Glockenweihe in Worms

Predigt von Bischof Peter Kohlgraf bei der Glockenweihe am Ostermontag, Dom, St. Peter, Worms, 02. April 2018, 15.00 Uhr

Datum:
Mo. 2. Apr. 2018
Von:
Bischof Kohlgraf

Wenn in der Osternacht die Glocken zu läuten beginnen, ist Ostern. Vor wenigen Tagen haben wir dies in den Kirchen erleben dürfen. Zwei Tage schweigen die Glocken in der katholischen Tradition – Ausdruck unbeschreiblicher Trauer. Dann siegt das Leben. Vor allem künden die Glocken diese Festfreude in die Welt hinaus. Alle Menschen sollen diese frohe Botschaft erfahren. Die Wirkung von Glocken kann man nicht beschreiben, man muss sie eigentlich erleben.

In Zukunft werden hier im Wormser Dom nicht mehr nur drei, sondern acht Glocken erklingen. Damit gewinnt nicht nur die Kirche und die katholische Gemeinde, sondern die ganze Stadt. Glocken hatten in der jüdisch–christlichen Tradition durchgängig eine wichtige Rolle inne. Bereits im Alten Testament trägt der Hohepriester Glöckchen an seinem Gewand. Sie sollten Gottes Aufmerksamkeit und die Achtsamkeit des Volkes bewirken, darüber hinaus aber auch das Böse abwehren. Auch in der christlichen Tradition spielt dieser Gedanke noch eine Rolle. Ich habe dies einmal erlebt in der Schweiz, wo ich in einem Kloster Urlaub machte. Als ein schweres Gewitter losging, wurde geläutet. Das Glockenläuten wird zum Hilfeschrei gegen die Gefahr – ein Gebet ohne Worte. Auch auf unseren heute zu weihenden Glocken finden sich wichtige Gebetsanliegen: das Gebet für die Kirche und ihre Hirten, um Frieden, um die Einheit der Kirche, um die Aufmerksamkeit gegenüber den Armen und Schwachen, und das Gebet für die Kranken und Sterbenden. Damit werden uns diese Glocken in diesen wichtigen Anliegen nicht nur die Themen in Erinnerung halten, sie sollen uns auch im Gebet unterstützen – Gebete ohne Worte. Gott möge unsere Anliegen hören, und auch die Menschen mögen aufmerksam bleiben für diese Themen und die Menschen, die in dieser Stadt leben.

Glocken führen Menschen zu einer Gemeinschaft zusammen. Im Rituale ist die Hoffnung formuliert, sie mögen uns dazu verhelfen, ein Herz und eine Seele zu werden. Denn sie rufen ja die Gemeinde zum Gottesdienst zusammen. Aber auch darüber hinaus stiften sie Gemeinschaft. Sie melden wichtige Ereignisse an. Sie geben menschlichen Empfindungen Ausdruck. Sie unterstützen die Freude, wenn Menschen etwa heiraten, wenn ein Fest gefeiert wird, wenn die Gemeinde Grund zur Freude hat. Aber sie unterstützen auch in der Trauer. Als wir vor wenigen Tagen unseren verstorbenen Kardinal Karl Lehmann in einem Trauerzug durch Mainz begleitet haben, schlug die Totenglocke des Mainzer Doms. Das war für alle eine Erfahrung, die mit Worten kaum zu beschreiben ist. Da geht der Glockenklang buchstäblich durch Mark und Bein. Gemeinschaft stiften die Glocken, indem sie mehrmals täglich zum Gebet oder zum Innehalten aufrufen. In früherer Zeit war dies selbstverständlich, aber es lohnt sich, daran heute einmal erinnert zu werden. Morgens, mittags und abends laden sie zum Gebet ein, am Vorabend des Sonntags können sie an die Feier der Auferstehung erinnern. Am Freitagnachmittag läuten sie zur Sterbestunde Jesu. In manchen Ortschaften läutet eine Glocke, wenn jemand verstorben ist. Die Bevölkerung kann dann Anteil nehmen und erfährt sich als eine Gemeinschaft in der Trauer. Wir leben –Gott sein Dank- in einem Land, in dem Religion öffentlich gelebt werden darf. Auch dafür steht das Glockengeläut. In einem Land, in dem keine Religionsfreiheit herrscht, ist Glockenläuten nur schwer möglich. Und Religionsfreiheit, die öffentlich gelebt werden darf, ist Ausdruck der Menschenwürde und ein Menschenrecht.

Unsere Glocken tragen die Namen von Heiligen: Amandus als Patron von Worms, Bischof Rupert, Heinrich und Kunigunde, Petrus Faber SJ, Heribert und schließlich Hanno. Sie mögen uns Vorbilder im Leben und Glauben sein, Fürsprecher und Helfer im Gebet. Es sind Heilige der Mission, des Friedens, der Ökumene, der Nächstenliebe, der Frömmigkeit. So stehen unsere neuen Glocken auch für den Auftrag der Kirche heute. Die Themen und Anliegen bleiben aktuell. Frömmigkeit, Gebet, Caritas und Mission sind die Wesensvollzüge der Kirche bis heute. Mehr denn je müssen wir dies ökumenisch tun und wir sind als Christinnen und Christen in der Welt hoffentlich diejenigen, die Frieden statt Hass säen. Die Glocken erinnern uns an unsere Botschaft und unseren Auftrag, dem sich niemand entziehen darf. Sie tun dies öffentlich, in die Gesellschaft hinein, so wie auch wir unseren Auftrag als Dienst an der Welt verstehen sollen.

Den Stifterinnen und Stiftern der Glocken ist herzlich zu danken. Ebenso dem Künstler Klaus Krier für die Gestaltung, den Mitarbeitern der Glockengießerei Rincker, den Mitgliedern des Dombauvereins und schließlich auch dem Dompropst Tobias Schäfer. Sie haben damit nicht nur einen Dienst für heute geleistet. Vielmehr werden die Glocken viele Jahre, Jahrzehnte Jahrhunderte ihre Botschaft verkünden: das Gebet ohne Worte, das Stiften von Gemeinschaft, die Erinnerung an den Auftrag des Evangeliums. Der Domgemeinde hier in Worms und den Menschen in der Stadt gratuliere ich von ganzem Herzen.