Liebe Gemeinde in Viernheim!
In unseren Kirchen finden sich die für unseren Glauben bedeutsame Orte, an denen die Sakramente gespendet werden und das Wort Gottes verkündet wird. Das sind nicht nur steinerne Kunstwerke, sondern Orte, an denen sich Himmel und Erde berühren. Es sind Orte der Wandlung. Am Taufbrunnen nimmt Gott den Menschen als sein Kind an, Schuld wird getilgt, neues, ewiges Leben wird geschenkt. Am Ambo, dem Ort der Wortverkündigung, wird der Buchstabe zur Verkündigung, zum Zeugnis. Wer dort das Wort verkündigt, trägt das Wort Gottes vor, das scharf sein kann wie ein zweischneidiges Schwert.
Der Hebräerbrief spricht in einem eindrucksvollen Satz von seiner Wirkung: „Lebendig ist das Wort Gottes, wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert; es dringt durch bis zur Scheidung von Seele und Geist, von Gelenken und Mark; es richtet über die Regungen und Gedanken des Herzens“ (Hebr 4,12). Von hier geht das Wort aus in die Gemeinde, und wer es hört, soll verändert, verwandelt von hier weggehen. Gerade der Hebräerbrief richtet sich an eine müde gewordene Gemeinde, die das Wort hört, aber es verändert nichts mehr. Dieser Brief beginnt ja wie mit einem Paukenschlag, an Weihnachten haben wir die Worte wieder gehört: „Vielfältig und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; am Ende dieser Tage hat er gesprochen durch den Sohn“ (Hebr. 1,1f.). Hier spricht nicht irgendjemand, hier wird das unüberbietbare Wort Gottes verkündet, ja, hier kommt das lebendige Wort selbst zur Sprache. Das Wort, das hier verkündet wird, will neu in die entschiedene Nachfolge Christi rufen. Es ruft zur Entscheidung, dass Seele und Geist sich neu orientieren, dass wir zu Botinnen und Boten Christi werden, Zeugen des lebendigen Wortes. Hier können wir von Hörerinnen und Hörern zu „Christus-Täterinnen“ und „Christus-Tätern“ werden.
In der Kirche finden sich Orte der Wandlung. Es ist gut, dass wir uns an einem solchen festlichen Tag der Altarweihe und der Segnung anderer Orte in dieser Kirche daran erinnern und dazu ermutigen lassen. Nicht immer ist das so einfach.
Davon spricht ein bekanntes Gedicht von Lothar Zenetti:
„Frag hundert Katholiken, was das Wichtigste ist in der Kirche.
Sie werden antworten: Die Messe.
Frag hundert Katholiken, was das Wichtigste ist in der Messe.
Sie werden antworten:
Die Wandlung.
Sag hundert Katholiken, dass das Wichtigste in der Kirche die Wandlung ist.
Sie werden empört sein und sagen:
„Nein, alles soll bleiben wie es ist“!
Das ist sicher zugespitzt, aber dieser Text führt uns zu dem hin, was am Altar geschieht, den wir heute weihen. An ihm feiern wir das tiefste Geheimnis unseres Glaubens, die Hingabe Jesu, der sich selbst zur Opfergabe macht und uns hineinnehmen will in das Geheimnis seiner Hingabe. An diesem Altar vollzieht sich Verwandlung.
Als Jesus das Paschahmahl in der Tradition seines Volkes feiert, vergegenwärtigt er die große Befreiungstat Gottes: das Volk wird aus der Knechtschaft Ägyptens befreit. Wenn der Fromme das Brot aß und den Wein trank, war er dabei, wurde dieses Ereignis für ihn Gegenwart.
Jesus nimmt das Brot und spricht dabei: Das ist mein Leib für euch; er nimmt den Kelch und spricht: Das ist das Blut des Bundes, das für euch vergossen wird. Es sind nicht mehr nur Brot und Wein. Leib und Blut werden gewandelt in das Sakrament seiner Hingabe und seiner bleibenden Gegenwart. Er wird gegenwärtig als derjenige, der sich hingibt in Liebe zu uns. Das Brot ist nicht mehr nur Brot, es ist Sakrament, es ist seine Gegenwart.
Das ist die erste Verwandlung. Das Brot verwandelt er in seinen Leib und den Wein in sein Blut.
