Als Christ will ich an der Seite aller unschuldig Leidenden stehen. Als Kirche setzen wir uns für humanitäre Hilfe und zukunftsorientierte Lösungen ein, auch wenn wir keine einfache Antwort sehen. Demokratie zu schützen, das kann nicht allein auf die Politikerinnen und Politiker abgewälzt werden.
Viele Menschen erheben sich in diesen Tagen gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus. Als Christ und katholischer Bischof von Mainz schließe ich mich dieser Bewegung gerne an.
Als Christinnen und Christen vertreten wir in diesen Fragen keine Sondermoral, sondern erinnern an die Werte, die uns seit Jahrhunderten verbinden. Menschen jüdischen Glaubens fühlen sich in unserem Land zunehmend unsicher und bedroht. Sie vermissen eine klare Solidarität. Seit dem 7. Oktober sind sie erneuten Anfeindungen auch bei uns ausgesetzt. Als christliche Glaubensgemeinschaft stehen wir an ihrer Seite. Ich spreche nicht als Politiker; der Krieg im Gaza-Streifen bringt für zahllose Menschen Elend und Not. Deutlich ist: Die Hamas führt auch die palästinensische Bevölkerung ins Elend. Friedensperspektiven sind nicht in Sicht. Als Christ will ich an der Seite aller unschuldig Leidenden stehen. Als Kirche setzen wir uns für humanitäre Hilfe und zukunftsorientierte Lösungen ein, auch wenn wir keine einfache Antwort sehen.
Hier im Lande gewinnen zudem immer mehr aggressive fremdenfeindliche Töne die Oberhand. Besonders Migrantinnen und Migranten werden zum Feindbild, sie seien zu „re-migrieren“. Damit ist eine Grenze überschritten. Zu meinem christlichen Menschenbild gehört: Jeder einzelne Mensch hat Würde, unabhängig von seiner Herkunft, seinem Geschlecht, seiner Religion. Zu einem Rechtsstaat gehört das politische Bemühen, jedem einzelnen Menschen die Möglichkeit zu eröffnen, sich zu entfalten und ein gutes Leben zu führen. Es versteht sich von selbst, dass jeder Mensch dabei an das geltende Recht des Staates gebunden ist. Zur biblischen Überzeugung gehört auch: Gerade die Fremden, die Armen, die Schutzbedürftigen brauchen Unterstützung und Hilfe. In Europa müssen wir gemeinsam Antworten finden auf alle Fragen von Flucht und Asyl, und die Menschenrechte und die Menschenwürde müssen dafür der Maßstab sein. Es kann nicht sein, dass Geflüchtete den Preis zahlen für die Unfähigkeit der Politik in Europa, Lösungen zu finden. Der Umgang mit Geflüchteten ist eine Frage der Würde, auch unserer eigenen.
Sorge machen mir die Spaltungen in der Gesellschaft, die sich im hasserfüllten Denken und Sprechen ausdrücken. Es gilt, den Hass zu überwinden, denn ein demokratisches Miteinander kann so nicht gelingen. Deshalb laden wir als Kirchen ein, miteinander ins Gespräch zu kommen. Ich will nicht nur mahnen, sondern auch daran erinnern: Hilfswerke wie Caritas und Diakonie zeigen: Es ist möglich, Menschen mit Fluchthintergrund zu integrieren. Viele Menschen, gerade Kinder und Jugendliche setzen positive Zeichen, setzen Zeichen gegen Hass und Extremismus. Gerade junge Menschen spüren, dass sie die Welt zum Guten verändern können.
Demokratie zu schützen, das kann nicht allein auf die Politikerinnen und Politiker abgewälzt werden. Unser Miteinander konstruktiv zu gestalten, ist Aufgabe von uns allen. Als Kirchen bieten wir uns an, weiter für Menschen zu arbeiten, die hierherkommen, um ein menschenwürdiges Leben führen zu können. In den politischen Debatten kommen bestimmte Gruppen nicht vor, für die wir als Kirche besonders eintreten: die vulnerablen Menschen, unbegleitete Jugendliche, Menschen mit Handicap, Opfer von Menschenhandel. In den extremistischen Narrativen werden Bilder von Geflüchteten erzeugt, die nicht der Realität entsprechen. Natürlich gilt es, Sorgen ernst zu nehmen, dazu braucht es aber seriöse Gespräche und die Bereitschaft, sich nicht mit rechtsextremen Parolen zu begnügen. Das Motto der katholischen Caritas in diesem Jahr lautet: „Friede beginnt bei mir“. Auch für die Demokratie trägt jeder und jede Verantwortung. Deswegen ist niemand vergeblich hier.