Wie viel Platz brauche ich um mich herum? Wann kommt mir jemand zu nahe? Und spreche ich grenzüberschreitendes Verhalten an? Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Präventionsschulungen machen den Selbsttest. „Sie trainieren, was ihnen gut tut, und lernen, dass Bedürfnisse nach Nähe und Distanz unterschiedlich sind“, schildert Dr. Elisabeth Eicher, zurzeit Beauftragte des Bistums für Prävention, eine Schulungssituation.
Zu wissen, dass ein gutes Verhältnis von Nähe und Distanz wichtig ist, gehört zu einer „Kultur der Achtsamkeit“, zu einem guten Umgang mit anderen, vor allem mit Kindern, Jugendlichen und schutzbedürftigen Personen. In einem unguten Arbeitsklima, zum Beispiel mit einem rüden Umgangston, gibt es eher Grenzverletzungen, weiß die Präventions-Beauftragte. „Sexualisierte Gewalt und sexueller Missbrauch sind sozusagen das Ende der Fahnenstange. Grenzüberschreitendes Verhalten beginnt bereits früher.“
Seit 2010 gibt es die Koordinationsstelle Prävention im Bistum Mainz mit verschiedenen Verantwortlichen für Schulen, Krankenhäuser, Jugendarbeit und Gemeinden. Elisabeth Eicher ist seit 2010 Beauftragte zur Umsetzung der Prävention in den Gemeinden und ihren Einrichtungen und auch auf Bundesebene für das Bistum Mainz unterwegs. Sie merkte schnell, dass die Präventionsarbeit sehr komplex ist.
„Die Schulungen, die zwischen 2012 und 2014 im Bistum durchgeführt wurden, waren noch Großgruppenveranstaltungen.“ Alle hauptamtlichen Mitarbeiter sowie alle, die eng mit Kindern zu tun haben, wurden bis 2014 geschult. Neue Kirchenmitarbeiter nehmen an einer Intensiv-Schulung teil. Große Gruppen gibt es jedoch nicht mehr, heute nehmen nicht mehr als 20 Personen an einer Schulung teil. „Wir haben festgestellt, dass wir eine andere Herangehensweise brauchen“, berichtet Elisabeth Eicher. Auch speziell auf die verschiedenen Berufsgruppen ausgerichtete Module seien erforderlich.
Die aktuelle MissbrauchsStudie (MHG-Studie), die vergangene Woche vorgestellt wurde, bringt neue Herausforderungen für die Präventionsarbeit im Bistum. Die Studie empfiehlt vor allem, die von Missbrauch Betroffenen mehr zu hören. „Bereits jetzt ist vorgesehen, dass an Präventionskonzepten Kinder und Jugendliche zu beteiligen sind“, erläutert die Beauftragte. Die Frage sei jetzt, „auf welche Weise wir auch Betroffene hier mehr einbinden können“.
Prinzipiell – auch das ein Ergebnis der Studie – sei das Präventionskonzept leichter in den kirchlichen Einrichtungen umzusetzen, „die einen hohen Organisationsgrad aufweisen wie beispielsweise Pflegeheime, Schulen oder Kindertagesstätten“. Sie hätten mit ihrem Qualitätsmanagement bereits bestehende Strukturen, in die Prävention leichter zu integrieren sei. Pfarrgemeinden dagegen hätten einen eher niedrigen institutionellen Organisationsgrad. Schon allein durch die Zusammenarbeit mit wechselnden Ehrenamtlichen und dadurch, dass vieles an Einzelpersonen hängt, gebe es weniger feste Strukturen, in die sich Präventionsarbeit leicht einfügen lässt. „Da meistern die benannten Präventionskräfte vor Ort eine große Aufgabe“, sagt Elisabeth Eicher.
Vor einer weiteren großen Herausforderung stünden die Diözesen, um bistumsübergreifende Standards zu setzen – in Schulungsumfang, Schulungsmaterial und Personalaufwand. Da jedes Bistum rechtlich eigenständig ist, sei das nicht einfach, merkt die Beauftragte an. Im Bistum Mainz stehen mehr Ressourcen für Prävention in Aussicht. „Es wird einen Personalwechsel geben. Jemand soll die Beauftragung übernehmen, der nicht wie ich noch eine andere Aufgabe hat“, sagt Elisabeth Eicher, die auch Direktorin des Bildungswerks der Diözese Mainz ist. Der oder die neue Beauftragte könne sich ganz auf das Thema Prävention konzentrieren.
Ansprechpartner, Adressen, Schulungs-Informationen und Handreichungen unter: https://praevention.bistummainz.de