Die großen Religionen haben ein enormes friedensstiftendes Potential, aber sie können genauso benutzt werden, um Hass gegen Andersgläubige und Andersdenkende zu schüren. Sie, liebe Gäste aus der Zentralafrikanischen Republik, stehen für das aktive Bemühen um Frieden und Versöhnung zwischen verfeindeten Menschen und Parteien unterschiedlicher Religionen und Weltanschauungen.
Seit 2012 beherrscht ein grausamer Bürgerkrieg die Zentralafrikanische Republik, der das Land und die Menschen am Ende nachhaltig schädigen wird und bereits viel Unheil angerichtet hat. Vertreterinnen und Vertreter des Christentums und des Islam setzen sich aktiv für Frieden und Versöhnung ein, und sie geben ein Zeugnis dafür, dass sich Friedensarbeit lohnt, auch wenn sie mühselig und langwierig sein kann. Manchmal entstehen kleine Pflänzchen, der Krieg wird nicht beendet, aber weitere Eskalationen verhindert. Sie, liebe Gäste, scheuen mit anderen Friedensarbeiterinnen und –arbeitern nicht den Weg in konfliktreiche und gefährliche Situationen. Durch ihre internationale Vernetzung machen sie auch international Mut, sich nicht der Logik von Hass, Krieg und Gewalt zu überlassen oder vor ihr zu kapitulieren. „Wer einen Menschen rettet, rettet die ganze Welt“, weiß der Talmud. Jedes noch so kleine Friedensengagement trägt zu einer besseren Welt des Friedens bei. Als Präsident der deutschen Sektion von pax-christi danke ich Ihnen sehr für Ihren Einsatz für Frieden und Versöhnung.
Derzeit hat der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine die Zerbrechlichkeit einer bisherigen Welt- und Friedensordnung deutlich gemacht. Auch in diesem Zusammenhang wird die spaltende Kraft von Religion offenbar. Auch sie dient den Kriegstreibern als Legitimation für den Angriff auf eine angeblich dekadente Welt des Westens. In den politischen Debatten um Waffenlieferungen und militärische Unterstützung der Ukraine wird zu wenig darüber gesprochen, wie religiöse Überzeugung auch die Grundlage bilden kann für humanitäre Hilfe. Menschen aus der Ukraine finden Heimat bei uns, Menschen helfen aus christlicher Überzeugung heraus. Gruppen helfen beim Aufbau der Infrastruktur vor Ort, sie unterstützen mit Nahrungsmitteln und Medizin. Religion hat friedensstiftendes Potential, aber sie kann auch eine dunkle Seite entfalten und verstärken.
Papst Franziskus hat vor wenigen Tagen mit seinem Apostolischen Schreiben Laudate Deum auf die schlimme Situation der Schöpfung aufmerksam gemacht. Was er dort über die internationale Verantwortung für den Erhalt der Natur sagt, gilt ebenso für die internationale Friedensordnung. Sie, liebe Gäste aus Zentralafrika, weiten den Blick auf andere Kriegs- und Konfliktherde dieser Erde, die derzeit leicht in Vergessenheit geraten. Sie zeigen, dass es überall Menschen braucht, die ihre Verantwortung für ein friedvolles und verantwortungsvolles Miteinander wahrnehmen. Wie die ökologischen Fragen können auch die Friedensthemen nur eine globale Antwort finden, die jedoch jeden einzelnen Menschen in die Pflicht nimmt. Der Papst sagt dementsprechend: „Mittelfristig begünstigt die Globalisierung einen spontanen kulturellen Austausch, ein größeres Wissen übereinander und Formen der Integration von Menschen, die zu einem Multilateralismus „von unten“ führen, der nicht einfach von den Machteliten beschlossen wurde. Die Forderungen, die überall auf der Welt von unten kommen, wo sich engagierte Personen aus den unterschiedlichsten Ländern gegenseitig helfen und begleiten, können letztlich Druck auf die Machtverhältnisse ausüben. Es ist zu hoffen, dass dies im Hinblick auf die Klimakrise geschieht. Deshalb wiederhole ich: »Wenn die Bürger die nationale, regionale und kommunale politische Macht nicht kontrollieren, ist auch keine Kontrolle der Umweltschäden möglich« (LD 38). Für die Friedensarbeit gilt dies wohl auch: Macht muss kontrolliert werden, es braucht engagierte Menschen, die von unten her für den Frieden arbeiten, in den konkreten Begegnungen und damit den Mächtigen Druck machen, die Logik der Gewalt zu beenden. Ihnen, liebe Gäste, ist zu danken, dass Sie mit konkreten Konfliktparteien ins Gespräch gehen. Das ist wirkliche Friedensarbeit „von unten“, die auch für andere Weltregionen beispielhaft sein kann.
