Das Gleichnis vom Sämann (Mt 13,1-9) ist ein guter Text, um sich in eine gesegnete Zukunft aufzumachen. Jesus erzählt von den Mühen eines Landwirts in Galiläa vor 2000 Jahren, der aussät. Ganz großzügig verteilt er das Saatgut, das er besitzt, er gibt, was er hat, und muss anschließend das Wachstum abwarten. Auf Sonne und Regen hat er keinen Einfluss. Es gibt dann gute und schlechte Jahre, guten und schlechten Boden, die Dornen, die alles ersticken, die Vögel, die die Saat wegfressen. Und doch wächst die Saat, und am Ende steht die Ernte, die Frucht. Für Jesus wird die Mühe des Sämanns ein Bild für die Wirklichkeit der Gegenwart Gottes in unserer Welt, ein Bild für die Herrschaft Gottes. Es ist kein Zufall, dass Jesus offenbar hauptsächlich in solchen Gleichnissen gesprochen hat. Beobachtungen aus dem Alltag, aus der Natur und im Verhalten des Menschen werden zu Hinweisen auf die Gegenwart Gottes. Oder anders gesagt: in den alltäglichen Geschichten zeigt sich, wie Gott handelt, immer wieder auch durch Menschen, die seine Gegenwart in dieser Welt verwirklichen. In vielen Gleichnissen Jesu ist davon die Rede, dass aus Kleinem etwas Großes wird. Dazu braucht es Geduld und Vertrauen.
In den 750 Jahren von Rembrücken werden sich zahlreiche Beispiele finden lassen, in denen Menschen etwas Kleines begonnen haben, dessen Ausgang sie nicht ahnen konnten. Am Anfang steht etwa eine Geschichte des Teilens. Der Landwirt Hartlieb Brunner und seine Frau geloben um die Mitte des 13. Jahrhundert, jährlich am Michaelstag einen Anteil ihrer Ernte den Zisterzienserinnen von Patershausen zukommen zu lassen. Sie zeigten ihre Dankbarkeit und ihren Glauben, indem sie anderen mitgaben, was sie besaßen. Sie wollten ihren Besitz nicht für sich behalten. Vermutlich taten sie dies auch aus dem Glauben heraus, einen „Lohn im Himmel" dafür zu erhalten – eine im Mittelalter verbreitete Vorstellung. Das Gelübde wurde aktenkundig, Rembrücken wird 1268 in dieser Urkunde zum ersten Mal erwähnt. Am Anfang steht diese Geschichte des Teilens. Vor wenigen Wochen hat Papst Franziskus ein Apostolisches Schreiben herausgegeben mit dem Titel: „Gaudete et exultate (Freut euch und jubelt) – über den Ruf zur Heiligkeit in der Welt von heute". Es gelingt ihm, das große Wort der Heiligkeit in den Alltag zu übersetzen. Die Welt braucht Menschen, die heilig leben. Heilige sind Menschen, die Gottes Großzügigkeit und Großherzigkeit in diese Welt bringen – wie der Sämann, der sät ohne Ängstlichkeit. Der Papst nennt solche Menschen wie den Landwirt vor 750 Jahren und zahllose andere auch hier die „Heiligen von nebenan". Es lohnt sich, den Papst selbst zu Wort kommen zu lassen: „Es gefällt mir, die Heiligkeit im geduldigen Volk Gottes zu sehen: in den Eltern, die ihre Kinder mit so viel Liebe erziehen, in den Männern und Frauen, die arbeiten, um das tägliche Brot nach Hause zu bringen, in den Kranken, in den älteren Ordensfrauen, die weiter lächeln. In der Beständigkeit eines täglichen Voranschreitens sehe ich die Heiligkeit der (...) Kirche. Oft ist das die Heiligkeit ‚von nebenan', derer, die in unserer Nähe wohnen und die ein Widerschein der Gegenwart Gottes sind." (GE 7). 750 Jahre Jubiläum eines Ortes erinnern an die vielfach gelebte alltägliche Großherzigkeit und Heiligkeit, die sich in Menschen gezeigt hat, die diesen Ort geprägt haben. Der Papst spricht im Sinne unseres Gleichnisses von der Geduld beim Säen. Es ist Kennzeichen der alltäglichen Heiligkeit, dass diejenigen, die aussäen, oft den Erfolg ihres Teilens nicht erleben, zumindest nicht kurzfristig. Oft ist Erfolg auch nicht messbar. Eltern, Erzieherinnen und Erzieher erleben keinen statistisch messbaren Erfolg. Sie brauchen Zeit, Geduld und Vertrauen. Sie haben nicht alles selbst in der Hand. Menschen, die sich um Kranke kümmern, müssen sich dann nach oft langer mühevoller Geschichte von ihnen trennen und sie abgeben. Viele solcher Erfahrungen geschehen alltäglich. Menschen geben etwas, sie geben sich selbst und tun dies ohne Hintergedanken, einfach aus alltäglicher Nächstenliebe, aus dem Bewusstsein, dass jetzt getan werden muss, was sie tun. Wir leben heute davon, dass Menschen früherer Generationen aus einer solchen Haltung gelebt haben.
