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Predigt von Bischof Peter Kohlgraf in der Feier zur Sendung der Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten und der Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten Hoher Dom zu Mainz, Samstag, 21. Juni 2025:„Man muss Menschen mögen – das ist die Grundvoraussetzung für den pastoralen Dienst.“

Heitere Frau im Park mit Freundinnen und Freunden
„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ – dieses Motto steht über diesem Sendungsgottesdienst und über Ihrer Sendung. Liebe ist dabei nicht nur ein Gefühl, sondern auch eine Grundhaltung gegenüber den Menschen, zu denen Sie gesandt sind, sowie eine Grundeinstellung gegenüber den Geschwistern im Glauben. Liebe bedeutet, im Nächsten das Ebenbild Gottes zu sehen, ihn als Bruder oder Schwester zu betrachten und ihm mit Respekt, Wertschätzung und Interesse zu begegnen.
Datum:
Sa. 21. Juni 2025
Von:
Bischof Peter Kohlgraf

Als gläubiger Christ ist für mich das Fundament, dass ich davon überzeugt bin, dass Gott uns alle zuerst geliebt hat – auch mein Gegenüber. Die Sendung gilt heute nicht nur den Geschwistern im Glauben, sondern allen Menschen, mit denen sie leben, denen sie begegnen und die zu ihren Weggefährtinnen und Weggefährten werden.

Liebe Kandidatinnen und Kandidaten, christliche Liebe hat in dieser Zeit eine hohe Relevanz. Ich erinnere an die schwierigen Bedingungen unserer Zeit, die auf vielen Ebenen nicht von dieser Liebe geprägt sind. Ich muss gar nicht an die großen Krisen unserer Zeit erinnern, an die großen Herausforderungen im Einsatz gegen Gewalt, Menschenverachtung und Hass. Im Inneren der Kirche erlebe ich durchaus auch, dass schon die Menschen der Nachbargemeinde nicht als Geschwister, sondern als Konkurrentinnen und Konkurrenten erlebt und behandelt werden. Ich wünsche mir eine Kirche, die Modell sein kann für das Miteinander in unserer nichtkirchlichen Welt. Ich bitte Sie heute herzlich, an diesem Modell mitzuarbeiten.

Liebe Sendungskandidatinnen und -kandidaten, Sie haben dem Bistum jeweils einen Satz zur Verfügung gestellt, der auf der Homepage veröffentlicht wurde und Ihre Motivation zusammenfasst. „Die Liebe Gottes weitergeben“ – ist beispielsweise dort zu lesen. Damit ist eigentlich alles gesagt, was die Sendung der Kirche und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausmacht. Was so einfach klingt, ist unendlich vielfältig. Zunächst einmal kann das nur gelingen, wenn Sie selbst eine Haltung gegenüber den Menschen mitbringen, die von Respekt, Aufmerksamkeit und Liebe geprägt ist. Man muss Menschen mögen, habe ich einmal als Grundvoraussetzung für den pastoralen Dienst benannt, die sogenannten „4 M“ (Man muss Menschen mögen). Auf vielfältige Weise geben wir diese Liebe weiter: in der Zuwendung der Seelsorge, in der Katechese, im Unterricht, im Gottesdienst, in der Begleitung vieler Menschen, die etwas von uns, von Ihnen erwarten. Die Liebe, die Sie weitergeben, kommt von Gott selbst, von ihm kommt die Kraft. So bitte ich Sie, selbst aus dieser Quelle der Liebe zu leben, mit ihm in Verbindung zu bleiben, im persönlichen Gebet, im Gottesdienst und den Sakramenten, in der Betrachtung des Wortes Gottes. Wir tragen den Schatz des Glaubens in zerbrechlichen Gefäßen, aber wir tragen ihn und dürfen ihn weitergeben.

Ein anderer hat seine persönliche Motivation wie folgt formuliert: „Ich will der Kirche ein Gesicht geben.“ Manchmal habe ich es auch so ausgedrückt: „Wir müssen dem Evangelium ein Gesicht geben.“ Indem Sie hier jedoch die Kirche nennen, wird deutlich, dass es sich nicht um irgendeinen Verein handelt. Kirche ist der Leib Christi, der Tempel Gottes, Sakrament, d.h. Zeichen und Werkzeug der innigsten Vereinigung mit Gott und den Menschen. Dass wir nicht über eine abstrakte Institution reden, scheint mir ein wichtiger Verkündigungsinhalt zu sein. Wir leben und gestalten einen lebendigen Organismus, in dem alle gebraucht werden. Und jeder und jede einzelne bringt einen eigenen, unverzichtbaren Teil ein, um dieses Miteinander zu leben. In einer Gesellschaft, in der es immer mehr Vereinzelung und Vereinsamung gibt, ist eine Gemeinschaft dringend notwendig, die Menschen nicht allein lässt, die Menschen im Blick hat, denen niemand gleichgültig ist. Kirche lebt in Menschen, die den Glauben bezeugen, Kirche lebt vor Ort, Kirche lebt in einzelnen Kirchorten. Heute werden wir mehr und mehr auch die vielfältigen Ausdrucksformen von Kirche suchen und gestalten. Immer aber kommt es auch jeden einzelnen Menschen an, der den Auftrag der Kirche ernst nimmt und sich in die Verantwortung nehmen und senden lässt.

