Beispielhaft leben, was Auftrag der ganzen Kirche ist

Predigt von Bischof Peter Kohlgraf beim Pontifikalamt anlässlich der 750 Jahrfeier von Kloster Engelthal am 3. Mai 2018

Datum:
Do. 3. Mai 2018
Von:
Bischof Peter Kohlgraf
750 Jahre Kloster Engelthal – eine Geschichte mit Höhen und Tiefen. 1268 als Zisterzienserinnenabtei gegründet, 1622 mussten die Schwestern fliehen, erst 1666 beginnen die Schwestern mit einem Neuaufbau; 1803 dann wieder aufgelöst, bis 1962 zwanzig Benediktinerinnen von Herstelle das Kloster Engelthal neu besiedeln. Seit 1965 ist Engelthal Abtei.

Die Jahreszahlen geben wohl nur wenig von der dahinter stehenden Bewegung der Menschen wieder, die von den Ereignissen betroffen waren. Neben den Zahlen stehen die vielen Frauen, die in den Jahren hier ihren Weg der Berufung gegangen sind. Wenn es einen „Stallgeruch“ von Einrichtungen gibt, dann ist er hier von dem täglichen Gebet, dem Ringen um den Weg in der Nachfolge Jesu und der täglichen Arbeit geprägt. Bis heute haben das Kloster und die Schwestern eine hohe Bedeutung als geistlicher Ort für die Region und für das Bistum und für viele einzelne Menschen weit über die Region hinaus. Selten stehen die Schwestern in der Öffentlichkeit. Heute möchte ich Ihnen, verehrte Schwestern, herzlich für Ihr Gebet, Ihre Arbeit, Ihre Gastfreundschaft und Ihr Da-Sein danken.

Für viele Menschen sind Klöster heute Kraftorte, wo sie auftanken können. Ordensleute werden in der konkreten Begegnung nicht als Menschen spiritueller Höchstleistungen erlebt, sondern als glaubende Menschen, die einen konsequenten Weg der Nachfolge Jesu, ein Leben nach dem Evangelium versuchen. Tatsächlich sind die Themen des Ordenslebens genau die Themen, die für die ganze Kirche wichtig sind: Bereits in den ersten Jahrhunderten des Christentums setzen sich Menschen räumlich von den normalen Gemeinden ab, suchen als Eremiten, also als Einsiedler oder in Gemeinschaften ihren Weg des Glaubens. Dabei wollen sie Themen wachhalten, die für die ganze Kirche wichtig sind, aber bei den Menschen in den Gemeinden in ihrem Alltag manchmal vergessen werden oder schwierig sind.

Das Hauptmotiv monastischen Lebens bleibt die Nachfolge Jesu. Wie ihr Herr und Meister nehmen sie, die Nonnen und Mönche, das Armutsgebot des Evangeliums ernst: wenn du vollkommen sein willst, verkaufe deinen Besitz und gib das Geld den Armen (Vgl. Mt 19,21). Christinnen und Christen außerhalb und innerhalb der Klöster sollen wirkliche Nachahmer Christi sein. Besonders die Nachfolge beim Kreuztragen spielt eine Rolle. Da geht es nicht darum, das Leiden zu suchen, sondern das Kreuz als Ausdruck der Liebe zu verstehen. Wie finde ich meinen Weg, die Liebe zu leben? – darum geht es. Die Keuschheit im Kloster ist ein Ausdruck dieser Liebe, die alle umfassen will und sich nicht an einen konkreten Menschen bindet. Der Gehorsam in der Gemeinschaft gilt im Eigentlichen Christus selbst, der durch andere zu uns spricht. In dieser Lebensform, liebe Schwestern, halten Sie den eigentlichen Sinn des Kreuzes wach. Das ist heute wieder besonders aktuell. In aktuellen Debatten sehen Menschen das Kreuz als kulturelles Symbol, als Mittel der Abgrenzung gegenüber Andersgläubigen. Ich zitiere aus einem Brief, der mich in den vergangenen Tagen aufgrund der in Bayern angestoßenen „Kreuzdebatte“ erreicht hat: „ Ich war froh, dass endlich jemand in politischer Verantwortung in unserem Land das Heft in die Hand nimmt und etwas gegen die „Überfremdung“ sowie das  „gottlos werden“ in unserem Lande tut!“ Das Kreuz wird zum Kampfsymbol gegen Fremde und Nichtglaubende. Und dann werden die verantwortlichen Bischöfe gemaßregelt, dass sie diesem Anliegen entgegentreten. Ihre Kreuzesnachfolge, liebe Schwestern, richtet sich nicht gegen jemanden. Sie gehen einen Weg und nehmen die ganze Welt in ihr Leben mit, besonders auch die Menschen, die noch nicht Christus gefunden haben. Im Gebet suchen Sie die Nähe Jesu, Tag für Tag, und nehmen die Welt mit dazu. Das ist ein unbezahlbarer Dienst, der gerade nicht im Namen Jesu und des Kreuzes ausgrenzt, sondern ein weites Herz hat für alle Menschen, ja, auch für die Feinde des Glaubens, für die Jesus schon zu beten aufruft. Was Sie tun, ist eine Ermutigung für die ganze Kirche. Sie halten durch Ihre Form der Christusnachfolge den Gedanken allumfassender Liebe und Fürsorge wach, die jedem Christen aufgetragen sind.

