Ich stellen mir vor, dass ganz viele Menschen in der Ewigkeit Günter Emig in die Arme schließen und ihn in seine ewige Heimat begleiten.

Predigt von Bischof Peter Kohlgraf im Requiem für Domkapitular em. Günter Emig Hoher Dom zu Mainz, Freitag, 14.10.2022, 10 Uhr

Datum:
Fr. 14. Okt. 2022
Von:
Bischof Peter Kohlgraf

Günter Emig war kein Nostalgiker irgendeiner vergangenen kirchlichen Praxis. Immer war ihm daran gelegen, innovative Projekte und neue Themen zu fördern. Das ist innerkirchlich keine Selbstverständlichkeit. Seine Haltung zeigt aber, dass er den Menschen und das Evangelium von der Liebe Gottes zum Menschen als Maßstab seines Handelns nahm. 

Er war ein Caritäter durch und durch

Wir verabschieden uns von Prälat Günter Emig. In seiner langen priesterlichen Tätigkeit hat er viel bewirkt, vor allem viel für Menschen getan, für die er sich verantwortlich sah. Dafür danken wir ihm, und wir danken Gott für diesen Menschen, den er in seinen Dienst genommen hat. Auch ich habe ihn so erlebt, wie die Todesanzeige des Bistums ihn charakterisiert: bescheiden und freundlich. Alte Weggefährtinnen und –gefährten wissen aber auch davon zu berichten, dass er in seinem Bemühen um eine menschenfreundliche Pastoral sehr dringlich werden konnte und seine Gesprächspartner nicht geschont hat. Dann hat er für die Menschen gekämpft und ist für ihre Rechte eingetreten. Er hat gewünscht, dass nicht er der Mittelpunkt der Predigt wird, sondern die Glaubensverkündigung. Und dennoch wird in seinem Lebenszeugnis deutlich, dass alle Worte nichts nützen, wenn sie nicht ins Handeln führen. Dafür steht Günter Emig beispielhaft. Ein Zitat einer Kollegin verdeutlicht dies zutiefst: „Er war ein Caritäter durch und durch“ – so ihr Urteil über Günter Emig. Ein schöneres Urteil über einen an Christus glaubenden Menschen, über einen Priester kann es wohl nicht geben. „Ein feiner Mensch“ – so urteilt ein anderer Mitarbeiter. Ein „Caritäter“ sein: Hier können nur einige seiner Verdienste genannt werden, die bis heute das Bistum Mainz prägen. Er hat bereits 1970 die erste Sozialstation in Worms gegründet, gefördert hat er die Altenhilfe, die Jugendsozialarbeit, den Ausbau der Bezirkscaritasverbände, Pflegeschulen, Förderschulen, Suchthilfe, Arbeitslosenhilfe und viele andere Bereiche, die bis heute unsere caritative Praxis prägen.

Er gibt uns heute auch auf dem Pastoralen Weg mit: „Bleibt Caritäter“. Dabei ging es ihm nie nur darum, altbewährtes zu pflegen. Er hatte einen Blick für die aktuellen Nöte, auf die das Bistum in der Nachfolge Christi eingehen muss. Heute schauen wir auf die Geflüchteten, die Situation der Familien und andere Menschen, die unsere Hilfe brauchen. Caritas ist keine Nebentätigkeit der Kirche, sie ist Wesensvollzug. Seit Jahren verfolgen wir bei uns das Ziel einer Sozialpastoral, die gemeindliche Seelsorge und Caritas zusammenbringt. In den kommenden Jahren des Patoralen Weges gehört dies für mich zu einem der entscheidenden Kriterien, ob wir einmal sagen können, dass der Prozess erfolgreich war: Haben wir eine Pastoral gestaltet, die Menschen am Rande der Gesellschaft gezeigt hat, dass sie willkommen und unterstützt sind? Caritas ist hier kein Thema für Spezialisten. Caritative „Profis“ unterstützen Menschen, die helfen wollen, ohne eine professionelle Unterstützung geht es nicht. Caritäter sind viele Ehrenamtliche und viele Hauptamtliche. Beide Gruppen müssen einen wachsamen Blick dafür behalten, welche Nöte vor Ort Menschen belasten und wo Kirche helfen und unterstützen kann. In die Netzwerke der neuen Pfarreien gehören die Caritas und haupt- und ehrenamtliche Caritäterinnen und Caritäter. Günter Emig würde uns hier weiter interessiert begleiten.

