„Gott ist jung“

Predigt von Bischof Peter Kohlgraf bei der Diakonenweihe 2018, Augustinerkirche Mainz, 14. April 2018, 9.30 Uhr

Datum:
Sa. 14. Apr. 2018
Von:
Bischof Kohlgraf
Lieber Weihekandidat Maximilian Eichler, liebe Eltern, Verwandte und Freunde, liebe Festgemeinde! Der Tag der Diakonenweihe eines jungen Menschen ist ein Grund der Freude und der Ermutigung für unsere Diözese. Wir feiern, dass Gott auch heute junge Menschen rufen kann. Nur, wenn wir heute den Ruf Gottes feiern, ergibt die Weihe einen Sinn. Gott ruft und nimmt einen Menschen in seinen Dienst, einen jungen Menschen, der sich hat rufen lassen.

Der Ruf Gottes ergeht nicht über Nacht, er ist das Ergebnis eines Weges, den Sie, lieber Weihekandidat, mit Ihrer Familie und mit anderen Glaubenden gegangen sind, bis heute.  Und auch nach Ihrer Weihe werden Sie Menschen brauchen, die mit Ihnen gehen, so wie die Menschen auf Ihren Dienst und Ihr Glaubenszeugnis warten. Ich bitte alle, dass Sie Ihre Diakone und Priester mittragen und stützen, sie im Mittun und im Gebet unterstützen. Sie selbst, lieber Herr Eichler, sind auch in der Gemeinde Ihren Weg gegangen, in der Jugendarbeit, mit den Ministrantinnen und Ministranten und schließlich auch beim Orgelspiel. Dass Sie gerne bei den Menschen sind, Freude an der Liturgie und an der Musik haben, scheinen mir gute Voraussetzungen für den Dienst als Diakon.

„Gott ist jung“ – so heißt ein jüngst erschienenes Buch, das ein Interview mit Papst Franziskus über seine Sicht junger Menschen enthält. Auf den jungen Menschen ruht seine Hoffnung, nicht nur auf den Jugendlichen in der Kirche. Gott ist jung – das ist für den Papst ein Bekenntnis der Hoffnung. Bevor er Menschen an die Aufgabe erinnert, die Welt und die Kirche zu gestalten, formuliert er ein Glaubensbekenntnis. Gott hat Zukunft, Gott ist immer neu, er kann immer Neues schaffen. Diesem Gott vertrauen Sie, lieber Weihekandidat, heute auf eine besondere Art Ihr Leben an. Gott ist jung – das soll Ihre Hoffnung sein. Mit Gott Wege gehen, die offen sind für die schöpferischen Fähigkeiten Gottes – das scheint mir ein gutes Programm für Ihren Dienst zu sein. Ich halte diese Aussage des Papstes für unendlich entlastend: das Heil der Kirche und der Menschen ruht nicht auf Ihren und nicht auf unseren Schultern, sondern Gott hat Pläne mit den Menschen, er möchte für sie Zukunft bauen, und wir bauen mit, aber wir machen nicht das Heil. In anderen Menschen Gott entdecken,  Menschen helfen, in sich Gott zu entdecken, der ihnen Hoffnung und Perspektive gibt, ist die spannende Aufgabe eines Menschen in Jesu Diensten. Besonders der Diakon bekommt den Auftrag, diese Würde in den Menschen freilegen zu helfen, die von anderen getreten oder an den Rand gestellt werden. Hilf den Menschen, ihre Würde und Gottebenbildlichkeit zu entdecken, indem sie den jungen Gott kennenlernen, der mit ihnen Zukunft gestalten will! Gott liebt und braucht jeden Menschen – das ist die diakonische Botschaft, mit der Sie, lieber Herr Eichler, heute gesandt werden. Der Gott, der jung ist, möchte in Ihnen und uns allen ein junges Gesicht bekommen. Das ist keine Frage des Lebensalters allein. Jung ist der Mensch, der Zukunft sieht und Hoffnung vermittelt. Für die Menschen in unserer Gesellschaft und für die Menschen in unserer Kirche.

