„Beten, fasten, Almosen geben“

Predigt von Bischof Peter Kohlgraf beim Gottesdienst zum „Aschermittwoch der Künstler und Publizisten“ am 14. Februar 2018 im Mainzer Dom

Datum:
Mi. 14. Feb. 2018
Von:
Bischof Peter Kohlgraf
Beten, fasten, Almosen geben – diese drei Ratschläge zu einem guten Leben schenkt uns das heutige Evangelium. Nun ist die heute beginnende österliche Bußzeit tatsächlich eine Einladung auf den Weg zu einem guten Leben: eine neue Hinwendung zu Gott, dem Schöpfer; eine neue Haltung der Bescheidenheit im Umgang mit den Gütern der Schöpfung; eine neue Hinwendung zum Nächsten als meinem Bruder und meiner Schwester.

Jede und jeder ist eingeladen, hier seinen ganz persönlichen Weg durch die kommenden 40 Tage zu gestalten. Über das Tun des Einzelnen hinaus sind wir als Gemeinschaft unterwegs. Ich möchte am Beginn dieser 40tägigen Bußzeit an die Umweltenzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus erinnern, der uns als Gemeinschaft in die Pflicht nimmt. Die Suche nach einem guten Leben muss eine gemeinsame Bewegung werden, indem wir uns alle aufmachen, unser Leben zu verändern in der „Sorge um das gemeinsame Haus“.

1. Beten

Die Ursache für die Ausbeutung der Schöpfung, unter der jeder einzelne Mensch leidet, besteht vor allem in einer falschen Grundhaltung gegenüber der Schöpfung, den Pflanzen, Tieren und Menschen. Die Aussage der Schöpfungserzählung: „macht euch die Erde untertan“ ist bis heute missverstanden worden, als würde sie dem Menschen einen Freibrief im Umgang mit den anderen Geschöpfen in die Hand geben. Wir sind in dem Bewusstsein aufgewachsen, Herrscher der Schöpfung zu sein, berechtigt, sie auszuplündern, sagt der Papst (LS 2). Das gilt für die großen globalen Phänomene, aber beginnt im direkten Umgang der Menschen untereinander, und ihrem Verhalten gegenüber den anderen Geschöpfen. Die Krankheitssymptome des menschlichen Herzens zeigen sich in den Krankheitssymptomen der Schöpfung. Wenn der Papst immer wieder an die Rechte der Armen erinnert, gehört die Erde selbst zu den Armen, die aufschreien und ihr Recht einfordern. Wir alle sind selber Teil dieser Erde – das ist eine geistlich-religiöse Grundhaltung. Passend werden wir gerade am Aschermittwoch daran erinnert: „Bedenke Mensch, dass du Staub bist, und zum Staub zurückkehrst“. Das Aschenkreuz erinnert an die Tatsache, dass wir nicht Gott sind, sondern Teil der Erde, von ihr genommen, und eines Tages werden wir wieder zu Erde. Wenn der Papst eine ganzheitliche Ökologie fordert, ist dies eine spirituell-geistliche Haltung, die wir einnehmen sollen. Wir sind Geschöpfe, und wir nehmen teil an dem Auftrag, die Schöpfung zu hüten, zu bewahren, zu pflegen. Wenn wir besonders in den kommenden Tagen zum Gebet gerufen sind, geht es nicht um eine fromme Stimmung ohne weitere Konsequenzen. Gebet meint die Zuwendung des Geschöpfes zum Schöpfer, wir treten ein in das Gebet der ganzen Schöpfung, das sie dem Schöpfer bringt. Darin erkennen wir unsere Würde, aber auch unsere Grenzen. Wir sind nicht Gott. Die Enzyklika schließt mit einem Gebet für und mit unserer Erde:

Allmächtiger Gott,
der du in der Weite des Alls gegenwärtig bist
und im kleinsten deiner Geschöpfe,
der du alles, was existiert,
mit deiner Zärtlichkeit umschließt,
gieße uns die Kraft deiner Liebe ein,
damit wir das Leben und die Schönheit hüten.(…)

Lehre uns,
den Wert von allen Dingen zu entdecken
und voll Bewunderung zu betrachten;
zu erkennen, dass wir zutiefst verbunden sind
mit allen Geschöpfen
auf unserem Weg zu deinem unendlichen Licht.

