Wenn Menschen sich voneinander verabschieden, darf Wehmut herrschen. Allerdings schlägt das Neue Testament keinen vorwiegend wehmütigen Ton an. Dass wir Menschen nirgends auf dieser Welt eine bleibende Stätte haben, ist kein Grund zur Resignation. Es gibt vieles, das bleibt und uns im Glauben und Leben begleiten wird
„Wir haben hier keine bleibende Stadt“ so fasst der Hebräerbrief das besondere christliche Lebensgefühl der frühen Kirche zusammen. Anlässlich der Übergabe des Hauses und Aufgabe des Klosters hier auf dem Rochusberg lese ich einen derartigen Satz mit einer gewissen Wehmut. Hundert Jahre haben die Oblatenpatres hier auf dem Berg der Wallfahrt und der Seelsorge ihr Herz, ihren Verstand und ihr Gesicht gegeben. Für das Geschenk dieser Menschen danken wir Gott, wir danken dem Orden und den Brüdern, die hier gewirkt haben. P. Volker Stollewerk wird weiter für die Seelsorge an den Schwestern zur Verfügung stehen, und P. Elmar Theisen, den wir verabschieden, möge Gottes Segen begleiten. Wenn Menschen sich voneinander verabschieden, darf Wehmut herrschen. Allerdings schlägt das Neue Testament keinen vorwiegend wehmütigen Ton an. Dass wir Menschen nirgends auf dieser Welt eine bleibende Stätte haben, ist kein Grund zur Resignation. Es gibt vieles, das bleibt und uns im Glauben und Leben begleiten wird. Das sind natürlich die Glaubenszeugnisse der Brüder, die hier gelebt haben und die vielen in bleibender Erinnerung sind und bleiben werden. Der Hebräerbrief schreibt ziemlich nüchtern: „Die (Bruder) – Liebe soll bleiben (13,1)“. Bleiben soll die christliche Gastfreundschaft, die Sorge um die Menschen am Rande, die Liebe zwischen den Menschen in den Partnerschaften und Familien, ein Leben ohne Habgier, Bescheidenheit, Gottvertrauen und der treue Glaube an den einen Gott. So wenig der Mensch eine bleibende Stätte hat, so sehr kann er diese Haltungen überall leben. Liebe, Glaube, Vertrauen und der Blick für die Bedarfe anderer als Heimat auf dieser Welt: ich gestehe, dass ich das für einen wunderbaren Gedanken halte. Heimat ist nicht nur ein Ort, Heimat sind konkrete Menschen, die mit mir gehen, Heimat ist ein inneres Gefühl des Zuhauseseins, ist Zuwendung und die Erfahrung, dass ich persönlich angenommen bin. Für die Christinnen und Christen des ersten Jahrhunderts waren diese Themen mit dem Glauben an Gott verbunden. Überall, wohin Gott mich begleitet, kann ein Ort zur Stätte, zur Heimat werden. In diesem Sinne argumentiert der 1. Johannesbrief. Fundament des Lebens ist die Erfahrung, geliebt zu sein. Er schaut auf Christus und seine Hingabe an die Menschen. Auf diese Liebe kann man, wo auch immer, sein Lebenshaus bauen. Heimat kann dort erfahren werden, wo sich jemand so von Christus geliebt weiß, wo er seine Zuwendung erfährt, und vielleicht kann man sogar so weit gehen, den Satz des Paulus in Athen für sich zu betrachten: „In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir.“ (Apg 17,28) Wir sind überall von ihm umfangen und umhüllt. Das kann Heimat sein. Es gehört zur Berufung der Oblatenpatres und –brüder, diese Erfahrung an andere weiterzugeben. Davon sprechen die Texte des Hochfestes des hl. Rochus. Auch er ist aus seiner Vaterstadt weggegangen, um nach Rom zu pilgern. Er tat dies nicht aus frommer Selbstverwirklichung, sondern wandte sich besonders den Pestkranken zu. Heimat war für ihn nicht der eine Ort, sondern die Erfahrung des Unterwegsseins unter Gottes Geleit, sowie die Weitergabe der pflegenden und zugewandten Liebe Gottes an die Menschen am Rande. Insofern war es höchst passend, dass gerade die Oblatenpatres hier am Rochusberg wirkten, deren Ordenschrisma genau in diesem Punkt gipfelt. Sie gestalteten so wirksam lebendige Heimat für viele Menschen, die hierhin pilgerten. Unzählige sind in den 102 Jahren gestärkt an Leib und Seele von hier weitergezogen. Die Wallfahrt möge lebendig bleiben, denn gerade heute machen sich wieder Menschen auf den Weg an heilige Orte, weil sie vielleicht ein Gespür dafür haben, oder wenigstens eine Sehnsucht, dass diese Welt mit ihren Grenzen nicht die endgültige Heimat sein kann. Der Rochusberg öffnet den Blick in die Weite und in den Himmel hinein. In diesem Sinne haben die Brüder hier auf dem Berg ihren missionarischen Auftrag verwirklicht. Mission verstanden sie vorwiegend nicht als wortreiche Belehrung, sondern als Zuwendung, Interesse und Zeugnis. Dieser Ort mit diesen Menschen kann man gut mit einer Berghütte vergleichen, wie es der Pastoraltheologe Herbert Haslinger einmal für die ganze Kirche beschrieben hat. Er bemängelt den Mangel an wirklich zugewandter Seelsorge in den Gemeinden und die Nähe zu den Menschen. Oft erwarten Vertreter der Kirche, so Haslinger, mehr von den Menschen, als sie selbst zu geben bereit sind. Daher brauche es ein Umdenken. Nicht das Einfamilienhaus ist das Leitbild für unsere Gemeinden, sondern die Berghütte. Einfamilienhaus würde bedeuten: eine geschlossene Pfarrfamilie schließt sich ein, Menschen, die nicht dazugehören, werden vielleicht herzlich willkommen, machen aber nicht die Erfahrung der Zugehörigkeit. Eine Berghütte ist offen, Menschen sind willkommen, solange zu bleiben, wie sie es für richtig halten, sie bekommen Nahrung, Erholung und Ruhe, um selbstbestimmt weiterziehen zu können. Nicht das Verbleiben im Haus ist das Ziel, sondern das Zurüsten, den eigenen Weg auch im Glauben weitergehen zu können. Ich teile nicht jede Kritik, finde aber das Bild gerade auch im Hinblick auf diesen Ort als sehr bedenkenswert. Ich glaube, dass die Brüder der Oblaten einen derartigen Dienst engagiert und überzeugend geleistet haben. Sicher braucht es in der Kirche auch die Situation des geschlossenen Hauses, einen Raum der Verbindlichkeit und der Beständigkeit. Aber Heimat finden Menschen in der Kirche eben nicht nur in festen Räumen und an festen Orten, sondern auch in den Begegnungen in den einladenden und offenen Berghütten. Der Rochusberg soll eine solche geistliche Berghütte bleiben. Es ist schade, dass das Kloster diese Menschen nicht mehr begleiten kann. Aber im Gebet und der Liebe bleiben wir verbunden. Möge Gott die Oblatenbrüder segnen, ihren Dienst in Deutschland und weltweit. Ihr Zeugnis geht mit. P. Stollewerk wünsche ich segensreiches Wirken hier, P. Theisen Gottes Segen für die Zukunft. Danke für alles! Und nehmen Sie meinen Wunsch mit, dass Sie alle die Erfahrung machen, dass wir zwar keine bleibende Stadt haben, aber in Gott geborgen sind und in ihm beheimatet, wo immer wir sind.