Am Anfang steht eine Geschichte des Teilens. Ich erinnere an meinen Fastenhirtenbrief, in dem ich genau dies uns allen ans Herz gelegt habe. Wir werden die Zukunft gestalten müssen. Das klingt geradezu martialisch, nach Anpacken, nach Machen. Nicht selten geht es gar nicht um etwas so Großes. Es geht um das kleine Teilen des Lebens, der Gaben, von Zeit, von Aufmerksamkeit. Der Rückblick auf 750 Jahre schaut auf die Menschen vor und er soll eine Ermutigung sein, noch mehr Menschen des Teilens, der Aussaat des Guten zu werden oder zu bleiben. Dazu bedarf es der Geduld, der Nächstenliebe, des Gottvertrauens. Eine Stadt hat Zukunft, wenn es Menschen gibt, die zu solcher Heiligkeit „von nebenan" den Mut haben. Dabei darf es nicht nur darum gehen, die eigenen Kreise zu bedienen. Immer mehr wird es darum gehen, die Menschen in die Mitte zu holen, die am Rande sind: die Armen unserer Gesellschaft, die Fremden, die vielen, die in unserer Gesellschaft nicht mehr mitkommen.
Das Evangelium ist eine Geschichte der Gegenwart Gottes. Die Motivation des Teilens und des Zusammenlebens der Menschen vor uns war mehr als heute der Glaube und das Vertrauen auf Gott. Der Glaube war vielen Menschen eine starke Kraftquelle. Kürzlich habe ich ein Buch gelesen mit dem Titel: „Die verlorenen Welten" (Artur E. Imhof, 1992). Es rekonstruiert die Lebensgeschichte einer hessischen Bauersfamilie im 16. und 17. Jahrhundert. Zum Alltag dieser Familie gehören immer wieder Hungersnöte und andere Katastrophen. Wie oft verfault die Ernte auf den Feldern, plündernde Soldaten vernichten regelmäßig die materielle Lebensgrundlage, die Angst vor der Pest ist allgegenwärtig, jedes zweite Kind überlebt die ersten Lebensjahre nicht. Staunend fragt der Historiker nach den Kraftquellen dieser Familie, die immer wieder neu angefangen hat. Und er weiß nur die eine Antwort zu geben: Der Himmel war allgegenwärtig, die Leute glaubten fest daran, dass es gut weitergeht. Diese Hoffnung, mehr noch, diese feste Überzeugung gab ihnen Kraft, weiter zu leben und immer wieder neu zu beginnen. Dieser Glaube wurde gefeiert in den Gottesdiensten, in denen sie die Speise des ewigen Lebens empfingen, in denen sie das Wort Gottes hörten, das ihnen die Augen öffnete für Gottes Lebenskraft.
Der Historiker nennt sein Buch „Die verlorenen Welten". Tatsächlich ist uns diese Perspektive weitgehend verloren gegangen, damit aber auch für viele Menschen die Fähigkeit, über das Alltägliche, das Machbare und Planbare hinauszuschauen. Wie arm wird damit aber oft der Alltag, wie hoffnungslos jeder Schicksalsschlag. Die Kirche soll auch heute diese Perspektive offenhalten und Menschen Mut machen. Zur Aussaat heute wird es zunehmend wichtig werden, diesen Glauben und diese Hoffnung zu teilen, damit auch in den nächsten Jahrhunderten die große Perspektive auf Gott nicht verloren geht.
Mut zur Aussaat alltäglicher Liebe, Hoffnung, Geduld und Gottvertrauen. Diese lebensnotwendigen Haltungen wünsche ich Ihnen heute. So können wir in eine gute, gottgesegnete Zukunft gehen.