„Ist denn beim Herrn etwas unmöglich?“ (Gen 18,14). Dieses starke Glaubensbekenntnis haben Sie für Ihre Sendungsfeier am heutigen Tag gewählt. Im Leben von Abraham und Sarah steht dieser Satz an einer einschneidenden Stelle.
Abram, so hieß er anfangs noch, hatte sich mit seinem ganzen Haus und seinem Besitz auf Gottes Verheißung hin auf den Weg gemacht. Er sollte ein Segen sein und Gott versprach ihm eine verheißungsvolle Zukunft. Seine Nachkommen sollten sehr zahlreich sein, wie der Sand oder die Sterne. Dafür brauchte es allerdings erst einmal einen Nachkommen. Abraham und Sarah waren bereits alt und hatten die Hoffnung auf ein gemeinsames Kind aufgegeben. Da blieben nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie hatten sich von Gott täuschen lassen oder Gott konnte Unmögliches möglich machen. Der Gedanke einer Täuschung kam für sie wohl nicht infrage. Sie blieben treu im Glauben, wenngleich Sarah der Gedanke an eine Geburt in ihrem fortgeschrittenen Alter offenbar befremdete. Dem Herrn kann nichts unmöglich sein. Dieser Glaube trug sie, obwohl Abraham auf ihrem gemeinsamen Weg ebenfalls schuldig geworden war. Diese Schuld führte Gott nicht dazu, seine Treue zu brechen. Am Ende erzählt uns das Leben der Erzväter und -mütter im Glauben, dass Gottes Gegenwart und seine Verheißungen Segen geben, nicht menschliche Kraft und Vollkommenheit. Und dennoch ist der Mensch nicht Gottes Marionette. Ohne die Zustimmung von Abraham und Sarah hätte sich die Glaubensgeschichte des Gottesvolkes wohl anders gestaltet. Für Ihre Sendungsfeier sehe ich darin eine wichtige und ermutigende Botschaft. Sie haben sich rufen lassen. Sie haben diesen Ruf gehört und sind ihm gefolgt. Die entscheidende Antwort muss jeder Mensch persönlich geben. Das ist etwas, dass Sie nicht für jemand anderen tun können. Sie bringen sich in Ihren Beruf mit Ihrer Persönlichkeit, Ihren Begabungen und Ihren Grenzen ein. Das bildet die Grundlage dafür, dass Sie aktiv an der Gestaltung der Heilsgeschichte teilhaben. Sie sind nicht Abraham und Sarah, sondern eine einzigartige Persönlichkeit. Ihr Dienst wird für manche Menschen eine Erfahrung von Heilsgeschichte sein. Gott ist treu, er bindet sich an Sie und wird durch Sie Heil wirken.
Die größte Gabe, die die Kirche den Menschen mit ihrer Botschaft machen kann, besteht in Gottes Heilszusage. Ihr eigenes Glaubenszeugnis kann für andere Menschen eine bedeutsame Einladung sein, das eigene Leben in Gottes Hände zu legen. Zusätzlich zur Zusage der Treue und Liebe Gottes sind es die Menschen, die den kostbaren Schatz der Kirche, wenn ich so sagen darf, formen. Es sind Menschen mit verschiedenen Fragen, Begabungen und sogar Charismen - das heißt, geistlichen Gaben. Wenn Sie heute unter dem Wort aus dem Buch Genesis gesendet werden, dürfen Sie nicht nur auf Gott vertrauen, sondern ebenso auf die Stärken, die er Ihnen mitgegeben hat. Ich habe vom geschenkten Heil gesprochen, das Sie zusagen und verkünden dürfen. Seelsorge hat den ganzen Menschen im Blick, seine seelischen, spirituellen und ganz alltäglichen Bedürfnisse. Im Evangelium wird dies vor allem am Beispiel Jesu und seinem Umgang mit den bedürftigen Menschen deutlich. Er heilt Kranke und keine Not und keine Frage ist ihm zu unbedeutend, als dass er Menschen nicht an sich heranließe. Seine Nähe erdrückt nicht, sie ist heilsam. Menschen werden gesund, sie bekommen Hoffnung und Perspektiven. Oft erkennt er die Not, ein anderes Mal fragt er die Menschen, was sie brauchen. In seinen Begegnungen und Taten, nicht nur in seiner Predigt, verwirklicht er Gottes Herrschaft in dieser Welt. Da, wo Gott am Werk ist, werden Menschen gesund an Leib und Seele. Auch Krankheiten und Schwächen, die Menschen plagen, sind kein Zeichen einer Abwendung Gottes. Sie stehen in der Nachfolge Jesu und Ihre Begegnungen, Ihre Worte und Ihre Zuwendung sollen und dürfen Menschen als heilsam erfahren. So helfen Sie mit, Gottes Herrschaft zu verwirklichen.
Sie lassen sich in schwierigen Zeiten in den kirchlichen Dienst nehmen. In dieser Woche wurden die verheerenden Kirchenaustrittszahlen öffentlich. Viele Menschen empfinden Empörung über die unterschiedlichen Skandale und die Art und Weise, wie Kirche und ihre Verantwortlichen gehandelt haben und immer noch handeln. Sie erleben die Kirche und ihre Begegnungen nicht als heilend und stärkend. In einem Kommentar einer Zeitung wurde die Kirche als „heillos“ beschrieben. Am Ende und nicht mehr zu retten. Wenn die Kirche die Gemeinschaft derer ist, die in der Nachfolge Jesu stehen, steht sie zu Recht unter einem besonderen Anspruch. Diesem Anspruch wird sie nicht gerecht. Ich selbst werde diesem Anspruch nicht gerecht. Und wir müssen immer wieder den Weg der Umkehr und der Erneuerung gehen. Trotzdem kann ich mich dieser Aussage nicht anschließen, insbesondere wenn ich das Glaubensbekenntnis aus dem Buch Genesis als Grundlage nehme: "Ist beim Herrn irgendetwas unmöglich?". Ich traue ihm zu, dass er seine Treue unserer verbeulten Kirche zeigt und bewahrt. Wir werden seine Kirche bleiben, selbst wenn wir schuldig sind, Fehler machen und versagen. Dennoch sind wir nicht seine Marionetten. Wir müssen das anpacken, was wir können, jeder und jede Einzelne muss die Glaubensantwort finden und sprechen. Sie bekennen sich heute zu diesem Vertrauen. Das stärkt uns und ermutigt uns. Wir gehen in Zukunft gemeinsame Wege, wie Abraham und Sarah. Menschen schreiben Heilsgeschichte mit, nicht nur in den großen Ereignissen, sondern in den vielen kleinen Begebenheiten des Alltags. Ich wünsche Ihnen, dass das Bekenntnis aus dem Genesisbuch Sie weiter begleitet. Und wenn Sie einmal müde sind, frustriert oder ohne innere Motivation, dann denken Sie an Abraham und Sarah und ihr außergewöhnliches Vertrauen in Gottes Möglichkeiten. Sie können Ihr Leben Christus hinhalten, der sie heilend berühren kann.