Liebe Schwestern und Brüder, liebe Mitglieder der Garden!
„Eine Predigt mit Reimen, das krieg ich nicht hin, aber auch so macht die Predigt heut‘ Sinn!“
Ich habe wenigstens versucht, mit einem mehr oder weniger gelungenen Reim einzusteigen.
Heute ist hier im Dom eine überwältigende Farbenpracht versammelt. Es ist für mich ein wichtiges Zeichen in der Fassenacht, dass wir uns auch zum Gottesdienst versammeln.
Zur Pressemeldung über den Gardegottesdienst
Stellvertretend für ganz Viele stehen Sie heute hier im Dom, und es ist guter christlicher Brauch, dass wir alle Menschen, die in diesen Tagen fröhlich feiern, mit in unser Gebet einschließen. Mögen es friedliche, fröhliche Tage werden, die uns in der Vielfalt der Menschen verbinden. Die Fröhlichkeit und die Freude sind zutiefst Gaben Gottes. Im Alten Testament gibt es eine berührende Geschichte: Als die Bundeslade, in der die Gebote Gottes enthalten sind, in den Tempel in Jerusalem einzieht, tanzt König David vor dem Herrn. Bereits damals gab es Menschen, die sich verächtlich äußerten, und dem König vorwarfen, er mache sich vor Gott zum Narren. Glaube sei doch etwas Ernstes. David hatte damit kein Problem. Die Freude am Leben und die Freude an Gott bleiben nicht im stillen Kämmerlein. Wo Gott ist, herrscht Freude. Und Freude muss sich ausdrücken. Es gibt manche Heilige, die wegen ihrer freudigen Ausstrahlung heiliggesprochen wurden: Zum Beispiel Don Bosco, der sich im 19. Jahrhundert in Turin besonders um arme Jugendliche gekümmert hat („Fröhlich sein, Gutes tun, und die Spatzen pfeifen lassen“ – so lautet ein Motto von ihm), der heilige Franz von Assisi, der als „heiliger Narr“ das Lob Gottes gesungen hat, sein ganzes Leben verstand er als Loblied auf Gottes Liebe. Ich kenne niemanden, der heilig wurde, weil er als besonders übellaunig oder besonders humorlos oder freudlos galt.
Zu Gottes Schöpfung gehört auch die Vielfalt. Jeder und jede von uns ist anders als der andere Mensch, und das scheint von Gott so gewollt zu sein. Gott schafft unendlich viele Originale. Unser Papst hat einmal so formuliert: „Alle Menschen werden als Originale geboren, und so viele sterben als Kopien“. Das sollten wir zu verhindern versuchen. Bemühen wir uns, Originale zu bleiben und in einer großen, vielfältigen Gemeinschaft zu leben, nicht nur in der Fassenacht. Unsere Welt wird heute vielfältiger, mit einem Fremdwort nennen wir dies „Pluralismus“. Es gibt nicht mehr die eine Weltanschauung, die eine prägende Religion, die selbstverständlichen Werte, die eine Lebensweise, das eine Menschenbild. Nicht Wenigen macht dies Angst. Zunächst aber sehe ich auch als Bischof die Vielfalt als einen Schatz. Was wir brauchen, ist ein gemeinsames Wertefundament. Das aber kann man nicht verordnen, darum müssen wir ringen, es muss etwas geben, was uns zusammenhält, was wir gemeinsam leben wollen. Natürlich biete ich als Christ den Glauben an. Eine Welt ohne Glauben, ohne Hoffnung, wird schnell auch eine Welt ohne Liebe. So lade ich alle heute ein, an einer vielfältigen Welt zu arbeiten, sie zu gestalten, aber auch der Frage nicht auszuweichen, was uns alle zusammenhält. Als Christ sehe ich Gott, der unser gemeinsamer Vater ist, als ein unverzichtbares Fundament, um das Gemeinsame unseres Menschseins nicht zu vergessen. Bringen wir alle unsere Originalität ein, um eine gemeinsame Welt in ihrer Vielfalt und Farbenpracht zu gestalten. Ich will als Bischof immer wieder an den liebenden Gott erinnern, dessen Kinder wir sind und der uns alle in unserer Vielfalt verbinden will. Die Vielfalt der Menschen ist ein Abbild des lebendigen Gottes.
