Junge Menschen engagieren sich für eine bessere Welt

Predigt im Pontifikalamt am Hochfest Erscheinung des Herrn (Epiphanie) Dom zu Mainz, Samstag, 6. Januar 2024, 10:00 Uhr

Sternsinger (c) Doris und Michael Will In: Pfarrbriefservice.de
Datum:
Sa. 6. Jan. 2024
Von:
Bischof Peter Kohlgraf

In diesem Jahr solidarisieren sich die jungen Menschen besonders mit den Menschen am Amazonas, deren Lebensgrundlagen durch die Ausbeutung der Natur und den Klimawandel bedroht sind. Damit erinnern sie uns an ein Thema, was uns alle bedrängt. Es ist gut zu wissen, dass dieses Anliegen nicht nur von radikalen Klimaaktivisten besetzt ist(...) sondern dass sich Tausende von Menschen, und durch die Spenden und die internationale Vernetzung Millionen von Menschen konstruktiv und aktiv für den Erhalt und den Schutz der Schöpfung einsetzen. 

Über die Erde zu herrschen, heißt Verantwortung zu übernehmen, nicht sie auszubeuten

„Christus segne dieses Haus“ – so schreiben die Sternsingerinnen und Sternsinger auch in diesem Jahr an unsere Türen. Sie segnen alle Wohnungen, gleich, welche Menschen dort wohnen, ob sie fromm sind, ob sie zur Kirche gehören oder ob sie sich auch nur annähernd dem christlichen Anspruch verpflichtet wissen. Seit dem 16. Jahrhundert schon werden durch die Sternsinger alle gesegnet, allen wird die liebende Zuwendung Gottes zugesprochen.

Ich wundere mich über die Aufregung, die das römische Dokument zu Segnungen in den vergangenen Wochen ausgelöst hat. Die Kirche wusste schon immer, dass Segen nicht an Bedingungen geknüpft ist. Es sind in diesen Tagen gerade junge Menschen, es sind Kinder und Jugendliche, sie sich für andere engagieren, die bei Wind und Wetter Segen bringen und um Gaben für Kinder in Not bitten. Tausende sind in Deutschland unterwegs. In diesem Jahr solidarisieren sich die jungen Menschen besonders mit den Menschen am Amazonas, deren Lebensgrundlagen durch die Ausbeutung der Natur und den Klimawandel bedroht sind. Damit erinnern sie uns an ein Thema, was uns alle bedrängt. Es ist gut zu wissen, dass dieses Anliegen nicht nur von radikalen Klimaaktivisten besetzt ist, die mediale Aufmerksamkeit erhalten, sondern dass sich Tausende von Menschen, und durch die Spenden und die internationale Vernetzung Millionen von Menschen konstruktiv und aktiv für den Erhalt und den Schutz der Schöpfung einsetzen. Die Sternsingeraktion in diesem Jahr schärft das Bewusstsein für die gemeinsame Verantwortung aller Menschen für die eine Erde und stößt sie nicht vor den Kopf. Sie nimmt Menschen mit und versucht, für das Engagement einzuladen. Damit leisten gerade die jungen Sternsingerinnen und Sternsinger einen Dienst an allen Menschen. Sie zeigen: man kann etwas bewegen, wenn man sich zusammenschließt und Menschen motiviert, indem man sie segnet und sie daran erinnert, dass von allen Menschen Segen ausgehen kann.

Man könnte viele konkrete Beispiele nennen. Wir haben uns daran gewöhnt, die Kirche als Problemfall zu sehen. Ohne die Kirche gäbe es die vielen Jugendlichen nicht, die sich derart engagieren. In Schulen, in Kommunion- und Firmkatechese, in Jugendgruppen und vielen anderen Orten lassen sich junge Menschen für den Einsatz für die Welt begeistern. Ich kenne keine andere Organisation, die das leistet. Neben dem Einsatz für die große, weite Welt bringen die Kinder und Jugendlichen auch viel Freude in die Häuser, die oft von einsamen Menschen bewohnt werden und die so eingebunden sind in die Gemeinschaft aller. Dass es auch zu unfreundlichen Begegnungen kommt, ist natürlich Realität. Seine Verachtung gegenüber der Kirche an den Kindern auszulassen, spricht für sich.

