Das Evangelium (Mk 9,41-50) ist das Evangelium des heutigen Tages, wir haben es nicht extra für diesen Gottesdienst ausgewählt. Es sind drei Gedanken, die, so scheint mir, für Sie, liebe Schwestern und Brüder, eine passende Botschaft haben.
1. Wer dem Kleinsten auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, (…) wird nicht um seinen Lohn kommen. – Sich dem Kleinen und Schwachen zuwenden
Zunächst geht es um das Zusammenleben in der Gemeinde. Aber die Gemeinde möchte so etwas sein wie ein Modell für das gesamte gesellschaftliche Zusammenleben. Die Menschen werden aufgefordert, gerade dem Kleinen, dem Schutzlosen, Aufmerksamkeit zu schenken. Ich vermute, dass dies eine gute Beschreibung für den alltäglichen Dienst unserer Polizistinnen und Polizisten ist. Schutzlose, hilflose Menschen sollen Stärkung und Aufmerksamkeit erfahren. Das Wasser, das sie von der Polizei erhalten, ist die Sicherheit, der Schutz. Damit ermöglichen Polizistinnen und Polizisten vielen Menschen Tag für Tag die Erfahrung der Würde und des Respekts. Und das tun Polizisten, indem sie oft ihren eigenen Kopf hinhalten: der Gewalt, der Beleidigung, dem Verbrechen. Dabei ist es der Part der Polizei, konsequent und sachlich zu bleiben, Beleidigungen nicht zu erwidern, eskalierende Gewalt professionell einzudämmen. Das ist im Alltag sicher nicht einfach, denn die menschlich verständlichen Reaktionen sähen anders aus. Die Gegenwart der Polizei ist für die meisten Menschen beruhigend. Es scheint so zu sein, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der man den Eindruck haben muss, dass Gleichgültigkeit zunimmt, Gewalt in Wort und Tat den Alltag bestimmt, und das Ich des Einzelnen wichtiger wird. Polizisten halten nun keine Predigten, aber sorgen dafür, dass diese Haltungen nicht Oberhand gewinnen. Auch für uns als Kirche sind das Themen. Wir werden immer dazu ermutigen, den schwachen Menschen zu schützen, ihm das Wasser zu reichen, das er braucht. Dazu braucht es Menschen, die den Mut haben, hinzuschauen, wo Gleichgültigkeit und Gewalt herrschen und sich diesen Trends entgegen zu stellen. Das Kleine, das Schwache schützen, ist Auftrag des Evangeliums. Eine Gesellschaft lebt davon, dass sich Menschen einem solchen Friedensdienst verschreiben. Vielleicht ist jeder und jede einmal in der Situation dieses Kleinen, der darauf wartet, dass mich jemand beachtet. Lassen wir uns auch zu einem fürsorglichen Miteinander ermutigen, auch mit Kolleginnen und Kollegen.
2. Reiß das Böse aus – stärke das Gute
Im Evangelium finden sich die brutalen Bilder, dass Jesus dazu aufruft, das auszureißen, was zum Bösen verführt. Vielleicht sind diese Bilder für einen solchen Tag gar nicht so unpassend. Natürlich geht es erst einmal um jeden Menschen selbst. Jeder muss dafür sorgen, dass die Kräfte des Guten in seinem Leben nicht nachlassen. Wir wissen aber auch, dass es dazu kommen kann, dass kleine faule Stellen den ganzen Menschen vergiften. Ein böser Gedanke, eine böse Tat, ein Blick, ein Wort kann zerstörerisch sein. Wir neigen manches Mal dazu, diese kleinen Versuchungen schön zu reden: „Ich habe doch niemanden umgebracht“. Aber bereits in der Bergpredigt im Matthäusevangelium weist Jesus darauf hin, dass aus Kleinem etwas Großes und Schlimmes erwachsen kann. Nicht erst der Mord macht mich zum Sünder, sondern der hasserfüllte Gedanke, der Neid, die Beleidigung, der Schlag, den ich einem anderen versetze, auch mit Worten. Insofern möchte das Evangelium sensibel machen für meine Hauptversuchungen. Was sind die kleinen Dinge, die mich in Besitz nehmen und die vielleicht