Seit Jahrzehnten stehen in dieser Kapelle der Hl. Liborius und der Hl. Martin nebeneinander. Die Überlieferung erzählt, dass die beiden Freunde waren. Martin prägt meine kirchliche Herkunft. Liborius wird meine kirchliche Zukunft sein. Meine bisherige geistliche Erfahrung sagt mir: Gott hat Humor. Und: Er handelt durch Fügung und spricht zu uns durch Zeichen. Mir ist es ein Trost, den Hl. Martin in meinem neuen Zuhause zu wissen.
Als ich nach meiner Vorstellung im Paderborner Dom am Nachmittag zum ersten Mal das dortige Bischofshaus als mein künftiges Zuhause besucht habe, hat man mir auch die Kapelle im Haus gezeigt. Ich schaute mich um. Wie wird das werden? Werde ich hier ein neues Zuhause finden? Die Kapelle ist ein schlichter Raum. An der Wand steht auf einer Konsole der Heilige Liborius – der Paderborner Bistumspatron. Direkt neben ihm entdeckte ich einen mir sehr vertrauten Heiligen: den hl. Martin mit seinem Schwert, dem geteilten Mantel und dem Bettler. Der Hl. Martin war also schon da in meinem künftigen Zuhause!
Ganz ehrlich, das sehe ich als Zeichen. Seit Jahrzehnten stehen in dieser Kapelle der Hl. Liborius und der Hl. Martin nebeneinander. Die Überlieferung erzählt, dass die beiden Freunde waren. Martin prägt meine kirchliche Herkunft. Liborius wird meine kirchliche Zukunft sein. Meine bisherige geistliche Erfahrung sagt mir: Gott hat Humor. Und: Er handelt durch Fügung und spricht zu uns durch Zeichen. Mir ist es ein Trost, den Hl. Martin in meinem neuen Zuhause zu wissen.
Der Hl. Martin prägt meine kirchliche Herkunft. Meine erste Stelle als Kaplan direkt nach der Priesterweihe war Worms, zwei Innenstadtpfarreien – der Dom und eben St. Martin. 1000 Jahre St. Martin war damals eine große Jubiläumsfeier. Mit den Jugendlichen der Pfarrei bin ich während des Jubiläumsjahres der Frage nachgegangen: Wo greift die Botschaft des Heiligen Martin in der Gegenwart? Merkwürdig: Diese Frage von damals zieht sich wie ein roter Faden durch all die Jahre meines priesterlichen Wirkens durch bis heute. Die Überlieferung erzählt, dass der Hl. Martin in Worms vor dem röm. Kaiser seine Waffen abgelegt hat, um künftig dem wahren Friedensfürsten – Christus – zu dienen. Was dient dem Frieden, war unsere Frage als junge Generation damals bei einer großen Podiumsdiskussion. Und heute? Wie sehr treibt uns heute diese Frage wieder um! Mit meiner neuen Sendung im Erzbistum Paderborn habe ich mir auch ein neues bischöfliches Leitwort gewählt: Gott die Ehre – den Menschen Frieden! Was dient dem Frieden? Diese Frage wird mir auch weiterhin ein Stachel im Fleisch meines Dienstes in der Kirche bleiben!
