Das zarte Pflänzchen der Hoffnung

Predigtimpuls von Bischof Peter Kohlgraf beim Ökumenischen Gottesdienst auf dem Hessentag Stadthausbühne, Pfungstadt, Samstag, 3. Juni 2023, 17 Uhr

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Datum:
Sa. 3. Juni 2023
Von:
Bischof Peter Kohlgraf

An diesem Hessentag geht es auch darum, eine Gemeinschaft zu feiern, die darüber hinaus immer wieder auch Gestaltungsaufgabe ist. Welche Rolle kann das Christentum spielen, das zumindest quantitativ an Bedeutung verliert? Es fängt wohl damit an, dass wir die Vision des Jesaja in unseren Kirchen als Auftrag annehmen im Umgang miteinander. Werden Kirchen erlebt als gelungene Modelle von Gewaltfreiheit in Gedanken, Worten und Werken?

Frieden lernen statt Krieg lernen: Frieden ist eine der großen biblischen Visionen, die uns gerade in den prophetischen Büchern begegnen. Vor allem im Buch Jesaja werden uns wunderbare Friedensvisionen geschenkt: Schwerter werden zu Pflugscharen umgeschmiedet, die Menschen kommen zur Einsicht, auf Kriege und Waffen zu verzichten und Lebensgrundlagen für alle Menschen zu schaffen. Jesaja ist so realistisch zu wissen: Ein endgültiger Friede wird ein Werk Gottes sein am Ende der Tage. Wo Menschen zusammenkommen, wird es auch immer Konflikte geben. Aber die Frage ist: Wie wird mit Konflikten umgegangen? Da sind die großen Friedensvisionen eine starke Motivation, nicht die Hände in den Schoß zu legen und auf die Macht Gottes am Ende der Tage zu vertrauen, sondern jetzt schon den Frieden zu lernen und nicht den Krieg.

Menschen werden ermutigt, zu aktiven Arbeiterinnen und Arbeitern für den Frieden zu werden. Jesaja geht davon aus: Ein gemeinsamer Glaube kann eine derartige Grundlage sein, der Glaube an den einen Gott, der Frieden schafft. Dieser Glaube verhindert, dass Menschen sich befeinden und bekriegen; vielmehr bewirkt er, dass sie sich auf den gemeinsamen Weg zum Frieden machen. Diesen Gedanken müssen wir natürlich in unsere Zeit übersetzen. Ein gemeinsamer religiöser Glaube prägt unser Land nicht, und es ist kein Weg, dies zu beklagen. Wir können die Verschiedenheit der Religionen und Weltanschauungen als Reichtum sehen. Diesen Reichtum entfalten sie aber nur, wenn sie das friedensstiftende Potential ihres Glaubens oder ihrer Werthaltungen entdecken und aktiv fördern. Denn natürlich erleben wir auch die gewaltsamen Tendenzen von Religionen und anderen Weltanschauungen. Daher müssen wir uns alle, gleich welcher Religion oder Weltanschauung, gemeinsam auf Wege des Friedens machen.

Jesaja ist davon überzeugt, dass Menschen den Frieden lernen können. Frieden und Versöhnung ist ein pädagogischer Auftrag. Man kann sie lernen. Es fängt bei der Kommunikation an, die zunehmend gewaltsam ist. Es gehört zur Friedensarbeit, andere Meinungen anzuhören, verstehen zu wollen, aber selbst auch klaren Standpunkt zu beziehen. Toleranz einer Gesellschaft zeigt sich nicht in Beliebigkeit, sondern in klaren Haltungen, die von Wertschätzung und Gesprächsbereitschaft geprägt sein müssen. Unrecht und radikale Positionen, die andere Menschen ausgrenzen und Hass säen, müssen klar benannt werden und Menschen mit Haltung müssen sich dagegenstellen. Konflikte müssen gewaltfrei beigelegt werden können. An diesem Hessentag geht es auch darum, eine Gemeinschaft zu feiern, die darüber hinaus immer wieder auch Gestaltungsaufgabe ist.

Welche Rolle kann das Christentum spielen, das zumindest quantitativ an Bedeutung verliert? Es fängt wohl damit an, dass wir die Vision des Jesaja in unseren Kirchen als Auftrag annehmen im Umgang miteinander. Werden Kirchen erlebt als gelungene Modelle von Gewaltfreiheit in Gedanken, Worten und Werken? Glaubende Menschen haben die große Aufgabe, Schwerter zu Pflugscharen zu schmieden. Glaubende Menschen in den Kirchen haben einen verbindenden Glauben an den einen Gott, der alle Menschen zu einer friedlichen Gemeinschaft zusammenführen will. Die Friedensvisionen des Propheten sind eine starke Motivation, sich nicht entmutigen zu lassen in einer Welt der Gewalt und des Krieges, die wir täglich erleben. Sie helfen, nicht zu resignieren, sondern anzupacken und Frieden aktiv zu gestalten.

Die Kornblumensamen, die wir am Ende zum Mitnehmen erhalten, erinnern an das zarte Pflänzchen der Hoffnung. Frieden muss gepflegt werden, wir müssen ihm den Boden bereiten. Immer aber bleibt er auch Geschenk. Wenn wir ihn pflegen und nähren, kann er wachsen, gedeihen, und tatsächlich das Leben froh machen. Die blaue Farbe der Blumen erinnert dann an den Himmel, der im Frieden schon die Erde berührt. Möge über unserem Bemühen Gottes Segen leuchten.