Erschüttert sind wir wahrhaftig. Furcht ist das derzeit bestimmende Lebensgefühl vieler Menschen. Furcht vor der Ansteckung, tiefe Angst vor dem Tod, Angst vor dem Alleinsein, die Erfahrung der Überforderung, die Angst vor dem Verlust auch der materiellen Grundlagen, berufliche Sorgen und vieles andere mehr. Menschen und Welt sind erschüttert. Die Osterbotschaft lautet dabei nicht: alles halb so wild. Oder: ihr müsst keine Sorgen haben, also lebt derzeit wie es euch gefällt. Furchtlosigkeit ist nicht Leichtsinn. Die Frauen am Grab leben tatsächlich in einer existenziellen Erschütterung. So wie die anderen Jünger haben sie ihr Leben auf Jesus und seine Botschaft gebaut. Sie haben geglaubt, was er sagte, sie haben gesehen, was er tat. Sie haben versucht, nach seinem Beispiel zu leben, es war eine tiefe Freundschaft. Am Ende stand dann die große Enttäuschung, er stirbt den Verbrechertod, scheinbar von Gott und den Menschen verlassen. Damit brach auch die Grundlage des eigenen Lebens weg. Sie mussten das Gefühl haben, ihr Leben vergeudet zu haben, eine Perspektive ist nicht in Sicht. Dafür steht auch sinnbildlich der Stein vor dem Grab. Nicht nur ist Jesus tot und begraben, sondern auch die eigenen Perspektiven. Diesen Stein bekommt man nicht selbst weggerollt. Kann man Gott noch glauben, wenn er selbst seinen Messias und Christus so verlassen hat?
Die Situation derzeit ist auch eine Anfrage an den Glauben, den Glauben der Kirche, ihre Verkündigung und den persönlichen Glauben. Das Bild vom offenen Grab und dem weggerollten Stein ist ein starkes Bild der Hoffnung. Fürchtet euch nicht, das heißt: Lasst euch eine Perspektive für die Zukunft geben. Lasst euch ein Fundament schenken, dass euch gerade auch in dieser Zeit trägt. Gott ist stärker als der Tod, seine Liebe trägt, seine Liebe ist da, Jesus ist auferstanden. Er zeigt seine Treue, wenn auch anders, als wir Menschen planen und denken. Gerne hätten wir in unseren Kirchen diese Hoffnung gemeinsam gefeiert, Menschen Mut gemacht, ihnen das Licht und die Wärme von Ostern zugesagt und spüren lassen. Es ist schmerzlich, dies gerade an Ostern nicht mit den Zeichen und der Festlichkeit feiern zu können, wie wir es gewohnt sind. Aber „Ostern findet statt!“, hat Bischof Bätzing dieser Tage formuliert. Das Licht leuchtet in die Wohnungen. Die Botschaft ist nicht: alles halb so schlimm; die Botschaft ist: du bist nicht allein, das Leben siegt, du hast eine Perspektive, der Stein wird weggerollt. Dein Fundament bricht nicht weg. Das ist leicht gesagt in den Erschütterungen dieser Zeit. Aber umso dringender ist für mich dieser Glaube: Ich versinke nicht in den Fluten, ich bleibe nicht im Dunkel, in allen Situationen bin ich, sind wir, in seiner Hand. Die Frauen und die Jünger haben durch diese Erfahrung neuen Mut und neuen Schwung bekommen. Ich glaube ihnen. Ich lade alle ein, dies zu feiern, im kleinen Kreis der Familie, auch allein, mit dem Licht von Ostern, das leuchten und wärmen will. Fürchtet euch nicht! Das heißt: Das Leben siegt, es gibt eine Perspektive, eine Zukunft, ein Leben an Gottes Hand.
Die Botschaft des Auferstandenen lautet: Geht und sagt die Botschaft weiter. Ein wenig später wird er sie alle in die Welt senden, Botinnen und Boten der Hoffnung zu sein. Ostern wird derzeit weniger üppig gefeiert als vielmehr gelebt. Vielleicht entdecken wir Ostern neu. Viele Menschen geben Hoffnung weiter, obwohl sie manchmal selbst nicht weiterwissen, obwohl sie berechtigte Angst um die Gesundheit und die eigene Existenz haben. Menschen werden hoffentlich über die Krise hinaus wachsamer füreinander. Wir lernen bestimmte Berufe neu schätzen, und die Menschen, die sie ausüben. Christsein ist eben nicht allein die feierliche Liturgie, sondern das Tun, das Leben, das Bezeugen der Hoffnung.
Ich lade Sie alle ein, nicht nur im häuslichen Rahmen eine Kerze zu entzünden, sondern die Sendung mitzunehmen, Botinnen und Boten der österlichen Hoffnung zu sein, zu werden und zu bleiben. Dann fällt Ostern tatsächlich nicht aus, dann findet Ostern statt. Ich danke von Herzen allen, die dies in diesen Tagen aufopferungsvoll leben. Sie sind wirkliche Fenster, die das österliche Licht in diese Welt hineinlassen. Geht, und seid meine Zeuginnen und Zeugen – das ist der österliche Auftrag. Ich wünsche von Herzen allen die neue Hoffnung, in Gottes Liebe zu sein, den Mut, Ostern zu leben.