Seit ich zum Weihbischof geweiht war, gehörte der Festgottesdienst unseres Bistumspatrons Martin hier im Dom zu meinen Aufgaben. Jahr für Jahr Anlass, die Botschaft dieses Heiligen für das Heute zu erschließen. Der Martinstag selbst, der 11.11, war für mich in den letzten 9 Jahren kein Fasnachtstag, sondern ein Tag der Begegnung mit Menschen in Not: Projektbesuche bei der Caritas gehörten für mich zu diesem Tag dazu: Die Geste der Mantelteilung – wo wird sie heute konkret gelebt in einer dienenden Kirche? Ich bin sehr dankbar für all die Erfahrungen, die ich in meiner Verantwortung für die Caritas in unserem Bistum machen durfte: Caritas ist Kirche. Hier wird das Evangelium gepredigt durch die konkrete, helfende, dienende Tat, durch die sensible Wahrnehmung der verborgenen Not inmitten unsrer oft so mit sich selbst beschäftigten Gesellschaft und auch inmitten der so oft mit sich selbst beschäftigten Kirche. Dieser Teil meiner Verantwortung – die Caritas – war mir besonders nah und hat mir viel Ermutigung gegeben. Ich danke allen, denen ich hier begegnen und mit denen ich zusammenarbeiten durfte und von denen ich viel lernen konnte. Eine dienende Kirche beschränkt sich nicht auf den professionellen Zweig der Caritas. Not wahrnehmen, darin Christus erkennen und angemessen Antwort geben, das ist die Grundhaltung unseres ganzen kirchlichen Handelns. Der Hl. Martin bleibt mir auch hier weiterhin ein Stachel im Fleisch meines Dienstes in der Kirche.
Welche Kraft die Botschaft des Heiligen Martin für das Heute hat, das haben wir alle in den letzten Jahren erfahren, seit wir uns auf den Pastoralen Weg begeben haben: Der Gedanke des Teilens ist für uns der Schlüssel schlechthin geworden für eine Antwort auf die Frage, wie wir als Bistum Mainz in Zukunft Kirche sein wollen: Leben teilen, Glauben teilen, Verantwortung teilen, Ressourcen teilen. Ich bin sehr dankbar, dass ich gemeinsam mit Dir, lieber Bischof Peter, und mit den vielen anderen, die sich dafür engagieren, diese herausfordernde, aber auch so intensive Aufbruch- und Umbruchsphase unseres Bistums mitgestalten durfte: Danke für Dein Zutrauen! Danke für dein Vertrauen! Danke für deine Weggemeinschaft in den zurückliegenden Jahren!
Leben teilen, Glauben teilen: Es gäbe so vieles zu benennen, wofür ich dankbar bin. Den jungen Menschen im Haus der kirchlichen Berufe, denen ich als Regens und Ausbildungsleiter Wegbegleiter sein durfte – und wahrscheinlich auch oft genug eine Herausforderung, wenn nicht gar Zumutung für sie war. Manchmal war es eine Last. Vor allem aber war es ein Geschenk, junge Menschen bei ihrer Suche nach einem sinnstiftenden Leben und ihrer Berufung begleiten zu dürfen. Ich habe dabei selbst so viel gelernt! Wir haben als Hausgemeinschaft mit den Schwestern und allen Studierenden und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wirklich Leben und Glauben geteilt.
Leben teilen, Glauben teilen: Da denke ich auch mit Dankbarkeit an die unzähligen Begegnungen in den Gemeinden bei meinen Visitationen und Besuchen aus ganz verschiedenen Anlässen: Das waren oft die schönsten Tage in meinem Dienst. Zu erleben, warum und in welch vielfältiger Weise sich Menschen in unseren Pfarreien engagieren, hat mir Kraft gegeben. Mein Büro hatte das immer hautnah erlebt: Wenn ich – meistens donnerstags – im Bistum unterwegs war, dann ging es mir immer gut: die Gespräche mit den pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Gremien und vor allem mit den Ehrenamtlichen an den Abenden – geteiltes Leid, gemeinsame Anliegen und die gemeinsame Freude, den Glauben zu feiern: Das hat mir viel Inspiration gegeben. Dadurch hat sich oft mein Blick verändert auf die Themen in den Konferenzen, Steuerungsgruppen und Dienstgesprächen an den anderen Tagen im Ordinariat. Danke Ihnen allen!