Günter Emig war kein Nostalgiker irgendeiner vergangenen kirchlichen Praxis. Immer war ihm daran gelegen, innovative Projekte und neue Themen zu fördern. Das ist innerkirchlich keine Selbstverständlichkeit. Seine Haltung zeigt aber, dass er den Menschen und das Evangelium von der Liebe Gottes zum Menschen als Maßstab seines Handelns nahm. Wir erfinden heute keine neue Kirche. Mit unserem Ursprung verbinden uns Glaube und Liebe. Günter Emig war tief verwurzelt im Glauben, das bescheinigt ihm eine ehemalige Weggefährtin. Glaube war für ihn aber nicht nur ein satzhaftes Wissen, sondern der Glaube, der in der Liebe wirksam wird. Seine Zuversicht auf Gottes Macht war die Grundlage für Wagnisbereitschaft im Weitergehen. Das sind Themen, die mich als Bischof und uns als Kirche in Deutschland heute stark beschäftigen. Es kann nicht nur um Erhalt des Bestehenden gehen, sondern um ein Weitergehen, weil wir Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen auch heute teilen und begleiten wollen (Gaudium et Spes 1).
Günter Emig war seit 1986 Mitglied des Domkapitels und damit ein wichtiger Berater des Kardinals und der Bistumsleitung. Ich denke, dass er immer wieder den Gedanken der Caritas stark gemacht hat und die Bistumsleitung sensibilisiert hat. In seinem letzten Wunsch wollte er das Psalmwort, das an jedem Abend gebetet wird, aufgegriffen wissen: Herr, auf dich vertraue ich, In deine Hände lege ich mein Leben (Vgl. Ps 31,6). Und er liebte das Lied: „Herr, ich bin dein Eigentum, dein ist ja mein Leben.“ (GL 435). Dieses Lied von Balthasar Münter (1774) beschreibt die Treue Gottes, die einen Menschen ein Leben lang begleitet. Der Mensch ist in Gottes Hand geschrieben. Er soll bereit sein für die himmlische Heimat. Das schöne Ende des Liedes ist ein starkes Glaubenszeugnis, es ist die Bitte, am Ende freudig in die Ewigkeit, in die Gemeinschaft mit dem Herrn einzutreten. Günter Emig ist diesen Schritt gegangen. Wir haben ihn noch vor uns. Ich bitte darum, dass wir alle mit diesem Vertrauen leben können, dass wir in Gottes Hand geschrieben sind, dass wir am Ende bei ihm in der Gemeinschaft der Heiligen Heimat und Wohnung finden werden. In dieser Ewigkeit werden wir uns auf unvorstellbare Wese wiedersehen.
Im Trauungsritus gibt es beim Schlusssegen eine Formulierung, die nicht nur für Eheleute gelten wird. Dort wird gebetet, dass die Menschen nach ihrem Hinscheiden den Armen und Bedrückten begegnen möchten, denen sie hilfsbereit begegnet sind. Die Armen mögen sie in die ewigen Wohnungen führen. Ich stellen mir vor, dass ganz viele Menschen in der Ewigkeit Günter Emig in die Arme schließen und ihn in seine ewige Heimat begleiten. Ob Menschen diese Hoffnung einmal für jeden und jede einzelne von uns formulieren werden, sollte uns nicht gleichgültig sein. Günter Emig wünschen wir die Erfahrung seines alltäglichen Gebets: Gott, in deine Hände lege ich mein Leben. Er wird in seinen Händen ruhen. Darauf vertrauen wir.