2. Fasten

Das Fasten entsteht aus dieser geistlichen Haltung. Der Papst lädt ein zum Ausstieg aus dem „Konsum-Mechanismus“ (LS 203). Das Streben nach immer mehr Besitz, indem der Mensch sich definiert über das Haben, zeigt seine „inneren Wüsten“. Dabei kann sich der Mensch bescheiden, er kann sich über das Sein beschreiben, nicht über das Haben. Ein gutes Leben kann der Mensch in der Bescheidenheit und im Verzicht finden. Das Fasten soll uns öffnen für unsere soziale Verantwortung, unsere Verantwortung gegenüber der ganzen Schöpfung. Daher ist es für das christliche Fasten nicht genug, nur zu fasten, damit es mir persönlich besser geht. Es soll sensibilisieren für den gemeinsamen Auftrag, den gemeinsamen Weg, den wir gehen. Der Mensch, der fastet, der verzichtet, setzt sich Grenzen, um der Umwelt und dem Nächsten zu helfen. Der Papst weiß darum, dass äußere Gesetze hier nicht viel helfen. Es geht um eine „Mystik, die uns beseelt“. Aus dieser Mystik erwächst ein bescheidener Lebensstil, der verzichten kann, auch über die 40 Tage der Fastenzeit hinaus. Das christliche Fasten kann so ganz individuelle Wege finden. Während der eine auf bestimmte Lebensmittel verzichtet, verzichtet ein anderer auf anderen Konsum; der eine setzt auf eine innere Erneuerung, indem er sich durch eine gute Lektüre inspirieren lässt, der andere verzichtet möglichst auf das Autofahren. Fasten bedeutet, einen eigenen Weg zu finden, der uns dafür sensibel macht, dass wir Menschen werden, die ihre Würde von Gott her finden und nicht über das Besitzen welcher Art auch immer. Fasten soll die Bescheidenheit fördern. Und schließlich erinnert uns die Enzyklika an die soziale Verantwortung, die wir als Verbraucher haben, wenn wir uns für oder gegen bestimmte Produkte entscheiden.

3. Almosen geben

Almosen geben kann für den Almosenempfänger etwas Erniedrigendes ausdrücken. Der andere Mensch ist abhängig, und im Almosen wird dies deutlich. Dabei ist diese kleine aufmerksame Gabe schon viel. Beim christlichen Almosen geht es um mehr. Grundlage ist die „Sorge um das gemeinsame Haus“. Die Grundhaltung hinter der sozialen Zuwendung zum anderen ist das Wissen darum, dass wir Brüder und Schwestern sind. Im besten Fall entsteht dort, wo wir als glaubende Christinnen und Christen leben, aus der Menge von Menschen eine Gemeinschaft, in der die Sorge und die Nöte der anderen wahrgenommen werden. In vielen kirchlichen Einrichtungen geben wir Menschen Teilhabe, die sonst am Rande stünden. Über die barmherzige Zuwendung hat die Kirche auch den Auftrag, an soziale Gerechtigkeit zu erinnern und selbst einen Beitrag zu leisten. Die Caritas etwa erinnert in diesem Jahr an die Wohnungsnot, gerade auch in unserer Region. Es genügt nicht, nur die Politik an die Verantwortung zu erinnern, sondern die Kirche selbst, und jeder und jede einzelne kann schauen, wo sie Wohnraum hat, der anderen helfen könnte. Das ist ein Beispiel, das zeigt, worum es beim Almosen geht: um die eigene Verantwortung für das Gemeinwohl. Im letzten müssen wir uns immer fragen: in welcher Welt wollen wir leben, welche Welt wollen wir hinterlassen, welche Werte treiben uns an?  Und: was kann ich tun, was darf ich nicht an den anderen abwälzen?

Beten, fasten, Almosen geben: drei alte und gute Mittel für ein gutes und menschenwürdiges Leben. Ich wünsche uns allen eine gesegnete Zeit.

„Herr, ergreife uns mit deiner Macht und deinem Licht, um alles Leben zu schützen, um eine bessere Zukunft vorzubereiten, damit dein Reich komme (…) Gelobt seist du. Amen“ (LS 246).