Ich glaube, dass Du vielen Menschen wichtige Anregungen für das eigene Glaubensleben gegeben hast. Menschen aller Altersstufen hast Du begeistern können. Ich wünsche Dir von Herzen und bin davon überzeugt, dass Dir das an Deiner neuen Wirkungsstätte auch gelingen wird.
Lieber Erzbischof Udo,
Für Dich, für unser Bistum und auch für mich persönlich begehen wir heute einen deutlichen Einschnitt. Die Gefühle sind durchaus zwiespältig. Für Dich freuen wir uns, dass Papst Franziskus Dich zum Erzbischof von Paderborn ernannt hat. Paderborn bekommt mit Dir einen guten Bischof. Wir verlieren Dich in einer gewissen Weise, auch wenn wir verbunden bleiben. Die Jahrzehnte, die Du hier gelebt und gewirkt hast, prägen Dich und prägen uns. Wir geben Dich ab, aber als Kirche sind wir auch in vielen Bereichen weiter verbunden und gemeinsam unterwegs.
Persönlich danke ich Dir für die sechs Jahre der Weggemeinschaft. Als ich 2017 zum Bischof gewählt und geweiht wurde, hast Du Dich für die Aufgabe des Generalvikars zusätzlich zu Deinen Aufgaben als Weihbischof zur Verfügung gestellt. Angesichts der Herausforderungen war das nicht selbstverständlich, ich werde Dir dafür dankbar bleiben. Und ich glaube: Das Bistum Mainz darf wahrnehmen, was alles in den vergangenen Jahren auf den Weg gebracht worden ist.
Als ich vor der Bischofsweihe auf den Weiheexerzitien war, hat mein priesterlicher Begleiter damals Bilder aus dem Kloster zur Grundlage gemacht. Diese Bilder stammen aus der Barockzeit und stellen monastische Grundhaltungen dar, bringen aber im Grunde christliche Lebenseinstellungen und Erfahrungen ins Bild. Ein Bild hat mich besonders beschäftigt. Eine Brennnessel ist abgebildet, und darunter steht die Weisheit: Wenn du sie anpackst, sticht sie nicht. Bei einer realen Brennnessel habe ich es nie ausprobiert, aber für den Maler des 17. Jahrhunderts war dies eine wichtige Erfahrung, die er weitergeben wollte. Probleme muss man anpacken, Baustellen muss man bearbeiten. Den Kopf in den Sand zu stecken, hilft niemandem und löst gar nichts.
Ich sehe auf dieses Bild heute im Rückblick auf unsere gemeinsamen Jahre. Es gab und gibt wahrlich viele Baustellen. Wir hätten uns kurzfristig mehr Sympathie erwerben können, wenn wir die Brennnessel nicht angepackt hätten. Finanzfragen, Immobilien, die Personalsituation, die demographische Entwicklung – sie bilden den Hintergrund für den Pastoralen Weg, der uns beschäftigt, und den mittlerweile viele Menschen engagiert mitgestalten. Du hast in Deinen Aufgaben die Brennnesseln angepackt, Probleme hast Du nicht vor Dir hergeschoben. Ich kann hier keine vollständige Aufzählung geben. Die neue Struktur des Ordinariats geht auf Deine Initiative zurück. Und Du hast Dich mit mir sehr bald nach dem Erscheinen der MHG-Studie dem Thema der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der Kirche gestellt. Danach wurde die Mainzer EVV-Studie in Auftrag gegeben. Wir haben Strukturen geschaffen, die Vieles von dem vorbereitet haben, was heute professioneller läuft. Mit Frau Rieth hast Du ein neues Leitungsverständnis auf den Weg gebracht, auch sie packt heute die Brennnesseln an. Ich bin froh, dass sie und der neue Generalvikar gemeinsam Verantwortung tragen. Die Suche nach einem neuen Weihbischof ist angelaufen.
Ob die Brennnessel nie zurückgestochen hat? Ich wage es zu bezweifeln. Nicht jede Kritik war angemessen in Ton und Inhalt. Dein Büro weiß zu berichten, dass der Verzehr von Currywurst eine Reaktion auf derartige Erfahrungen war. Das verbindet uns durchaus: Auch ich weiß dieses Gericht als therapeutische Maßnahme zu schätzen.
Berichte in der Mainzer Allgemeinen Zeitung haben uns wiederholt beschäftigt. Wenn Du dort zuletzt als Macher charakterisiert wurdest, bleiben die Artikel wirklich an der Oberfläche hängen. Du hast in zahlreichen Predigten und anderen Beiträgen offengelegt, aus welchen geistlichen Quellen Du lebst. Ohne diese Quellen versteht man Dich nicht. Deine Predigten waren und sind nicht nur gute Rhetorik, sie legen offen, was Dir wichtig ist. Ich glaube, dass Du vielen Menschen wichtige Anregungen für das eigene Glaubensleben gegeben hast. Menschen aller Altersstufen hast Du begeistern können. Ich wünsche Dir von Herzen und bin davon überzeugt, dass Dir das an Deiner neuen Wirkungsstätte auch gelingen wird.
Ein anderes Bild des erwähnten Klosterzyklus‘ zeigt zwei Vögel mit ihren Jungen, die zur Sonne schauen. Der Blick auf die Ewigkeit Gottes ist die Grundlage dafür, das Leben hier und jetzt intensiv zu gestalten. Du bist im guten Sinne ein „Netzwerker“. Du kannst Menschen verbinden, motivieren und einbinden. Die Paderborner bekommen einen guten Kommunikator. Dazu gratuliere ich sehr herzlich.
In dem klösterlichen Bilderzyklus gibt es andere Themen, die ich mit Dir verbinden will. Ein Bild ist untertitelt: Des einen Glanz – des anderen Glut. Das Bild zeigt einen Spiegel, auf den das Licht der Sonne trifft, das er dann reflektiert in die Welt hinein. Auf dem Bild ist das reflektierte Licht jedoch Ursache von Bränden. Man kann seine Fähigkeiten, die Gott einem geschenkt hat, zur Glut wandeln, oder zum Licht und zur Wärme, die das Leben fördern. Vielleicht muss manches auch im Licht der Sonne Gottes verändert werden, das ist nicht immer angenehm. Aber die Erfahrung des Lichtes Gottes soll andere ermutigen und fördern. Ich glaube, viele können davon berichten, dass Du ihre Gaben eingebunden hast, und ihnen die Möglichkeit gegeben hast, selbst Licht weiterzugeben.
Und Du warst nicht nur auf den eigenen Kirchturm konzentriert. Deine Begeisterung für die Weltkirche, gerade auch für den Nahen Osten, wird hoffentlich weiter die Kirche in Deutschland inspirieren. Darauf freue ich mich im Hinblick auf die Bischofskonferenz.
Lieber Erzbischof Udo, wir lassen Dich nicht mit Jubel ziehen, aber mit Respekt und Dankbarkeit. Und mit den besten Segenswünschen für Deine weiteren Wege. Möge Gott Dich und das Erzbistum Paderborn begleiten und führen.