Zum Thema "Frauenordination" in der Katholischen Kirche

Bischof Peter Kohlgraf zum Beitrag von Christiane Florin in der Allgemeinen Zeitung vom 14.10.2017

Bischof Kohlgraf (c) Bistum Mainz
Datum:
Mi. 18. Okt. 2017
Von:
Bischof Kohlgraf
Frau Christiane Florin hat am vergangenen Samstag zur Frauenordination an dieser Stelle geschrieben. Auch ich nehme wahr: Viele unserer Liturgien sind männlich dominiert, ganz zu schweigen von Sitzungen der Bischofskonferenz oder von Bischofstreffen in Rom, die ich erleben konnte.

Es ist schon ein irritierendes Bild, wenn über Themen der kirchlichen Zukunft diskutiert wird, und zunächst unabhängig von der Weihefrage die Hälfte der Kirchenmitglieder institutionell nicht dabei ist. Ich kann die Kritik nachvollziehen, und die Zusammensetzung von Beratungsgremien oder liturgischen Diensten ist ja keineswegs in Stein gehauenes Gesetz. Und nicht nur die Frauen sind von vielen „Macht“-fragen ausgeschlossen, sondern auch die Mehrzahl der Männer, die ebenfalls nicht auftauchen, weil zu viele Themen von Macht über die Jahrhunderte an das Weiheamt gekoppelt wurden. Da ist noch viel zu verändern, auch in der Diözese Mainz.

Eine kleine Minderheit bestimmt über eine große Mehrheit: „Die Laien sind schlicht die riesige Mehrheit des Gottesvolkes.“ (Papst Franziskus). Der Papst macht immer wieder auf den Dienstcharakter des kirchlichen Amtes aufmerksam – dies ist leicht gesagt. Natürlich hat ein Bischof Macht auch im weltlichen Sinne, und es müsste auch einmal gefragt werden, welche Anteile hier dem Evangelium wirklich entsprechen und wie der Dienst als solcher geleistet werden kann. Allein dass wir über Zulassung zu Macht-Ämtern in der Kirche Jesu Christi diskutieren, zeigt, dass insgesamt etwas falsch gelaufen ist. Ich gebe zu, dass mich diese Fragen persönlich beunruhigen.

Aber zurück zu der Frage der Frauenordination. Als ich in der Talkrunde dazu Stellung nahm, gab ich eine der traditionellen Begründungen gegen eine Weihe der Frau etwas verkürzt wieder: Christus war Mann, und der Priester repräsentiert ihn. Als Bischof, damals noch vor der Weihe, bin ich selbstverständlich an die Aussagen des päpstlichen Lehramts gebunden. 1994 hat Papst Johannes Paul II. die Frage entschieden, Papst Franziskus hat die Aussage bekräftigt. Wenn ich als Bischof der katholischen Kirche hier eine Loyalitätspflicht sehe und diese in einer Debatte äußere, degradiere ich mein Gegenüber nicht zum „Frolleinchen“, wie Frau Florin unterstellt. Ich selbst sehe mich im Gehorsam gegenüber der Aussage der Päpste. Das bedeutet nun nicht, dass ich dem Thema der Frauenordination nicht intensiver nachgehen will und um Antworten ringe.

Die Debatte über die Zulassung von Frauen zum Weiheamt ist nicht neu, und Frau Florin sagt ehrlich, dass es nicht allein um die Zulassung zum Diakonat geht. Die Argumente sind von beiden Seiten ausgetauscht, und da Frau Florin die lehramtlichen kennt, muss ich sie nicht wiederholen. Ob wir angesichts der Gender-Thematik heute über Geschlechterrollen neu nachdenken müssen, ist eine berechtigte Frage, der sich auch das Lehramt nicht entziehen darf. Über Menschenbilder müssen wir reden: Gott ist nicht eher Mann als Mensch geworden (wie Frau Florin bei einigen Bischöfen herauszuhören meint), aber Mensch kann ich nach der geltenden Lehre vom Menschen nur als Mann oder als Frau sein. Gibt es von der Natur des Menschen her vorgegebene Wesensmerkmale? Die traditionelle Theologie sagt „Ja“. Mir ist klar, dass ein derartiges Verständnis heute hinterfragt wird, und das Lehramt kann nicht den Kopf in den Sand stecken und so tun, als sei jede Gegenposition nur Unsinn. Die Gegner der kirchlichen Position jedoch auch nicht!

Tatsächlich haben sich Theologen bis ins 19. Jahrhundert wenig mit der Frage der Frauenordination befasst, sie war (auch gesellschaftlich bedingt) kein relevantes Thema. Dennoch stimmt es nicht, dass heutige kirchliche Argumente allein ein Produkt des 19. Jahrhunderts sind. Im Neuen Testament und in der frühchristlichen Theologie finden sich Motive, welche im 19. Jahrhundert aufgegriffen werden. (etwa die Typologie von Jesus als Bräutigam, der Kirche als Braut im Epheserbrief).

Kann die Kirche heute eine Tradition verändern, die im 2. Jahrhundert abgeschlossen war, ohne an die eigene Identität zu rühren? Wenn die Tradition eine vom Geist gelenkte ist, ist es nicht so einfach. Vor dieser Grundfrage stehe ich als Bischof, und ich suche nach Antworten. Ob Kritiker der kirchlichen Position so selbstverständlich den Willen des Geistes Gottes erkennen? Ich tue es jedenfalls nicht. 

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