Das Mönchtum entsteht in einer Zeit, in der das eigentliche Blutzeugnis Geschichte wird. Die monastische Nachfolge wurde manchmal als Martyrium verstanden. Heute sehen wir, wie in Regionen unserer Erde Menschen für den christlichen Glauben den Kopf hinhalten, oft in buchstäblichem Sinne. Der Mönch, die Nonne hält die Erinnerung an dieses konsequente Zeugnis auch in unseren Regionen wach. Menschen, die ein monastisches Ideal leben, leben ein beeindruckendes Zeugnis der Nachfolge, das andere anstecken und begeistern kann.

Wenn man in die frühchristlichen Quellen schaut, begegnen uns zwei Motive, die uns heute etwas irritieren: Die ersten Mönche wollten als Engel leben, also jenseits irdischer Bedürfnisse. Sie wollten gleichsam das Leben im Himmel bereits vorwegnehmen. Auch das ist nicht so abwegig, wie es scheint. Denn das sind Themen christlichen Lebens insgesamt. Wie Engel leben: das kann nicht bedeuten, alle Bedürfnisse zu ersticken. Ein Mensch in der Nachfolge bleibt ein Mensch aus Fleisch und Blut. Aber er lässt sich nicht willenlos von allen Begierden treiben, er macht nicht alle Moden mit, er macht sich frei von dem, was andere für normal halten. Die Gesetze dieser Welt werden in Frage gestellt: der Vorrang des Starken, des Schnellen, des Aktiven, des Lauten, die Logik des Geldes und des Marktes. In der Welt Gottes, der Welt der Engel, gelten andere Gesetze. Dort zählt der Gottesdienst, der Dank, die Gnade, der Lobpreis, das Gebet, die Gemeinschaft, die auch den Schwachen mitnimmt. Das ist „wie die Engel leben“. Dem anderen Menschen zum Engel werden, ihn stützen, mittragen, begleiten. Die ersten Mönche und Nonnen wollten das Paradies vorwegnehmen, wie im Himmel leben. Es war schnell klar, dass das bedeutet, sich den Versuchungen und der Welt zu stellen. Die Realität halten auch die Klostermauern nicht ab. Ganz im Gegenteil. Wie für jeden Christen beginnt der Himmel aber hier und jetzt. Mitten in diesem Leben sind wir von Himmel umfangen – um ein Kirchenlied verändert zu zitieren. Das ewige Leben besteht darin, Christus zu kennen und an ihn zu glauben. Indem Klöster Orte der Glaubenssuche sind, Orte der Christusgemeinschaft, leben Menschen hier, wie auch in der sog. Welt, bereits im Himmel, in der Gemeinschaft mit Christus. Im konkreten Klosteralltag wie auch im Leben außerhalb des Klosters bedeutet „im Himmel sein“, die Versöhnung suchen und verwirklichen. So wie der Himmel allumfassender Friede und Versöhnung bedeutet, so müssen wir bereits hier damit anfangen, so schwer das manchmal sein mag.

Gerade die benediktinischen Klöster waren immer Orte der Nächstenliebe und der Gastfreundschaft. Das sind Tugenden, die eben nicht auf Klöster beschränkt sind. Was es heißt, dass uns in jedem Menschen Christus begegnen kann, müssen wir auch außerhalb der Klöster immer neu lernen und leben.

Liebe Schwestern, Sie halten Themen wach und leben sie, die die ganze Kirche betreffen. Die Nachfolge, das Zeugnis, die Notwendigkeit des Gebets, das ewige Leben, das uns schon jetzt geschenkt ist sowie die praktizierte Nächstenliebe. Heute danke ich Ihnen, danken wir alle Ihnen für diesen Dienst an der ganzen Kirche und an allen Menschen. Gott möge die kommende Zeit segnen und Ihnen auch künftig Freude an der Berufung und an Ihrem täglichen Dienst schenken.