Die biblischen Aussagen über den heiligen Geist schildern ihn genauso: ohne Geist Gottes herrscht Stillstand, aber wenn er weht, verändert er viel, bringt er Leben und Bewegung, macht Druck und Unruhe. Dabei ist eine solche Geisterfahrung nicht immer angenehm. Oft sind die Ruhe und die Gewöhnung scheinbar besser. Der frühchristliche Theologe Tertullian hat einmal gesagt: „Christus hat gesagt, ich bin die Wahrheit, nicht die Gewohnheit“. Wenn etwa ein Konzil in der Kirche eine Erfahrung des Geistes Gottes ist, dann bestätigt es nicht nur bisher Gewesenes. Bis heute etwa streiten verschiedene Gruppen in der Kirche über das letzte Konzil unserer Kirche: für die einen eine pfingstliche Stunde, weil es manche Bewegung brachte, für andere Ursache zahlreicher Übel. Nicht jede Veränderung ist schon Wirkung des Geistes, aber jede Begegnung mit dem Geist verändert. Daher gilt es etwa in der Kirche immer zu prüfen, was dem Willen Gottes entspricht. Das ist weder das Beharren auf dem Althergebrachten allein, noch automatisch das Neue. Nach jedem Konzil in der Kirchengeschichte lassen sich ähnliche Streitigkeiten nachweisen. Auch im Leben eines einzelnen Menschen kann es bewegende Geisterfahrungen geben. Unsere Pfingstlieder beschreiben solche Erfahrungen: der Geist soll wärmen, was erkaltet ist, bewegen, was verhärtet ist. Keiner ist wohl von solchen Erstarrungen frei, jeder braucht immer wieder frischen Wind. Auch in meinem persönlichen Leben gilt: nicht jede Veränderung ist Wirken des Geistes, aber jede Begegnung mit dem Heiligen Geist verändert. Wer immer nur Bestätigung seiner Gewohnheiten und Meinungen sucht, wird den Geist nie erfahren können.
Der Wind kann wehen, wie er will, wenn da nicht Segel sind, die sich nach ihm ausrichten, bleibt das Schiff stehen. Der Geist kann wehen, wie er will, wenn der Mensch sich ihm nicht öffnen will, geschieht nichts. Wenn sich in unseren Gemeinden nichts mehr bewegen sollte, wenn wir kalt und hart werden, liegt es nicht am Geist Gottes. Der weht. Aber er findet kein Material, das er mit seiner Kraft gestalten kann. In den kleinen Städten am Ijsselmeer stehen schöne alte Kirchen mitten im Zentrum. Was liegt näher, als sie zu besuchen und ein wenig Stille und Ruhe zu suchen? Wenn man durch das Hauptportal einer dieser Kirchen tritt, steht man mitten in einem Kaufhaus für Bekleidung, in der ersten Etage befindet sich die Babyabteilung. Dort sieht man noch die alten Kirchenfenster, vor denen mittlerweile aber Kinderkleidung steht. Auch eine weitere Kirche in der Nachbarschaft ist mittlerweile eine Kneipe. Ehrlich gesagt, war ich tief erschüttert, auch unsere Jugendlichen, die dies gesehen haben, waren irritiert. In jeder dieser Städte stehen Kirchen leer bzw. sind mittlerweile Kinos, Gaststätten oder Warenhäuser. In einer Stadt ist die zentrale mittelalterliche Kirche von der Größe einer großen Stadtkirche Veranstaltungshalle, die eigentliche Stadtkirche an den Rand gerückt. Irgendwann gab es keine Menschen mehr, die diese Kirchen mit Glauben und Leben erfüllten. Wir können nur beten, dass unsere Kirchen mit Leben gefüllt bleiben. Am Geist Gottes jedenfalls liegt es nicht, wenn kein Leben mehr wahrnehmbar ist, sondern es fehlen die Segel, auf die er treffen und durch die er etwas bewegen kann. Ein schöner Kirchenraum allein ist noch keine Überlebensgarantie. Es braucht die Menschen, die ihn mit Gebet erfüllen. Sie merken es einem Kirchenraum an, ob dort gebetet wird. Das aber ist die Aufgabe eines jeden Gläubigen: sozusagen die Segel aufzuhalten für den Geist, offen zu sein für seinen Willen, sich immer wieder neu einzustellen auf die Richtung, in die der Geist uns führen will. Ich bekomme Post von Menschen, die sich um die christliche Zukunft unseres Landes sorgen. Die Sorge teile ich, allerdings darf sich christliche Identität und Stärke nicht dadurch entfalten, dass sie andere schlecht macht, sondern indem glaubenden Menschen sich dem Evangelium und seinem Wort öffnen und den Heiligen Geist wirken lassen. Christsein entfaltet sich nicht in der Opposition gegen Andersdenkende, sondern im überzeugten Leben und der christlichen Praxis.
In diesem Sinne feiern wir heute Pfingsten und beten intensiv und dringlich um den Heiligen Geist. Dass er wärmt, was erkaltet ist, und auflöst, was verhärtet ist, dass er neues Leben und neue Hoffnung schenkt. Jedem einzelnen von uns, unseren Gemeinden, der ganzen Kirche und der Welt. Denn natürlich lässt sich der Geist nicht einschränken auf unsere Kirche. Er weht, wo er will. Überall will er verändern und bewegen. Möge er überall Menschen finden, die den Mut haben, loszufahren und sich von ihm bewegen zu lassen.