Bewahrung der Schöpfung – so lautet das Thema der diesjährigen Wallfahrt zum Rochusberg. Als Papst Franziskus im Jahr 2015 seine Umweltenzyklika „Laudato si“ veröffentlichte, konnte man den Eindruck haben, dass sie in der Kirche selbst weniger Aufmerksamkeit erhielt als in der „weltlichen“ Öffentlichkeit. Das hat sich allerdings in den letzten Monaten geändert. Die deutschen Bischöfe haben das Thema des Umweltschutzes als einen Arbeitsschwerpunkt entdeckt, in den Bistümern bemühen wir uns um die Förderung von Umweltaktivitäten, und auch die aktuelle Großwetterlage in Europa und weltweit lässt uns ahnen, dass uns die Folgen der Klimaveränderungen dauerhaft beschäftigen werden. Dass in einer Welt, die der Papst als „gemeinsames Haus“ bezeichnet, zunehmend wieder nationale und nationalistische Tendenzen in den Vordergrund drängen, ist angesichts der anstehenden Fragen zur Gestaltung und Rettung des „gemeinsamen Hauses“ unpassend und absolut unzeitgemäß. Dass wir ein gemeinsames Haus bewohnen, ist in vielerlei Hinsicht relevant: Der Papst erinnert an die Zusammengehörigkeit der Menschen unabhängig von Herkunft und Nationalität und die gemeinsame Verantwortung jedes einzelnen. Gemeinsam sind Menschen, Tiere und Pflanzen Bewohner dieses Hauses, und besonders auch die Tiere werden in einer eigenen Würde betrachtet: Sie rufen zum Staunen und zur Ehrfurcht auf und ordnen den Menschen in das Gesamt der Schöpfung ein. Alles und alle sind miteinander verbunden und stehen im Dienst aneinander. Dass eine solche Haltung Folgen für den Umgang des Menschen mit der gesamten Schöpfung hat, kann hier nur angedeutet werden. Der Papst hat durch die Gründung einer neuen Kongregation in Rom vor kurzem auf die Zusammengehörigkeit von Themen hingewiesen, die bisher und zu oft isoliert gesehen werden. Diese Kongregation versucht die Themen des gemeinsamen Hauses hilfreich zu unterstützen: die Caritas weltweit, also die Sorge um die Armen. Dazu kommen die Sorge um die Gesundheit, die Themen von Flucht und Migration und der Klimaschutz. Wie in der Enzyklika Laudato si sieht der Papst den Zusammenhang der Themen: Armut, Gesundheit, Flucht und Klima. In politischen Debatten werden sie oft isoliert voneinander gesehen. Konkret heißt das, wir können nach Laudato si nicht über Zulassung von Flüchtlingen urteilen, indem wir manche Menschen als Armutsmigranten ausgrenzen, durch unseren Lebensstil aber dazu beitragen, dass sie in der Heimat die Lebensgrundlagen verlieren. Uns muss klar werden, dass, wenn der Mensch gerade in den Industrieregionen zur Klimaerwärmung beiträgt, wir in wenigen Jahrzehnten Teile der Erde für die dort lebenden Menschen unbewohnbar machen. Die oft gehörte Wirtschaftskritik des Papstes ist auch von daher motiviert. Wenn Politik immer wieder wirtschaftliche Fragen vor die ökologischen stellt, werden anderenorts Menschen die Lebensgrundlagen entzogen, und wir werden uns nicht zu wundern brauchen, wenn Fluchtbewegungen auch aufgrund unseres Lebensstils ein immer stärkeres Zukunftsthema werden. Es ist klug und prophetisch, wenn der Papst zeigt, wie die Themen der Umwelt und des menschlichen Lebens zusammengehören.