verhindern, dass ich zu dem guten Menschen werde, der ich sein könnte? Dieses Böse im Kleinen vergiftet oft das Miteinander mit anderen. Wenn ich hasse, neide, austeile, vergifte ich die Atmosphäre auch zwischen Menschen. Das Böse ist nie Privatsache, sondern verändert das Miteinander. Und hier ermahnt Jesus nun zu einer genauen Selbstkritik und zu den entsprechenden Konsequenzen, dies zu verhindern. Das Böse entsteht nicht erst durch Wort und Tat, sondern geschieht auch im Unterlassen des Guten, im Wegschauen, im Desinteresse. Das Problem unserer Gesellschaft ist nicht allein die Gewaltbereitschaft in Tat und Wort, sondern mindestens genauso das Wegschauen, die Sensationsgier, ohne etwas verhindern zu wollen. Wie kann es sein, dass Menschen Photos machen, wenn jemand verletzt daliegt, ohne helfen zu wollen? – nur ein Beispiel. Die Polizei steht hier vorbildlich gegen jede Gleichgültigkeit. Wir müssen gemeinsam gegen das Böse stehen, und gemeinsam das Gute stärken. Polizei macht auch Prävention – in vielen Bereichen. Als Kirche und als Christen sind wir ein Teil der Gesellschaft, und wir alle sind gerufen, unseren Teil zu tun, das Gute zu tun, das Böse zu bekämpfen, die Gleichgültigkeit und die Bequemlichkeit zu besiegen. Das heutige Evangelium lädt zur Selbstwahrnehmung: was ist genau mein Thema im Zusammenhang der Bekämpfung des Bösen, des inneren „Schweinehundes“ und der Suche nach dem Guten? Jeder und jede kann da etwas Konkretes tun.
3. Habt Salz in euch – und Frieden untereinander
Jesus hat gerne vom Salz gesprochen, einem damals sehr kostbaren Gewürz. Salz steht für Liebe, für Gastfreundschaft, für Reinheit, es verhindert Fäulnis und hält nach alter Auffassung das Böse ab. Salz in euch: da geht es um das innere Begeistertsein, das innere Feuer. In jedem Beruf besteht wohl die Gefahr, dass die innere Begeisterung nachlässt, dass man zunehmend weniger begeistert ist für das oder diejenigen, für die man arbeitet. Geistlich kraftlos werden kann man ganz sicher auch im Polizeiberuf. Viele Angebote der Polizeiseelsorge wollen dafür Raum geben, sich diesem Thema zu stellen. Glück und Achtsamkeit, Umgang mit Stress, die Gottesbeziehung, die Familie und die Beziehung zum Partner/Partnerin und den Kindern, die Begegnung mit Tod, Gewalt und Trauer – das und mehr sind Themen, die die Seelsorge in den Blick nimmt. Da ist es keine Schande, in einem Beruf wie der Polizei Fragen zu stellen, Hilfe zu suchen, Schwäche zu zeigen. „Salz in euch“ meint kein gefühlloses Feuer um jeden Preis, sondern eine Aufmerksamkeit gegenüber meiner eigenen Gefühlslage. Salz zu haben kann im kollegialen Miteinander auch bedeuten, aufmerksam zu sein für das, was der Kollege oder die Kollegin braucht. Frieden untereinander meint mehr, als dass man sich in Ruhe lässt. Es geht darum, ein Mensch zu werden, der Raum für einen anderen lässt. Nicht umsonst steht im Orient das Salz auch für die Gastfreundschaft. So lädt das Evangelium heute auch ein, über die eigenen Quellen nachzudenken und sie zu suchen, damit das Salz in mir nicht schal wird, das Feuer nicht aufhört zu brennen. Ich bin allen in der Polizeiseelsorge dankbar, dass sie sich diesen Themen stellen und für die Menschen in der Polizei da sind. Denen, die Verantwortung tragen, danke ich für ihre Offenheit und die Aufmerksamkeit für diese Themen.
Das Kleine schützen, das Böse bekämpfen und das Gute stärken, Salz in uns haben und den Frieden leben. Ich wünsche Ihnen, ich wünsche uns allen, dass uns diese Worte Jesu begleiten, ermutigen und auf neue und gute Ideen bringen, wie es im Alltag gehen kann.