Die Welt braucht Menschen, die für eine gute Überzeugung, für das Wohl anderer brennen.

Predigt von Bischof Peter Kohlgraf beim Pontifikalamt anlässlich der Glockenweihe in der Pfarrei Sankt Katharina, Gau-Weinheim Sonntag, 24. März 2019

Datum:
So. 24. März 2019
Von:
Bischof Peter Kohlgraf

Die Welt braucht Menschen, die für eine gute Überzeugung, für das Wohl anderer brennen. Es braucht solche Menschen, weil sie gegen eine Unkultur der Gleichgültigkeit und des Egoismus stehen. Derzeit werden manche Gemüter bewegt durch eine junge Frau aus Schweden, Greta Thunberg, eine Jugendliche, die viele andere Jugendliche mobilisiert, sich für den Umweltschutz und gegen den Klimawandel einzusetzen. Von den einen wird sie bewundert, von anderen wird sie verächtlich gemacht, übersehen kann man sie nicht, und tatsächlich ist es schwer, sich ihr gegenüber neutral zu verhalten. Ihr Thema lässt ja ebenfalls nicht gleichgültig. Die Zukunft unseres Planeten ist keine Randfrage menschlicher Existenz. Unsere Lebensgewohnheiten bestimmen den Zustand der Erde in erheblichem Maße mit. Egal, wie ich zu ihr stehe, ich staune über ihren Erfolg. Sie bringt andere auf die Straße, denen die Zukunft der Erde nicht gleichgültig ist. Ich staune darüber, welche Motivation von einzelnen Menschen ausgehen kann, die für eine gute Idee brennen.

Was wäre eigentlich, wenn einzelne glaubende Menschen in unseren Dörfern und Städten beginnen würden, hinauszugehen und ihren Glauben an Gott auf die Straße zu bringen. Weil sie von Gottes Liebe überzeugt sind, weil sie innerlich brennen, weil er sie angerührt und angesprochen hat, und sie können es nicht für sich behalten? In der Heilsgeschichte beginnen solche Bewegungen meist mit einzelnen Menschen, die eine Erfahrung gemacht haben. Mose wird über die Begegnung am brennenden Dornbusch zum Befreier seines Volkes aus der Knechtschaft.

Es stimmt mich nachdenklich, dass diejenigen, die von anderen als gläubige Menschen wahrgenommen werden, die Fanatiker, die Terroristen oder irgendwie verhaltensauffällige Menschen sind. Christen behalten ihren Glauben meist für sich, er verbleibt im privaten Raum, bestenfalls innerhalb der Mauern der Kirche oder des Gemeindezentrums. Dabei ist es eine Überlebensfrage der Kirche, dass sich gläubige Menschen bemerkbar machen. Nicht in einem fanatischen oder aufdringlichen Sinne.

Aber so wie Menschen für die Umwelt eintreten, braucht es Menschen, die sich für eine geistliche Ökologie engagieren. Den Zusammenhang hat einmal Papst Benedikt XVI. sinngemäß so formuliert: die äußeren Wüsten dieser Erde wachsen, weil die inneren Wüsten in den Menschen so groß geworden sind. Die junge Frau aus Schweden ist davon überzeugt, dass sie nicht darauf warten darf, dass andere aktiv werden.

Was ist mit dem Einsatz gegen die inneren Wüsten in unserer Gesellschaft? Wir werden zusehends ein entchristlichtes Land, die Zahl der Gläubigen lässt spürbar nach, Eltern lassen zunehmend die Kinder nicht mehr taufen. Im letzten Jahr hat die Diözese Mainz wieder 11.000 Katholiken verloren, durch Tod oder Austritt.

Neben dem vielen Guten in unserer Gesellschaft – wir wollen nicht schwarz malen – nehmen wir auch wahr, wie der Ton rauer, das Verhalten respektloser, der Alltag nicht selten von Egoismen geprägt ist. Wird es nicht Zeit, dass Christinnen und Christen an Gott erinnern, und zwar an den Gott und Vater Jesu Christi, den Gott, der sich am brennenden Dornbusch offenbarte, der die Liebe ist und für den sie brennen?

Was die jungen Menschen in Bezug auf die Umweltproblematik feststellen, möchte ich als Bischof im Hinblick auf den Gottesglauben in Deutschland sagen: Wir haben es teils auch in der Hand, welche Welt wir den nachkommenden Generationen überlassen. Jesus selbst stellt einmal die Frage: wird der Menschensohn noch Glauben auf der Erde finden, wenn er wiederkommt? (Lk 18,8). Selbstverständlich war das damals und ist das heute nicht. Ich stelle fest, dass es bei jedem und jeder Einzelnen beginnen muss. Weitergeben kann jemand nur das, was ihm selbst wichtig ist, für das er brennt. Und es kann eine Zeit kommen, in der nicht mehr darauf gewartet werden kann, dass irgendjemand anfängt.

Die Jugendlichen, die für die Umwelt auf die Straße gehen, sehen die Frage als ein Überlebensthema der Menschen an. Wie ist das mit der Gottesfrage? Was wird aus unserer Welt, wenn der Glaube an den liebenden Gott verdunstet, verdampft? Die Folgen können wir nicht abschätzen, aber die Welt würde sich verändern. Ich lade ein, den Glauben und das öffentliche Zeugnis nicht den Fanatikern zu überlassen.

Wir lernen mit Mose einen Gott kennen, der für die Menschen, ihre Freiheit und ihr Heil brennt. Es würde den Menschen, es würde der Welt etwas unvergleichlich Wichtiges fehlen, wenn der Glaube an den Himmel, an Gottes Liebe verlorengeht. Gott will Freiheit, er will Leben, ewiges Leben. Die Erde wird zum Gefängnis, wenn der Himmel verlorengeht, davon bin ich überzeugt. Wie damals auch nimmt Gott Menschen in die Pflicht, in seinem Auftrag zu handeln. Ohne Menschen will er nicht handeln. Setzen wir uns seinem Feuer aus, können wir neu zu brennen beginnen. Mögen die Tage der österlichen Bußzeit eine Zeit sein, die uns aufrüttelt. Vielleicht fragen uns die genannten jungen Menschen an, wofür wir eigentlich noch brennen und auf die Straße gehen, wofür und für wen wir uns einsetzen. Die Sorge um die geistliche Ökologie scheint mir mindestens so notwendig wie die Frage nach dem Klima. Lassen wir uns rufen und fragen: welche Erde wollen wir den nachkommenden Generationen überlassen? Lange Zeit zum Warten haben auch wir nicht.