Es gibt eine zweite Verwandlung. Bei der Gabenbereitung bringen wir in Brot und Wein Dinge unserer Welt, Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit. Die Gabenbereitung ist eine Gelegenheit, in diesen Zeichen unser Leben zu ihm zu bringen. Da gibt es vielleicht manches, was uns Freude bereitet. Unsere Freude können wir ihm hinhalten, Dank sagen für vieles. Es gibt aber auch manches, was uns Sorge bereitet, was uns traurig macht, wo wir uns allein fühlen. Das bringen wir zu ihm. Und wir bitten um Verwandlung. In der Wandlung der Eucharistiefeier wird in Brot und Wein ein Stück unserer Schöpfung verwandelt, das, was wir ihm bringen, wird verwandelt. Es kann uns deutlich werden, dass es keinen gottlosen Raum in unserer Schöpfung gibt, dass er da ist, dass er wirkt, dass er unsere Trauer in Freude verwandeln möchte. Würde sich unser Leben nicht wirklich in dem Glauben verändern können, dass er in unser Leben hineinkommt? Und wo er ist, soll Leben sein, soll Freude sein. Das ist die zweite Verwandlung: unsere Schöpfung, auch mein persönliches Leben, wird verändert zum Raum seiner Gegenwart.
Es gibt eine dritte Verwandlung. Nach der Wandlung der Gaben bittet der Priester auch um den Geist, der die Gemeinde zum Leib Christi umgestaltet. Schenke uns deinen heiligen Geist, „damit wir alle ein Leib und ein Geist werden in Christus“ (II. Hochgebet). Es geht in der Eucharistiefeier nie allein um die Privatfrömmigkeit des einzelnen Glaubenden. Wir alle werden in einer Weise Gemeinschaft, die wir uns nicht selbst schenken können. Eine Gemeinde ist nie Selbstzweck, und ein Gottesdienst wird nicht dadurch wertvoll, dass wir uns zur Gemeinschaft erklären. Christus verwandelt uns in seinen Leib. Du sollst das werden, was du empfängst, nämlich Leib Christi, sagt Augustinus, der große Theologe, sinngemäß. Vor allen Aktivitäten in der Gemeinde, so wichtig sie auch sind, macht uns Christus zu einer Gemeinschaft, die Menschen so nie schaffen könnten. Der andere gehört zu mir wie ein Teil an einem Leib, weil Christus uns zu einer Gemeinschaft im Geist umformt.
Und schließlich findet eine vierte Verwandlung statt. Wir essen seinen Leib und trinken sein Blut, wir werden dadurch zu einem Tempel Gottes, wir werden zu einem Tabernakel, zu seinem Zelt, in dem er wohnt. Wir sollen darstellen, was wir feiern und empfangen. Christus gewinnt in uns Gestalt, er bekommt durch uns Hand und Fuß. Eucharistiefeier wurde ja nie so verstanden, dass ich in den Genuss seiner Gegenwart komme, und damit ist es genug, sondern derjenige, der Christus empfängt, wird ein zweiter Christus und setzt Christus in der Welt gegenwärtig. Jeder von uns ist eine Monstranz Christi, denn wir werden ja gesandt mit dem Auftrag, unseren Glauben öffentlich zu machen. Die Fußwaschung ist ein Sinnbild für christliches Leben in der Nachfolge Christi. So sollt auch ihr einander tun, sagt er. Hier werden wir mit offenen Augen und Ohren vielfältige Möglichkeiten des Dienens und des Füreinanderdaseins finden.
Das wichtigste an der heiligen Messe ist die Wandlung, sind die vielen Wandlungen. Nichts und niemand sollte bleiben, wie vorher. Als das II. Vatikanische Konzil von der lebendigen Teilnahme aller Gläubigen sprach, meinte es nicht nur, wie es manchmal verstanden wurde, dass möglichst viele irgendetwas tun. Das hat auch manchen Aktivismus in die Liturgie gebracht, die vom Wesen wegführt. Zunächst meinte es die innere Teilnahme, die Bereitschaft, sich einzugeben und sich verwandeln zu lassen, das eigene Leben in den Wirkungsbereich Gottes zu bringen. Wir weihen heute den Altar, möge er zu einer wirklich aktiven, inneren Teilnahme einladen, die alle bereit macht, sich verwandeln zu lassen.
Ein Gebet des hl. Papstes Johannes XXIII. will ich zu unserem Gebet heute machen: „Erneuere in unserer Zeit deine Pfingstwunder. Gewähre der heiligen Kirche, dass sie mit Maria, der Mutter Jesu, einmütig und inständig im Gebet ausharre und unter der Führung des heiligen Petrus das Reich des göttlichen Erlösers ausbreite, das Reich der Wahrheit und der Gerechtigkeit, das Reich der Liebe und des Friedens.“