„Habt keine Angst“, ist eine der Kernbotschaften des Papstes. Ich war bei der Lektüre des Buches erinnert an das Gleichnis von den Talenten, die Menschen anvertraut werden, damit sie damit wuchern können. Wer seine Talente ängstlich vergräbt, wird am Ende getadelt, nicht wer Fehler riskiert, wer anpackt, wer zu gestalten versucht. Das Vergraben der Talente zeigt die Angst, die Mutlosigkeit, die sich und Gott am Ende nichts zutraut. Der Seelsorgeberuf ist ein großartiger Beruf, weil es keine Begabung gibt, die man nicht einsetzen kann. Und meine Erfahrung zeigt mir, dass sich im Laufe des Lebens noch ganz andere Talente zeigen können, die wir heute noch gar nicht sehen, die wir feststellen oder die andere an uns bemerken du fördern. Das hat auch etwas mit Jung-sein zu tun. Sie, lieber Weihekandidat, gehen einen Weg des Glaubens, auf dem sich hoffentlich noch viele schöne Überraschungen zeigen. Auf dem Sie hoffentlich offen bleiben auch für das Neue, das Gott und andere Menschen in Ihnen frei setzen können. Habt also keine Angst.

„Seid Träumer und Propheten“, sagt der Papst den jungen Leuten, sagt er Ihnen heute. Er meint nicht die Flucht in die Traumwelt, als die Religion und Glaube oft verdächtigt werden. Glaube hilft die Welt sehr realistisch zu sehen. In der Bibel spricht Gott manchmal in den Träumen, so dass Menschen, die mit seiner Stimme rechnen, neue Perspektiven lernen. „Seid Träumer“ meint: bleibt offen für Gottes Stimme. Fragt nach seinem Willen und traut ihm zu, dass er spricht. Diesen Willen Gottes darf man nicht für sich behalten, man wird zum Propheten. Propheten künden den Willen Gottes, sie sind Menschen der Realität. Wer sich auf eine solche Botschaft einlässt, muss Gottes Willen kennen, aber er muss auch sehr gut das Ohr und das Herz an der Realität der Menschen haben. Die Welt des Glaubens und die Welt der Menschen ins Gespräch bringen, heißt die Aufgabe des Diakons. Das geschieht im Tun und im Reden, im persönlichen Lebenszeugnis, in dem die Menschen spüren können: dieser Mensch gibt Gott Raum, der redet nicht in auswendig gelernten Formeln, sondern ist erfüllt von dem, was er spricht. Aber er kennt und wertschätzt auch uns – um nicht zu sagen: er hat uns gern. „Seid Träumer und Propheten“ – helft also den Menschen, Gott und sich selbst besser zu verstehen.

„Seid authentisch“ – rät der Papst den jungen Menschen. Ich halte dies auch für einen guten Rat für einen jungen Diakon. Spiele keine Rolle, sondern lebe, was du glaubst, verkünde, was du durchlebt und gebetet hast. Die Menschen spüren sehr schnell, ob meine Botschaft nur gute Rhetorik ist oder eine Sache des Verstandes und des Herzens. Das heißt auch, dass wir nicht die Sicherheit in reinen Äußerlichkeiten suchen dürfen. Zu den härtesten Worten Jesu gehören ja die Mahnungen an die Schriftgelehrten, die von anderen etwas fordern, was sie selbst nicht zu leben bereit sind, und die nach außen hin etwas repräsentieren wollen, was nach innen nicht gedeckt ist. Ein junger Diakon darf auch fragen, zweifeln, schwach sein und das zugeben. Gott erwartet keine Heldenleistungen, aber Echtheit des Lebens, des Glaubens und der Botschaft.

Gott ist jung; habt keine Angst; seid Träumer und Propheten; seid authentisch: Gute Worte des Papstes an diesem Tag. Worte, die Ihnen, lieber Herr Eichler gelten, aber auch allen, die mit Ihnen unterwegs sind. Danke an Gott, das er uns nicht allein gehen lässt, danke an die Menschen, die gemeinsam gehen und Kirche und Welt gestalten, mit Mut, mit Hoffnung, mit festem Glauben und ihrer ganzen Persönlichkeit.