„Es geht nur in Gemeinschaft“

Predigt von Bischof Peter Kohlgraf bei der Priesterweihe 2018 Hoher Dom zu Mainz, Samstag, 16. Juni 2018, 9.30 Uhr

Datum:
Sa. 16. Juni 2018
Von:
Bischof Peter Kohlgraf
„Es geht nur in Gemeinschaft“ – so haben Sie, lieber Herr Diakon Krost, Ihre pastoralen Erfahrungen im Diakonat zusammengefasst. Tatsächlich ist Gemeinschaft die wichtigste Erfahrung und Grundlage priesterlichen Lebens. Ohne Beziehung und Gemeinschaft kann man nicht Priester sein. Darüber möchte ich ein wenig mit Ihnen allen nachdenken. Ohne Beziehung zu Gott, ohne Beziehung zu Christus kann man nicht Priester sein, denn der Priester stellt sakramental Christus dar.

Im Sakrament der Weihe bindet sich Christus unwiderruflich an einen Menschen, er beginnt in ihm und mit ihm zu handeln. Das erste und wichtigste Beziehungsangebot kommt von Christus selbst. Er möchte in Gemeinschaft mit Ihnen leben, reden, handeln und den Menschen begegnen. Priester ist kein „Job“, es gibt keinen Dienstvertrag, sondern es ist das Leben aus einer Zusage der Freundschaft, der Beziehung, der Gemeinschaft, die Christus anbietet und garantiert. Vor jedem Anspruch an den Priester steht diese Zusage der Treue und der Beziehung durch Christus selbst. Von Berufs wegen nimmt Christus allein zeitlich viel Raum ein im Alltag des Priesters: er feiert und spendet die Sakramente, in denen Christus selbst handelt, er verkündet das Evangelium, er begegnet Menschen und soll ihnen die Gemeinschaft mit Christus vermitteln. Für mich gibt es keine schönere Aufgabe. Doch hier ist auch Wachsamkeit geboten. Wenn mein Handeln als Priester, meine Verkündigung, meine Begegnungen nicht Ausdruck einer echten und tiefen Gemeinschaft mit Christus sind, werde ich zum Funktionär, zum Macher, meine Worte Phrasen und meine Gottesdienste Ritual. Von daher ist priesterliches Leben alltägliche Beziehungsarbeit. Die Eucharistie als tägliche Nahrung, das Wort Gottes als tägliche Orientierung und das Gebet als Eintauchen in die Beziehung und Gemeinschaft mit Christus sind unverzichtbare tägliche Antwort auf das Beziehungsangebot Jesu. In diesen Zusammenhang gehört die priesterliche Ehelosigkeit, die heute von vielen hinterfragt wird. Sie ist hoffentlich kein mehr oder weniger bequemes Junggesellentum oder ein notwendiges Übel, sondern Ausdruck und Verwirklichung einer geistlichen Beziehung und Gemeinschaft. Das klingt alles sehr ideal, das ist mir bewusst. Im Alltag geschieht dies oft wenig emotional, manchmal routiniert, manchmal zweifelnd und nicht perfekt. Ich glaube, dass dies nicht schlimm ist, denn die Gemeinschaft und Freundschaft von Seiten Jesu wird nicht aufgekündigt. Priesterliches Leben ist oft ganz normale, alltägliche Beziehungsarbeit, aber man muss dran bleiben.

