„Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen seiner Gnade“

Predigt von Bischof Peter Kohlgraf beim Pontifikalamt am Hochfest der Gottesmutter Maria Hoher Dom zu Mainz, 1. Januar

Neujahrspredigt Bischof Kohlgraf (c) Bistum Mainz
Datum:
Mo. 1. Jan. 2018
Von:
Bischof Peter Kohlgraf
Das Beste, was wir tun können, ist die Weihnachtsbotschaft der Engel mit ins Neue Jahr zu nehmen, denn immer noch feiern wir Weihnachten und singen dieses weihnachtliche Lied: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen seiner Gnade.“ Es ist ein Lied der Hoffnung, die wir in unseren Zeiten so dringend brauchen. Denn die Engel sprechen nicht einen Wunsch aus, sondern ein Versprechen an uns Menschen.

„Ehre sei Gott in der Höhe“. Wir beginnen den Blick ins neue Jahr nicht mit einer Wunschliste an Gott. Sondern wir lassen uns daran erinnern, was unsere Schuldigkeit Gott gegenüber ist. Unser Leben verdankt sich ihm. Gott hat sich unserer Welt zugeneigt, er ist Mensch geworden, hat gezeigt, wie viel wir ihm bedeuten. Er ist gekommen als Kind im Stall, in unsere Armut und Niedrigkeit. Es wird keinen Tag mehr geben, an dem wir sagen müssen, wir seien allein, und kein Gott ist bei uns. Das ist die Zusage Gottes für das Neue Jahr. Jeder Tag nun soll eine Antwort auf dieses Entgegenkommen Gottes sein: Gebt Gott in Eurem Leben die Ehre, das ist eure erste Aufgabe. Gott die Ehre geben: das heißt, dass er jeden Tag unseres Lebens eine Rolle spielen soll. Jeder Tag soll beginnen und enden mit dem Gedanken an diesen Gott, der mich Tag für Tag begleitet. Gott die Ehre geben, bedeutet, dass ich meine Gedanken und Worte an seinem Wort, an seinem Willen ausrichte. Dass ich vor einer Entscheidung, sie im Gebet bedenke. Gott die Ehre geben, bedeutet, am Leben der Kirche teilzunehmen, die Nähe Gottes in den Sakramenten immer wieder zu suchen, auch wenn ich einmal keine innere Lust dazu verspüre. Gott hat ein Anrecht darauf, dass ich ihm die Ehre gebe. Es wird ein gesegnetes Jahr, wenn ich Gott in meinem Leben den Raum gebe, der ihm zukommt.

Es wird in unserer Gesellschaft zunehmend darauf ankommen, dass Christen dies bewusster leben. Immer weniger Menschen werden heute getauft und Kinder in christlichen Familien in den Glauben eingeführt. Für viele Kinder und Jugendliche ist der schulische Religionsunterricht der einzige Berührungspunkt mit dem Glauben der Kirche. Ich bin allen dankbar, die Sorge tragen für die Weitergabe des Glaubens, Eltern, Lehrerinnen und Lehrern und allen, die in der Seelsorge arbeiten. Ich glaube, dass unser Bemühen nicht vergeblich ist, auch wenn wir die Samen, die wir in die Kindern und Jugendlichen  legen, nicht selbst aufgehen und wachsen sehen können. Viele Erwachsene verlieren den Bezug zum Glauben, weil ihnen der einmal vermittelte Glaube nichts mehr sagt. Manchmal hat sich der Zugang zu bestimmten Inhalten des Glaubens nicht weiterentwickelt. Das darf uns als Kirche nicht gleichgültig sein, denn das Evangelium ist wirklich eine Botschaft des Lebens, eines Lebens in Fülle. Ein Journalist schrieb vor kurzem sinngemäß, die Kirche habe sogar ein Angebot über den Tod hinaus. Wie können wir Menschen diese Botschaft vermitteln? Wichtiger als alle Anstrengungen ist aber das persönliche Lebens- und Glaubenszeugnis. „Ehre sei Gott in der Höhe“ – Menschen sollen erfahren, dass „Glauben können“ etwas Wunderbares sein kann, wenn es ein Glaube ist, der Menschen im Inneren frei macht, der den Himmel und damit Horizonte und Perspektiven eröffnet.

„Friede auf Erden“, ist der zweite Wunsch der Engel, dem wir uns anschließen. Wir sehen heute in viele Regionen unserer Erde und erschrecken vor der Gewalt und dem Leid, das Menschen sich zufügen.  Der Friede, von dem die Engel singen, ist zunächst eine Gabe Gottes an uns. Gott schenkt uns den Frieden, der jeden irdischen Frieden übersteigt. Indem wir uns von Gott geliebt wissen, können wir einen inneren Frieden finden, der jeden Neid, Hass, Streit in uns überwindet. Unfrieden kommt ja auch daher, dass wir unzufrieden sind, dass wir mehr wollen, dass wir auf Kosten anderer leben. Das haben wir nicht mehr nötig. Frieden ist auch tägliche Aufgabe. Das könnte ein guter Vorsatz für das Neue Jahr sein: Friedensstifter zu werden, Versöhnung zu leben, Gewalt nicht mit Gegengewalt und Rechthaberei zu beantworten. Die Zusage der Engel ist eine Aufgabe an uns alle. Es könnte damit beginnen, dass ich mit jemandem die Versöhnung suche, mit dem ich bisher im Streit gelebt habe. „Friede auf Erden“ -  das kann jeden Tag werden, wenn ich mitmache.

Wir sind „Menschen seiner Gnade“. Das heißt zunächst: Ich muss mir die Liebe Gottes nicht verdienen, er ist bei mir, weil er für mich da sein möchte. Als Lukas sein Evangelium schrieb, hatte er ganz sicher seine Gemeinde vor Augen, aber wohl nicht nur. Die Weihnachtsbotschaft gilt allen Menschen seiner Gnade, alle sind gemeint. Für das kommende Jahr möge jeder Tag ein Tag sein, an dem wir Menschen werden, die für das Geschenk des Christseins danken. Es ist nicht selbstverständlich, getauft zu sein, Christus in der Eucharistie zu empfangen, von ihm berührt zu werden. Auch in der Kirche überwiegt oft die Klage. Es ist wichtig, nicht zu vergessen, was uns mit unserem Glauben an Gottes Gnade und Zuwendung geschenkt ist. Wir leben in seiner Gnade, weil er uns liebt. Wir brauchen uns mit unserer Schwäche und Schuld nicht zu verstecken.

Gott die Ehre geben, den Frieden annehmen und Frieden stiften und Menschen der Dankbarkeit werden, für alles, was uns geschenkt ist. Dies geben uns die Engel mit ins Neue Jahr: als Versprechen und als Aufgabe.

So schließen wir uns dem Gesang der Engel an, heute und jeden Tag: Ehre Gott in der Höhe, Friede den Menschen seiner Gnade.