Liebe Frau Ullges, lieber Herr Strosche, Schwestern und Brüder,
Licht und Leben, die sich offenbaren im lebendigen Wort, das Fleisch wird – dies sind die Kernworte des heutigen Evangeliums am Tag Ihrer Sendung. Es ist wahrscheinlich, dass der Evangelist Johannes die Tauferfahrung einer jungen Gemeinde wiedergibt. In der Taufe ist alles Licht geworden, das Dunkel des Todes ist besiegt. Das ist die Grunderfahrung christlichen Lebens: Wir sind Kinder des Lichtes, und in diesem Licht finden wir Leben in Fülle.
Die Lichtmetapher ist ein Tummelplatz der Assoziationen“. Vielleicht denken Sie an schöne Sommertage, an den frühen Morgen, neu erwachendes Leben. Nicht umsonst haben die Christen in der am Morgen aufgehenden Sonne Christus gesehen, unter dessen Licht Leben erwacht. Viele unserer Kirchen sind Räume des Lichts. Das gilt weniger für den Hohen Dom zu Mainz, der als schützende Burg Heimat gibt, als eher für die großen gotischen Kathedralen. So wie die festen romanischen Kirchen für die Geborgenheit in Gott stehen, so die gotischen Kirchen und viele andere für die christliche Existenz im Licht Gottes. Ich erlaube mir, beispielhaft an den Kölner Dom zu erinnern. Ich bin jedes Mal berührt von dem atemberaubenden Licht, wenn ich dort hineingehe. Die Wände sind nichts anderes als leuchtende Fenster. Der Christ, das ist die Aussage, lebt im Licht Gottes. Und umgekehrt gilt: Es braucht solche Fenster, um das Licht in die Welt zu lassen. Unsere Aufgabe ist es, solch ein Kathedralfenster zu sein, um dem Licht Möglichkeit zu geben, in die Welt hinein zu strahlen. Dieses Licht kommt nicht aus uns. Aber das Licht braucht uns, um leuchten zu können, um seine ganze Farbenpracht zu entfalten. Sicher, Gott braucht den Menschen nicht, um Licht zu sein. Aber er braucht Menschen, die sein Licht aufnehmen und weitergeben. Erst dadurch wird das Licht Gottes wahrnehmbar, wird es farbig. Die ganze Heilsgeschichte erzählt vom Suchen Gottes nach Menschen, die sein Leuchten weitergeben, die Hoffnung geben in der Dunkelheit. Gott wird auch heute ohne uns die Welt nicht erhellen. Ohne uns wird sich die Welt nicht verändern.
In der Kathedrale ist es gerade die Vielfalt der Farben, die das Licht so schön macht. Die Kölner haben sich vor Jahren mit ihrem Bischof heftig über ein neues Fenster von Gerhard Richter gestritten. Es besteht aus unzähligen Lichtquadraten. Über seine Aussage kann man streiten, aber es sind mehrere 10000 bunte Fensterchen, die das Gesamtbild ausmachen. So lebt auch die Welt und die Kirche von unsrer Vielfalt, von den Begabungen jedes einzelnen, die er in den Dienst anderer stellt. Die Mainzer mögen Nachsicht mit dem gebürtigen Kölner haben, dass er an den Kölner Dom erinnert. Genauso aber können wir uns die strahlenden Farben der französischen Kathedralen vorstellen.
Das Licht kommt nicht von uns, aber es braucht uns. Wir sind sozusagen die Öffnung, durch die Gott in die Welt kommen kann, sonst kann er nicht kommen. Das müssen wir uns klar machen. Es kommt auf meine Offenheit für ihn an. Ob die Welt sich verändert, liegt auch an mir persönlich. Wirkungen dieses Lichtes nennt die Bibel immer wieder: Friede, Liebe, Freude, Geduld, Leben. Das kann niemand an jemand anderen delegieren, nicht an den Papst oder Bischof oder an sonst irgendjemanden. Das heißt aber auch, dass jeder und jede Verantwortung dafür trägt, dass er oder sie sich seinem Licht entgegenhält. Ohne Gottesbeziehung kann niemand Christ sein. Wenn ich meine, es reicht, ein guter Mensch zu sein, ohne mit Gott in Beziehung zu stehen, dann versuche ich, mein Licht weiterzugeben. Ein Fenster ohne die Sonne, die es bestrahlt, ist auf Dauer eine recht blasse, ja langweilige Angelegenheit. Ein Mensch, der die Kraft zum Leben allein in sich selbst sucht, muss sorgen, dass er die Leuchtkraft nicht verliert. Wenn wir uns nicht weit öffnen für Gott, der zu uns kommen will, wenn wir unser Herz nicht aufmachen, ist christliches Leben der fade Versuch, aus sich selbst gut zu sein. Das überfordert den Menschen auf Dauer.
