekenntnis: Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Und dieses Bekenntnis ist der Grund dafür, dass Christus ihm eine besondere Aufgabe für die Kirche zuspricht. Der Papst ist somit nicht Herr des Glaubens. Sondern er steht unter dem Wort Gottes. Das Evangelium ist sein Maßstab. Das unterscheidet ihn nicht von uns.

Kardinal Ratzinger hat einmal Anfang der 2000er Jahre das Papstamt beschrieben: „Er sollte der Garant des Gehorsams sein, dass die Kirche nicht machen kann, was sie möchte. Der Papst kann auch nicht sagen, die Kirche bin ich, oder die Überlieferung bin ich, sondern, im Gegenteil, er verkörpert dieses Bindung der Kirche. Wenn in der Kirche die Versuchungen entstehen, es jetzt anders, bequemer zu machen, muss er fragen, können wir das überhaupt?“

Der Papst selbst steht unter dem Gehorsam, selbst immer prüfen zu müssen, was ihm das Evangelium und die große Glaubensüberlieferung der Kirche sagt. Und gleichzeitig muss der Papst die Zeichen der Zeit sehen, verstehen und im Licht des Evangeliums deuten. Der Glaube, die Kirche und die Tradition sind kein Museum, sondern sie müssen anschlussfähig gestaltet werden im Gespräch mit den Menschen unserer Zeit, den verschiedenen Kulturen und den verschiedenen Glaubenszugängen unserer Zeit. Hier den Dienst der Einheit zu leisten, kann wohl tatsächlich nur synodal gelingen, wenn alle im Volk Gottes sich gemeinsam auf die Suche machen nach Formen der Verschiedenheit in der Einheit und der Einheit in der Verschiedenheit.

Diese Hoffnung will ich persönlich formulieren: Ich wünsche mir von Papst Leo XIV., dass er auch die Glaubensschätze und Erfahrungen der Gläubigen in unserem säkularen Teil dieser Erde wertschätzt und anerkennt. Ohne den Papst will ich nicht katholisch sein, aber katholisch sein soll auch heißen, weit zu sein für die Glaubensschätze derer, die anders sind als die eigenen.

Vor wenigen Tagen warnte ein Kurienkardinal die Deutschen, diesen neuen Papst nicht für die eigenen Ideen zu vereinnahmen. Ich glaube, dass Leo XIV. genug Klarheit bringen wird, dass das nicht so einfach wird. Die Warnung vor Vereinnahmung allein auf die Deutschen zu richten, scheint mir sehr einseitig zu sein. Es gilt gleichermaßen für Menschen in Nord- und Südamerika, in Afrika, in Asien und allen Teilen der Weltkirche. Allemal gilt es auch für Kurienkardinäle.

Der Papst wird nicht dafür berufen, uns nur zu bestätigen. Freilich soll er Hoffnung geben in dieser Zeit. Er soll Orientierung schenken, ermutigen und ermahnen, er soll prophetisch sein, indem er auch den Finger in die Wunden legt. Er soll gleichzeitig heilen und Hirte sein, er soll Menschen nachgehen, ihnen zuhören und sie verstehen. Im Letzten soll er, wie Jesus sagt, seine Schwestern und Brüder im Glauben stärken. Mir scheint der Dienst als Papst geradezu unmöglich zu sein: wenn wir nicht alle als Volk Gottes mitgehen und unsere je eigene Verantwortung in Kirche und Welt wahrnehmen.

Und ich vertraue fest darauf, dass Christus in seinem Geist auch heute mitgeht, dass er seine Kirche lenkt und leitet. Der Papst ermutigt uns, unseren je eigenen Weg der Nachfolge und des Glaubens zu suchen und zu gehen. Wir tun dies in der Einheit des Glaubens und der Verschiedenheit der Glaubenswege und Ausdrucksformen. Heute ist erst einmal ein Tag der Freude und ein Tag des Gebets, für die Kirche und für den neuen Papst Leo XIV. Möge Christus uns alle, besonders aber seinen Dienst der Einheit segnen und begleiten.