Es ist gut, dass die Wallfahrt zum Rochusberg die Sorge um das gemeinsame Haus in den Mittelpunkt stellt. Es ist kein Randthema des Glaubens, es ist die Frage nach der Stellung des Menschen, nach seiner Verantwortung, was es bedeutet, dass der Mensch sich als Geschöpf in der Verantwortung gegenüber seinem Schöpfer und der Schöpfung sieht. Wie es seine Art ist, bleibt der Papst in der Enzyklika nicht im Allgemeinen. Im sechsten Kapitel wird er konkret und fragt, was das alles für den Menschen bedeutet. Und er mahnt zu einer ökologischen Erziehung, für die auch die Kirche Verantwortung trägt und zu einer ökologischen Spiritualität, d.h. zu einer umweltbewussten Geisteshaltung eines jeden Menschen. Er zitiert Papst Benedikt XVI., der einmal gesagt hat: „die äußeren Wüsten in der Welt wachsen, weil die inneren Wüsten so groß geworden sind“ (LS 217) und zeigt damit den Zusammenhang zwischen Einstellungen und konkreten Verhaltensweisen und religiösen Grundhaltungen. Einige Beispiele mögen uns zu einer eigenen Umkehr helfen.
Ein erster Punkt möchte den Menschen einladen, sich über das Sein zu definieren und nicht über das Haben, den Konsum. Das Sein beinhaltet, sich als Geschöpf zu verstehen, als Bruder oder Schwester der anderen Geschöpfe, als Kind Gottes, als sein Ebenbild. Der Papst sieht aber, dass viele Menschen über das Haben versuchen, sich Würde und Wert zu geben. Freiheit wird als Konsumfreiheit verstanden. Der Mensch ist dann etwas, wenn er etwas besitzt, und Besitz möchte sich vermehren. Wenn die Kirche für den konsumfreien Sonntag eintritt, geht es um die Würde des Menschen genau in diesem Sinne. Der Papst sagt: „Wir sind berufen, in unser Handeln eine Dimension der Empfänglichkeit und der Unentgeltlichkeit einzubeziehen, die etwas anderes ist als ein bloßes Nichtstun. Es handelt sich um eine andere Art des Tuns, die einen Teil unseres Wesens ausmacht. Auf diese Weise wird das menschliche Handeln nicht allein vor dem leeren Aktivismus bewahrt, sondern auch vor der zügellosen Unersättlichkeit und dem abgeschotteten Bewusstsein, das dazu führt, nur den eigenen Vorteil zu verfolgen. (…) Die Ruhe ist eine Ausweitung des Blickfeldes, die erlaubt, wieder die Rechte der anderen zu erkennen. So strahlt der Tag der Ruhe, dessen Mittelpunkt die Eucharistie ist, sein Licht über die ganze Woche aus und motiviert uns, uns die Sorge für die Natur und die Armen zu Eigen zu machen.“ (LS 237).
Genügsamkeit und Demut sind wichtige und heilsame Tugenden des Menschen, die heute wieder entdeckt werden. Das Selbstverständnis des Menschen, alles machen zu dürfen, ist nicht nur harmloser Hochmut, sondern zerstört die Umwelt und das Miteinander. Demut ist das Gegenteil einer Haltung, die meint, alles beherrschen und benutzen zu dürfen. Genügsamkeit, Einfachheit im Lebensstil, Dankbarkeit für die Gaben der Schöpfung und ein bewusster Gebrauch sind geistliche, religiöse Haltungen, zu der die Heilige Schrift immer wieder einlädt.
Wir haben angefangen mit den großen globalen Themen und sind dann zu Grundhaltungen gelangt. Diese müssen dann im Kleinen alltäglich gelebt werden. Aber was verändert das? Der Papst ist optimistisch. „Man soll nicht meinen, dass diese Bemühungen die Welt nicht verändern. Diese Handlungen verbreiten Gutes in der Gesellschaft, das über das Feststellbare hinaus immer Früchte trägt, denn sie verursachen im Schoß dieser Erde etwas Gutes, das stets dazu neigt, sich auszubreiten, manchmal unsichtbar. Außerdem gibt uns ein solches Verhalten das Gefühl der eigenen Würde zurück, führt uns zu einer größeren Lebenstiefe und schenkt uns die Erfahrung, dass das Leben in dieser Welt lebenswert ist.“ (LS 212).
Denken wir über die Umwelt nach, kommen sehr schnell Gott ins Spiel und wir Menschen und unser Verhältnis zu ihm. Der Lobpreis des Schöpfers stärkt auch die Ehrfurcht vor der Schöpfung: „Allmächtiger Gott,
der du in der Weite des Alls gegenwärtig bist
und im kleinsten deiner Geschöpfe,
der du alles, was existiert,
mit deiner Zärtlichkeit umschließt,
gieße uns die Kraft deiner Liebe ein,
damit wir das Leben und die Schönheit hüten.“ (LS 246)