Das Johannesevangelium nennt Christus das Wort Gottes. Er ist das Wort, aber er braucht unsere Stimme. Das ist vielleicht weitaus schwieriger, als durch gute Taten und unsere Nächstenliebe das Licht Gottes weiter zu schenken. Über Gott zu reden, ist oft schwierig, im Gottesdienst geht es noch, aber im Alltag? Man kann ja auch nicht ständig seine Frömmigkeit vor sich her tragen. Hier gilt das Gleiche wie für das Bild vom Licht. Wenn ich meine Stimme nicht hergebe, dann wird es keiner zu tun. Es gibt in der Kirche kein: „man sollte“. Das kann das gute Wort sein, das ich jemandem sage: es ist oft leichter zu kritisieren als zu loben. Wenn ich jemanden, der es braucht, nicht dadurch aufbaue, wird es keiner tun. Es kann bedeuten, aus Liebe jemandem auch eine hilfreiche Kritik zu sagen. Da geht es nicht um das Kritisieren aus Prinzip, sondern darum, dem anderen zu helfen. Wenn ich dieses prophetische Wort nicht sage, wird es keiner tun. Stimme zu sein, heißt auch, über meinen Glauben, wenn ich denn gefragt bin, Auskunft geben zu können. Jeder und jede Getaufte ist gerufen, im Rahmen der Möglichkeiten Zeugnis zu geben, Auskunft zu geben. Da geht es nicht um theologische Vorträge, sondern um die Bereitschaft, sagen zu können, was einem der Glaube an Christus persönlich bedeutet. Stimme zu sein, bedeutet, mit dem Mund nichts anderes zu bekennen, als das, was ich lebe. Und das ist bekanntlich nicht so einfach.
Liebe Frau Ullges, lieber Herr Strosche, Sie lassen sich senden und in den Dienst nehmen, in den Dienst des Wortes, des Lichtes und des Lebens, das Christus selbst ist. Grundlage dafür ist auch für Sie die Taufe. Durch die Taufe sind gerufen sind, als Kinder des Lichtes zu leben. Ich bin dankbar, dass Sie Fenster sein wollen, dieses Licht in der Farbigkeit und Lebensfreude des Glaubens in die Welt zu geben. Im Alltag wird es dafür zahlreiche Gelegenheiten geben. Die Wirkung des Lichts besteht darin, andere zum Aufblühen und Leben zu bringen, nicht aus eigener Kraft, aber mit den eigenen Gaben und Fähigkeiten, die Gott Ihnen geschenkt hat. Halten Sie Ihre Seele immer wieder in die Sonne Gottes. Nehmen Sie auch sein Wort auf, das lebendige Wort, das Christus ist. Sein Wort ist wie Licht in der Nacht, so singen wir in einem Kanon. Es ist tatsächlich so. Je tiefer man darin eindringt, desto mehr Tiefe bekommt der eigene Glaube, und mit dem heiligen Hieronymus gesprochen: „Denn wenn Christus nach dem Wort des Apostels Pauls ‚Gottes Kraft und Gottes Weisheit‘ ist, dann kennt die Kraft und Gottes Weisheit nicht, wer die Schrift nicht kennt. Wenn die Kenntnis der Schrift fehlt, fehlt die Kenntnis Christi.“ Hieronymus war ein großer Theologe, aber er wusste, dass die intellektuelle Beschäftigung mit dem Wort nur eine Weise ist, das Wort kennen zu lernen. Dazu muss die geistliche Aneignung und Vertiefung kommen, ein lebenslanger Lernweg.
Ich wünsche Ihnen beiden die Erfahrung des Lichts und das Glück, dieses weiter zu schenken. Ich wünsche Ihnen die Erfahrung des lebendigen, wirkmächtigen Wortes, in dem Gott zu uns spricht. Es geht nicht um toten Buchstaben, sondern um ein tieferes Hineinwachsen in die Freundschaft mit Christus. Gott ist Licht, und er braucht Fenster, Gott spricht im Wort, und er braucht unsere Stimme. Dazu segne Gott Ihr Wirken.