Diese Frage ist in Zeiten von „Fridays for future“ immer wieder im Raum. Wir wollen eine Welt gestalten, die von Toleranz und von der Sorge um die Lebensgrundlagen bestimmt ist. Viele Menschen, besonders auch Jugendliche, gehen für ein solches Ziel auf die Straße. An einer solchen Welt mit Zukunft wollen wir arbeiten. Ich habe kürzlich in einer Predigt aber auch eine Veränderung dieser Frage gehört: Welche Kinder wollen wir dieser Welt hinterlassen? Die Antwort beschäftigt mich als Bischof. Ich mache mir Sorgen darum, dass wir zunehmend Kinder ohne Glauben an Gott groß werden lassen, zumindest ohne Glauben an den Gott, der in Jesus Christus Mensch geworden ist, den wir als unser aller Vater bekennen. Eine Welt mit Menschen, für die Gott kein Thema mehr ist, will ich mir nicht vorstellen. Die Weitergabe unseres Glaubens sollte uns keine Ruhe lassen. Da geht es um mehr als um Werte. Es geht um ein Fundament, um eine gemeinsame Hoffnung, eine Liebe, die uns verbindet. Nur der eine Vater im Himmel macht uns zu Schwestern und Brüdern. Wir feiern diesen Gottesdienst auch, um zu bezeugen, dass es in der Fassenacht nicht nur um die besinnungslose Ausgelassenheit gehen kann, sondern um die Feier des Menschseins als Schwestern und Brüder, als Kinder eines Vaters. Welche Kinder hinterlassen wir der Welt? Hoffentlich keine Kinder, für die die Würde anderer Menschen nichts mehr gilt. Wir halten heute Morgen auch inne und bringen die Menschen vor Gott, die Opfer von Hass und Gewalt geworden sind, zuletzt in Hanau. Elf Menschen sind Opfer eines Gewalt- und Hassverbrechens geworden, in unserer nächsten Umgebung. Das kann uns nicht kalt lassen und es lässt uns nicht kalt. In der Lesung (Lev 19) haben wir gehört: „Du sollst in deinem Herzen keinen Hass gegen deinen Bruder tragen“ und spüren, dass wir in einer Welt leben, in der Hass gegen andere zunehmend gesellschaftsfähig wird. Das dürfen wir nicht hinnehmen. Es kann nicht sein, dass wir Fassenacht feiern, schunkeln, uns umarmen und feiern, und uns daran gewöhnen, dass in unserer Gesellschaft Menschen verächtlich gemacht werden, dass Hass und Gewalt nicht nur die Sprache beherrschen, sondern zunehmend auch zur Tat werden. Fassenachter sind Akteure gegen den Hass, dazu lade ich heute alle ein. Und wir nehmen die Opfer in Hanau, die vielen anderen, ihre Familien und Freunde mit in unser Gebet. Der Glaube an den einen Gott möge uns helfen, uns wieder mehr als Brüder und Schwestern zu erfahren und so zu leben. Das müssen wir unseren Kindern mitgeben.
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Mitglieder der Garden! Ich wünsche uns schöne Festtage, die Erfahrung der Vielfalt und der Freude, die Erfahrung, unter dem einen Vater Schwestern und Brüder zu sein. Dieses Lebensgefühl möge nicht am Aschermittwoch enden. Bauen wir an einer vielfältigen Welt, in der alle Menschen ihren Platz finden können, vergessen wir Gott nicht, der uns liebt und dessen Kinder wir sind. So wünsche ich allen gesegnete, frohe Tage unter Gottes Segen.