„Es geht nur in Gemeinschaft“ – ein Priester wird in eine bestimmte Diözese „inkardiniert“. Die Beziehung zum Bischof wird in der Weiheliturgie hervorgehoben, der Priester gehört in ein konkretes Presbyterium, in eine Gemeinschaft hauptamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in die Gemeinschaft der Menschen in einer Diözese, heute konkret in die Gemeinschaft der Menschen im Bistum Mainz. Kirche ist nie nur geistlich, sondern sie wird gebildet aus konkreten Menschen. Im Bistum Mainz sind dies knapp 730.000 Menschen, mit denen Sie, lieber Herr Diakon Krost, heute in besonderer Weise verbunden werden. Als Bischof freue ich mich auf Ihre Mitarbeit, und wünsche mir, dass wir nicht nur äußerlich einen gemeinsamen Weg beginnen, sondern in wirklicher tiefer geistlicher Verbundenheit und Nähe. Für unsere zukünftigen Wege im Bistum wird es überlebenswichtig sein, dass Priester, Diakone, alle Seelsorgerinnen und Seelsorger sowie die Menschen unserer Diözese sich auf einem gemeinsame Weg verstehen und dies im Alltag auch leben. Das Bild des priesterlichen Einzelkämpfers führt nicht weiter. Auch wenn wir in der Kirche immer wieder um Sachfragen ringen und manchmal auch streiten, dürfen wir nie Feindbilder pflegen, Parteiungen bilden, uns auf Kosten anderer profilieren. Die Mitbrüder kann man sich oft nicht aussuchen, und in jedem Zusammenhang begegnen uns Menschen, die uns sympathisch, und anderen, die uns eher unsympathisch sind. Alle diese Menschen mit den Augen Christi zu sehen, sich mit ihnen geistlich verbunden zu wissen, ist vielleicht die schwerste tägliche Übung. Es geht nur in Gemeinschaft, nicht in der Vereinzelung, nicht im Gegeneinander. Dieses Miteinander müssen wir in Zukunft stärken, und miteinander gehen, denn für uns alle gibt es kein stärkeres Band als die Liebe Christi, die uns verbindet.

„Es geht nur in Gemeinschaft“ – ich bin in den 25 Jahren meines priesterlichen Dienstes bei allen Schwierigkeiten, die es auch gab, immer von den Menschen mitgetragen worden. Als Geweihter steht der Priester manchmal der Gemeinde gegenüber, er muss das Evangelium verkünden, gelegen und ungelegen. Wir als Geweihte dürfen dann aber auch nicht vergessen, dass wir auch Teil des Volkes Gottes sind, und dass wir einen Dienst tun in diesem Gottesvolk. Wir sind nicht Herren des Glaubens, sondern Diener der Freude (vgl. 2 Kor 1,24), um mit Paulus zu sprechen. Insofern sind wir nicht nur die Lehrenden, sondern auch die Lernenden, die Hörende, die Aufmerksamen für das, was die Menschen brauchen und was sie uns sagen. Daher brauchen Priester Begegnungen, Beziehungen, Gemeinschaft, sie brauchen Freundschaften, sie brauchen Netze, die sie tragen. Priester sind gerufen, immer auf der Spurensuche Gottes zu sein: in den Sakramenten, im Wort und im Gebet; aber eben auch in den Lebensgeschichten der Menschen, die sie gut kennen müssen. Ich weiß, dass dies bei weniger werdenden Priestern leicht gesagt ist, so dass ich alle bitte, unseren Priestern auch solche Netze anzubieten und zu ermöglichen. Wir sind aufgrund unserer Lebensform immer wieder allein, aber wir sollten nie einsam sein. So bitte ich alle Gläubigen, gut auf die Priester zu achten, so wie ich die Priester bitte, Menschen der Beziehung, der Freundschaft und Gemeinschaft zu bleiben und den Menschen so gut wie möglich nahe zu sein. Es geht nur in Gemeinschaft. Ich habe überall solche Netze erfahren, das gehört für mich zu den schönsten Erfahrungen priesterlichen Lebens. Wir brauchen auch Menschen, von denen wir uns Kritik sagen lassen, die für uns alle manchmal heilsam ist. Dafür braucht es gegenseitiges Vertrauen, Wertschätzung und Wohlwollen.

„Es geht nur in Gemeinschaft“ – Lieber Herr Diakon Krost, lieber Weihekandidat, ich glaube, dass Sie damit Recht haben. Es geht nur in Gemeinschaft mit Christus und seinem und unserem Vater, es geht nur in der konkreten Gemeinschaft der Diözese, es geht nur in Gemeinschaft mit den Menschen, zu denen Sie gesandt sind. Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihr Leben lang solche Erfahrungen machen, die Papst Benedikt XVI. einmal so zusammengefasst hat: „Wer glaubt, ist nie allein“.