In der Bischofskonferenz beschäftigen wir uns mit dieser Frage, und natürlich ist dies auch immer wieder eine Frage für unsere Ausbildungsstätten und Fakultäten. Welche Qualitätskriterien formulieren und leben wir? Wie bilden wir für diese aus? Wie begleiten wir dann die Frauen und Männer, die in einem kirchlichen Beruf arbeiten? Nicht zuletzt die MHG-Studie zeigt uns die Dringlichkeit dieses Themas, und es wäre zu eng geführt, wenn wir hier nur Fragen für die zölibatär lebenden Priester sähen. Ich sehe keine Lösung darin, diese Qualitätssicherung vorwiegend in der Größe von Seminarkollegien zu definieren. So wie wir derzeit auf unserem pastoralen Weg sehen, dass wir zu einer neuen Logik von Pastoral und zu neuen Wegen der Katechese finden müssen, dass wir vor Fragen eines neuen Verständnisses von Leitung und Ausübung geistlicher Macht und Autorität stehen, so müssen wir auch in der Aus- und Weiterbildung unserer Priester, Diakone und der anderen Seelsorgeberufe darauf reagieren und innovative Ideen entwickeln. Ich lade ein, auch diese Frage in den pastoralen Weg im Bistum Mainz einzubringen. So wie es keine zufriedenstellende Lösung ist, bei einer bestimmten pastoralen Logik zu bleiben, und aufgrund der Situation nur die Bereiche zu vergrößern, in den Grundhaltungen aber nichts zu verändern, kann es im Bereich von Studium, Aus- und Weiterbildung auch nicht allein um Zusammenlegung und Konzentration gehen. Eine Predigt ist nicht der Ort, dies im Detail zu diskutieren, aber ich möchte wenigstens einige Fenster öffnen.
Was ist die Aufgabe der Kirche heute? Wir brauchen Menschen, die sich mit wachen Sinnen dieser Frage und Diskussion aussetzen. Natürlich sind die Wesensvollzüge kirchlichen Handelns klar markiert: Liturgie, Martyrie, Diakonie sind unverzichtbare Handlungsfelder, heute wie vor 2000 Jahren. Tatsächlich brauchen wir fromme Menschen. Gott und das Evangelium, die Sakramente der Kirche und das Gebet müssen einen festen Platz im Leben dieser Menschen haben. Wenn hier Glauben ein Beziehungsgeschehen, ein Weg, ist, dann brauchen wir Menschen, die ihren Glauben und damit Gott und das Evangelium nicht als Besitz betrachten, die vielmehr fähig sind zur Weiterentwicklung, zur Spurensuche, die neugierig fragen und suchen, die ihrem „unruhigen Herzen“ (Augustinus) folgen. Mit Gott ist man nie fertig. Für die Ausbildung hieße das, die individuellen Wege gut zu begleiten und diese Begleitung nicht mit der Weihe oder der Sendungsfeier zu beenden. Wenn es stimmt, dass nicht wenige Menschen heute eine religiöse Sehnsucht in sich tragen, brauchen sie Wegbegleiterinnen und –begleiter, die einerseits Orientierung aus dem Glauben an Christus geben können, andererseits aber eine individuelle und persönliche Suche begleiten können, die nicht nur fertige Konzepte übertragen auf andere. Dafür braucht es ein echtes Interesse und eine Nähe zum Menschen. Ich kann mir niemanden im kirchlichen Dienst vorstellen, der nicht interessiert gesellschaftliche und politische Fragen verfolgt, und gleichzeitig mit echtem Interesse seinen Mitmenschen begegnet. Glaubensweitergabe ist Beziehungsarbeit. Glauben und Glaubensweitergabe sind ein Gemeinschaftsprojekt. Das Bild vom leitenden, alles auf sich beziehenden Einzelkämpfer an der Spitze einer Pfarrei oder einer pastoralen Einheit, funktioniert schon lange nicht mehr, auch wenn es in manchen Köpfen und in der Praxis noch leben mag. Auf unserem pastoralen Weg habe ich das Motiv des „Teilens“ vorgeschlagen. „Leben teilen – Glauben teilen – Ressourcen teilen – Verantwortung teilen“ hat auch etwas mit unserer Lebens-, Leitungs- und Pastoralkultur zu tun. Finden wir zu einem pastoralen Miteinander vor Ort, auch im Teilen des Lebens, des Glaubens, der Ressourcen und der Verantwortung unter den Priestern, Seelsorgern und Seelsorgerinnen? Fünfundzwanzig Jahre bin ich Priester und habe