Der Einsatz in diesem Jahr besonders für die Schöpfung ist brandaktuell. In seiner Enzyklika „Laudato si“ hat Papst Franziskus das Thema der Bewahrung der Schöpfung ins Zentrum der christlichen Verkündigung geholt. Alle Menschen tragen Verantwortung für das gemeinsame Haus dieser Erde. In einem ergänzenden Schreiben hat er dieses Anliegen 2023 noch verschärft. Die Dringlichkeit benennt er deutlich: „Diese (Erde, unsere) Schwester schreit auf wegen des Schadens, den wir ihr aufgrund des unverantwortlichen Gebrauchs und des Missbrauchs der Güter zufügen, die Gott in sie hineingelegt hat. Wir sind in dem Gedanken aufgewachsen, dass wir ihre Eigentümer und Herrscher seien, berechtigt, sie auszuplündern. Die Gewalt des von der Sünde verletzten menschlichen Herzens wird auch in den Krankheitssymptomen deutlich, die wir im Boden, im Wasser, in der Luft und in den Lebewesen bemerken. Darum befindet sich unter den am meisten verwahrlosten und misshandelten Armen diese unsere unterdrückte und verwüstete Erde, die „seufzt und in Geburtswehen liegt“ (Röm 8,22). Wir vergessen, dass wir selber Erde sind (vgl. Gen 2,7). Unser eigener Körper ist aus den Elementen des Planeten gebildet; seine Luft ist es, die uns den Atem gibt, und sein Wasser belebt und erquickt uns.“ (LS 2).

Der Papst stellt heraus, dass die Ausbeutung der Natur auch auf einem falschen Bild des Menschen beruht. Über die Erde zu herrschen, heißt Verantwortung zu übernehmen, nicht sie auszubeuten. Durch diesen Bezug bekommt das Thema auch eine Verbindung zu anderen brennenden Themen dieser Tage. Auch die Kriege zeigen ein verheerendes Menschenbild. Die einen machen sich zu Herrschern und zum letzten Maßstab, die anderen dienen ihnen als „Kanonenfutter“ und Werkzeug zur Verwirklichung ihrer eigenen perversen Machtansprüche. Die Sternsingeraktion will uns nicht nur an die eigene Verantwortung erinnern, sondern auch demütig machen. Niemand ist der letzte Maßstab, außer Gott allein, jeder und jede ist eingebunden in ein großes Netz, das ihn trägt und das er mitgestalten muss, um die Erde bewohnbar zu erhalten.

Wir müssen Übel bekämpfen auch in der Kirche, aber wir müssen das viele Gute nicht kleinreden

Auch den weihnachtlichen Bezug will ich herstellen. Indem Gott Mensch wird in seinem Sohn, nimmt er die Schöpfung an und will sie zum Guten verwandeln. Und er nimmt die Menschen in die Pflicht, an seinem Auftrag mitzuwirken. Die Kirche will sich in die Pflicht nehmen lassen, die vielen Kinder und Jugendlichen, ihre Begleiterinnen und Begleiter stehen dafür.

Die jüngst erschienene Kirchenbindungsstudie zeigt auf, dass bei aller wachsenden Distanz zur Kirche das ehrenamtliche Engagement im Zusammenhang der kirchlichen Bindung signifikant höher ist als in anderen Bereichen. Die Sternsinger sind ein Beispiel dafür. Wir sollten auch diese Seite der Kirche öffentlich stark machen. Wir müssen Übel bekämpfen auch in der Kirche, aber wir müssen das viele Gute nicht kleinreden. Vom 18.-21. April 2024 wird in Deutschland die 72-Stunden-Aktion der Katholischen Jugend (BdkJ) stattfinden. Die letzte fand im Jahr 2019 vor der Corona-Pandemie statt. An der Aktion damals haben über 160.000 Mitwirkende in 3.400 Gruppen teilgenommen. Und nicht nur überall in Deutschland, sondern auch in 45 internationalen Gruppen. Ich kenne keine Organisation, die etwas Vergleichbares auf die Beine stellt. In diesen Tagen laufen die Anmeldungen.

Junge Menschen engagieren sich für eine bessere Welt. Im Sommer werden wir aus den deutschen Bistümern zur Ministrantenwallfahrt nach Rom aufbrechen. Tausende junge Menschen begeistern sich für Gottesdienst und Gebet. Oft werden sie als selbstverständlich genommen, sie werden dann wahrgenommen, wenn sie fehlen. In den Tagen über den Jahreswechsel durfte ich die Chöre am Dom nach Rom begleiten. Den Einsatz, die Begeisterung, die Gestaltung von Gemeinschaft und Miteinander muss ihnen erst einmal jemand nachmachen. Wir können zu Recht Kritik an der Kirche äußern, und wir werden uns auch 2024 im Bistum Mainz den drängenden Fragen und Themen  stellen. Neben den genannten Gruppen sind so viele bereit, sich in den Dienst des Kindes von Bethlehem zu stellen, um der anderen Menschen und der Schöpfung willen. Wer kritisiert, sollte sich durch sie auch fragen lassen, was er oder sie selbst tut. Die Kirche bleibt eine starke Gemeinschaft, die Menschen motivieren und zusammenführen kann.

In diesen Tagen des Jahresbeginns nehmen sich viele Menschen etwas vor. Vielleicht könnte es ein gutes Ziel sein, an den jungen Menschen Maß zu nehmen, die zu unserer Gemeinschaft der Kirche gehören.