Religion hat friedensstiftendes Potential. In der islamischen Tradition trägt Gott unter anderem den Namen: As-Salam: der Friede. Auch die Bibel kennt diesen Gottestitel. Zu den großartigen Friedensvisionen der jüdisch-christlichen Schrift gehört die Hoffnung auf die Völkerwallfahrt zum Zion. „Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg des Hauses des HERRN / steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. / Zu ihm strömen alle Nationen. Viele Völker gehen / und sagen: Auf, wir ziehen hinauf zum Berg des HERRN / und zum Haus des Gottes Jakobs. Er unterweise uns in seinen Wegen, / auf seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn vom Zion zieht Weisung aus / und das Wort des HERRN von Jerusalem. Er wird Recht schaffen zwischen den Nationen / und viele Völker zurechtweisen. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden / und ihre Lanzen zu Winzermessern. Sie erheben nicht das Schwert, Nation gegen Nation, / und sie erlernen nicht mehr den Krieg. Haus Jakob, auf, / wir wollen gehen im Licht des HERRN.“ (Jes 2,2-5). Gott ist Gott über alle Menschen und Völker. Nationale und andere politische Interessen binden ihn nicht. Jeder Mensch ist sein Geschöpf, sein Ebenbild. Gott lässt sich nicht für nationale Interessen gebrauchen und einbinden, nicht für politische oder andere menschliche Eigeninteressen. Wer einen Menschen tötet, tötet Gottes Ebenbild. Jeder, der aus Schwertern Pflugscharen schmiedet, arbeitet mit am „Traum“ Gottes von einer Welt des Friedens. Manche Texte auch der Heiligen Schrift sprechen Gott als Kriegsherrn an. So hören wir Christen an jedem Osterfest die Botschaft vom Sieg Gottes über die mächtigen Ägypter. Heutige Bibelausleger erklären uns, dass sich in diesen Aussagen die Hoffnung von Opfern der Gewalt findet, dass Gott seine Macht nutzen möge, die Kriegstreiber in die Schranken zu weisen. Gott möge das Unrecht und die Gewalt beenden. Gott schafft Frieden und Gerechtigkeit, die Gewalttäter können sich vor ihm nicht in Sicherheit wiegen. Wenn wir beten und Gottesdienst feiern, geben wir den Opfern von Gewalt, Krieg und Terror eine Stimme. Wir erinnern die Aggressoren an ihre Verantwortung, denn vor Gottes Gericht sind sie klein und ohnmächtig. Sie werden Rechenschaft geben müssen. Den Kleinen und den Opfern der Gewalt und des Krieges geben wir eine mächtige Stimme, wir halten das Unrecht in Erinnerung und erinnern an ihre Würde, die Würde jedes einzelnen Menschen, der nie nur Teil einer Nation ist, sondern Individuum, von Gott gewollt und geliebt.
Die Welt braucht Friedensarbeiterinnen und –arbeiter, die Gott ihre Hände, ihren Verstand und ihr Herz leihen, der Frieden will und nicht Krieg. Sie braucht Menschen, die Phantasie entwickeln, für den Frieden zu arbeiten, der mehr ist als das Schweigen von Waffen oder die militärische Bedrohung mit dem Frieden verwechseln. Wir sind dankbar für Menschen, die zeigen, dass Frieden und Versöhnung nicht Schwäche bedeuten oder Kapitulation vor der Gewalt des anderen, sondern dass es gerade starke Menschen sind, die aus der Spirale der Gewalt und Gegengewalt aussteigen. Heute danken wir vor Gott für Ihren Mut, liebe Gäste, und wir beten darum, dass Gott die Herzen vieler bewegen möge, in seine Logik des Friedens einzusteigen.