immer wieder auch traurig wahrgenommen, dass wir untereinander kaum über unseren persönlichen Glauben reden können oder wollen. Wie können wir es dann von unseren Gläubigen erwarten? Die Sprachfähigkeit in Glaubensfragen kann nicht nur ein formelhaftes Wissen über Inhalte des Glaubensbekenntnisses bedeuten, sondern beinhaltet mindestens auch die Ebene der persönlichen Erfahrung und des gläubigen Zugangs. Eine Kirche des Teilens beginnt bei uns, vom Bischof über die Priester und die Hauptamtlichen im kirchlichen Dienst. Hier komme ich zum Thema der Kirchlichkeit. Was heißt es heute, kirchlich zu leben? Sicher gehört eine Loyalität zu Papst und Bischof und der kirchlichen Lehre dazu. Kirchlichkeit beinhaltet zudem, die Charismen der Getauften und Gefirmten in den Gemeinden und den pastoralen Arbeitsfeldern ernst zu nehmen, und so Leben zu ermöglichen, den Geist nicht auszulöschen. Wer in den pastoralen Dienst geht, muss Vielfalt wollen, und ein wenig von der Unterscheidung der Geister verstehen, schließlich solche Unterscheidungsprozesse begleiten können. Kirchlichkeit meint, sich selbst als Glied am Leib Christi zu verstehen, das einen Dienst leistet für andere Menschen. Kirchlichkeit meint die in den letzten Wochen viel genannte „Kultur der Achtsamkeit“ gegenüber dem Bruder und der Schwester, besonders gegenüber den Kleinen und den Menschen, die gerne übersehen werden. Schließlich brauchen wir Theologinnen und Theologen, die Freude an den Fragen der wissenschaftlichen Forschung haben, und die fähig sind, auch die Erkenntnisse der humanwissenschaftlichen Bereiche ins Gespräch zu holen. Es wäre fatal, wenn wir uns in einer theologischen Blase bewegten, in der uns nichts erreicht und nichts anfragt. Ich zitiere aus der Apostolischen Konstitution Veritatis Gaudium vom 27.12.2017:
„In der Tat steht heute als vordringlichste Aufgabe auf der Tagesordnung, dass das ganze Volk Gottes sich darauf vorbereitet, „mit Geist“ eine neue Etappe der Evangelisierung zu beschreiten. Dies verlangt »einen entschiedenen Prozess der Unterscheidung, der Läuterung und der Reform«. (…)Die kirchlichen Studien sind nämlich nicht nur dazu da, Orte und Programme qualifizierter Ausbildung für Priester, Personen des geweihten Lebens oder engagierte Laien anzubieten, sondern sie bilden eine Art günstiges kulturelles Laboratorium, in dem die Kirche jene performative Interpretation der Wirklichkeit ausübt, die dem Christusereignis entspringt und sich aus den Gaben der Weisheit und der Wissenschaft speist, durch die der Heilige Geist in verschiedener Weise das ganze Volk Gottes bereichert: vom sensus fidei fidelium zum Lehramt der Hirten, vom Charisma der Propheten zu dem der Lehrer und der Theologen. Und das ist für eine Kirche „im Aufbruch“ ein unverzichtbarer Wert! Das gilt umso mehr heute, da wir nicht nur eine Zeit des Wandels, sondern einen regelrechten Zeitenwandel erleben, der von einer umfassenden anthropologischen und sozio-ökologischen Krise gekennzeichnet ist, in der wir jeden Tag mehr »Symptome eines Bruchs […] bemerken, aufgrund der großen Geschwindigkeit der Veränderungen und der Verschlechterung. (…)Das Problem ist, dass wir noch nicht über die Kultur verfügen, die es braucht, um dieser Krise entgegenzutreten. Es ist notwendig, leaderships zu bilden, die Wege aufzeigen«.“
Der Papst sieht Theologinnen und Theologen als Menschen, die zu solchen Synthesen und damit zu einer Kulturbildung fähig sind, die Kirche und Gesellschaft weiterbringen. Das sind anspruchsvolle Aufgaben. Was heißt dies für eine Ausbildung und die Weiterbildung in unserer Diözese Mainz? Ich lade ein, diese Fragen und das Gespräch über sie in die Themen des pastoralen Weges einzubringen. Mit unserem Seminar, dem „Haus der Theologie“, haben wir ein gutes Instrument. Möge Gott die Arbeit und die Menschen segnen, die hier leben, studieren und arbeiten.