Bischof Kohlgraf schreibt die Kolumne „Perspektiven“ für das Magazin „Glaube und Leben“.:Perspektiven: Wege der Verständigung suchen

Ein solches Willkommen erleben Migrantinnen und Migranten heute eher nicht mehr. Dieses Thema sorgt in unserer Gesellschaft immer wieder für Diskussionen. Die Antwort auf die Frage, ob „wir“ es geschafft haben, fällt dabei sehr unterschiedlich aus. Misslungene Integrationsbeispiele werden immer wieder thematisiert. Über die gelungenen und gelingenden Beispiele hingegen wird viel zu selten gesprochen.
Als Bischof beschäftigen mich verschiedene Themen: Wie kann eine rechtskonforme Willkommenskultur gestaltet werden, die nicht alle zu uns gekommenen Menschen unter Generalverdacht stellt? Wir leisten als Kirche Seelsorge in den sogenannten Abschiebehaftanstalten. Darf man die dort einsitzenden Menschen wirklich wie Verbrecher behandeln?
In diesen Tagen durfte ich eine Gruppe Jugendlicher aus Kenia begrüßen. Sie verbringen einige Wochen in Deutschland. Seit Jahren besteht zwischen einer Diözese in Kenia und dem Verband der Katholischen Landjugendbewegung Deutschlands eine Partnerschaft. Durch diese Partnerschaft sollen verschiedene Projekte unterstützt werden. Es geht auch darum, sich kennenzulernen und internationale Netzwerke aufzubauen. Nur wenigen Jugendlichen aus Afrika war eine Teilnahme möglich, denn es gelten strenge Vorgaben bei der Visumsvergabe.
Meiner Meinung nach dient es dem Bemühen um Gerechtigkeit und Frieden nicht, wenn sich unsere Gesellschaft vor derartigen Projekten immer mehr abschottet. „Wir schaffen das“, ist meiner Wahrnehmung nach gekippt, weil Menschen heute eher verdächtigt als unterstützt werden. Diese Entwicklung entspricht dem internationalen Trend. Es werden eher Grenzen hochgezogen, anstatt nach vernünftigen Wegen der Verständigung zu suchen. Als Kirche betonen wir den Wert der Familie. Derzeit wird der Familiennachzug jedoch stark begrenzt, obwohl davon auszugehen ist, dass das familiäre Miteinander eine notwendige Integration fördern würde.
In einem Kommentar las ich neulich, dass es dieses „Wir“ der Gesellschaft nicht mehr gebe. Diesen besorgniserregenden Eindruck habe ich manchmal auch. Schaffen wir es wenigstens in der Kirche, dieses „Wir“ zu schätzen und daran zu arbeiten? Durch einfache Parolen sollten „wir“ uns jedenfalls nicht auseinandertreiben lassen.
// + Peter Kohlgraf