„Ich will Brücken in die säkulare Welt sein“, so benennt jemand von Ihnen die Motivation für die kirchliche Sendung. Es ist kirchlicher Auftrag, Brücke zu sein. Zu oft werden Mauern hochgezogen. Der Theologe Tomáš Halík hat ein Buch geschrieben unter dem Titel „Traum vom neuen Morgen. Briefe an Brückenbauer.“ Damit zeigt er, dass dieses Thema uns in die Zukunft führt. Denn Glaube hat eine Zukunft. Der Mensch hat eine Zukunft, weil Gott eine Zukunft hat und immer mit uns gehen wird. Wir sind berufen, diese Welt, diese Kirche und diese Gesellschaft in seinem Sinne zu gestalten, weil Gott eine Zukunft für uns sieht. Brücken zu anderen Menschen zu bauen, möchte ich als einen Kernauftrag christlichen Lebens beschreiben. Ich halte das insofern für hoch aktuell, weil wir in einer Gesellschaft leben, die sich eher dadurch auszeichnet, dass sie Mauern aufbaut, Gewalt und Hass sät, und damit das Zusammenleben von Menschen erschwert. Martin Buber hat einmal folgenden Satz gesagt: Alles menschliche Leben ist Begegnung. Wenn Gott den Menschen auf Gemeinschaft hin geschaffen hat, dann ist es das Bild der Brücke und nicht das der Mauer, das den Menschen als Ebenbild Gottes beschreibt. Begegnung im christlichen Sinne ist aber mehr als eine zufällige Begegnung, sondern sie besteht in einem echten Interesse, einem echten Zuhören und einem echten Verstehen wollen. Unsere Welt braucht Brückenbauerinnen und Brückenbauer, und ich meine, dass wir als Christinnen und Christen hier einen wesentlichen Auftrag haben.

Gott selbst ist von seinem Wesen her Brückenbauer. Das erweist sich bereits in der Schöpfung des Menschen. Er erschafft den Menschen nicht als abhängigen Knecht, sondern als sein Ebenbild. Damit zeigt Gott, wie er ist. Er ist nicht einsamer Herrscher, sondern er ist jemand, der in eine Beziehung zu Menschen treten will. Damit legt er von Anfang an eine Brücke in seine Schöpfung. Der Mensch ist sozusagen die Brücke, die Gott selbst schafft. Der Mensch hat Teil an Gottes Herrschaft über die Schöpfung. Der Mensch soll in seinem Auftrag Leben ermöglichen. Wenn es im Buch Genesis heißt, dass der Mensch herrschen soll, dann ist damit gemeint, dass er als Ebenbild Gottes die Schöpfung erhalten und pflegen soll. Das ist einer der ersten und wichtigsten Brückendienste des Menschen.

In diesem Jahr gedenken wir der zehn Jahre zuvor erschienenen Enzyklika Laudato si‘. Es ist hoch aktuell in dieser Zeit, den Brückendienst der Glaubenden Christen auch in diesem Sinne als Dienst an der Schöpfung und ihrer Bewahrung zu verstehen. Die säkulare Welt dürfen wir nicht als Gegenwelt sehen, sondern als Feld zur Aussaat, als Einladung zu Begegnung und Lebensraum. „Ich will die Welt zum Guten hin gestalten“, sagt in diesem Sinne einer von Ihnen. Die Welt ist die Welt, in der wir Licht sein sollen und Salz der Erde. Wir können etwas verändern, diese Hoffnung dürfen wir in diesem Jahr der Hoffnung haben. Wir dürfen andere ermutigen, Menschen zu sein, wie es die jüngst verstorbene Margot Friedländer einmal gesagt hat: „Seid Menschen“.

Für eine von Ihnen wird dies konkret in der Sorge um die Kranken. Gerade diejenigen, die nicht stark sind, sondern hilfsbedürftig, zeigen uns, dass die Würde des Menschen nicht in der Stärke, in der Leistung, im Schaffen beruht. Sie werden den Menschen immer wieder diese Würde bezeugen dürfen, den Schwachen und Armen, den Leidenden und Trauernden. Genauso aber werden Sie die Freude der Menschen teilen. Sie lassen sich auf eine anspruchsvolle, aber wichtige und schöne Sendung ein. „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Das ist eine anspruchsvolle Lebensaufgabe. Dazu muss man Gott mögen, und man muss die Menschen mögen. Gott traut Ihnen das zu. Dazu wünsche ich Ihnen an jedem Tag Hoffnung, Freude und diese Liebe, die wir geschenkt bekommen und die wir weitergeben dürfen.