Leben teilen, Glauben teilen: Das bedeutet auch Freundschaft und Weggefährten. Ich war nie allein unterwegs. Menschen, die mit auf dem Weg sind, geben mir viel Halt: meine Familie, Freundschaften, aber auch die Gebetsverbundenheit mit Menschen durch all die Jahre hindurch. Ich weiß, wie kostbar das ist, wenn jemand sagt: „Ich bete für dich! Wir sind im Gebet verbunden!“ Wenn ein solches Versprechen keine leere Floskel ist, dann ist es ein echter Halt. Danke für diese Weise der Weggemeinschaft!
Leben teilen, Glauben teilen. Da gehen meine Gedanken mit Dankbarkeit auch zurück zu Menschen, mit denen ich Wegstrecken gehen durfte und die nicht mehr leben: mein erster Chef, Propst Wolf, Weihbischof Guballa, Kardinal Lehmann. Jeder von ihnen hat mich auf seine Weise geprägt. Ich bin dankbar für all das, was ich durch sie gelernt habe. Ich bin der geworden, der ich bin – auch durch sie. Und ich bin und bleibe ihnen dankbar verbunden, auch wenn es in mancher Hinsicht eine Ambivalenz gibt, die nicht einfach ist.
Der Hl. Martin ist uns auch Inspiration für die beiden anderen Optionen des Pastoralen Weges. Ressourcen teilen, Verantwortung teilen: Die schwerste Aufgabe, die ich für die Kirche von Mainz übernommen habe, war zweifelsohne seit 2017 das Amt des Generalvikars. Die schwindenden Ressourcen – jeder Art – haben uns alle vor enorme Herausforderungen gestellt. Es gab viel Aufbruch. Es gab aber auch schwierige und harte, dennoch notwendige Entscheidungsprozesse. Vertrauen für die Zukunft aufzubauen bedeutete: längst überfällige Reformschritte gehen. Licht in die dunkle Ecke der Vergangenheit bringen. Kirchliches Handeln und Entscheiden auf eine neue Basis stellen. Das alles wäre nicht möglich gewesen, hätte es nicht diesen gemeinsamen Willen so vieler, und zwar auf allen Ebenen des Bistums gegeben, aufzubrechen, diesen Weg zu wagen und bei allem notwendigen Ringen miteinander dennoch an einem Strang zu ziehen. Dafür bin ich allen Mitarbeitenden im Ordinariat und den Haupt- und Ehrenamtlichen in den Gemeinden und Einrichtungen sehr dankbar!
Wir haben erfahren, was möglich wird, wenn man Verantwortung miteinander teilt! „Verantwortung teilen“ heißt nicht: Verantwortung auseinanderreißen. Bedeutet nicht: Verantwortungsdiffusion. Verantwortung teilen heißt: Lasten teilen, indem man gemeinsam für etwas einsteht! Diese Überzeugung gemeinsamer Verantwortung ist mir zu einem Herzensanliegen geworden: Ich bin sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, das Amt des Generalvikars in gewisser Weise „neu zu definieren“ mit dem Konstrukt der Bevollmächtigten. Liebe Frau Rieth: Danke für Ihre Bereitschaft, sich auf diesen neuen Weg an der Spitze der Bistumsleitung einzulassen! Danke für die Art und Weise, wie Sie diese Aufgabe ausfüllen! Danke für unser Miteinander! Diese Art der gemeinsamen Verantwortung wirkt sich hoffentlich weiter aus auf die verschiedenen Ebenen unseres Bistums. Was durch gemeinsame Verantwortung möglich wird, durfte ich auch erfahren im Miteinander der Bistumsleitung, dem Domkapitel, der Dezernentinnen und Dezernenten und den Verantwortlichen im Steuerungs- und Strategiebereich, mit denen ich täglich unmittelbar und eng zusammenarbeiten durfte. Danke für ihr Vertrauen! Danke für das gemeinsame Führen und Entscheiden und dann auch für das gemeinsame Einstehen, wenn unsere Entscheidungen schwierige Resonanzen hervorgerufen haben. Das gilt auch für diejenigen, mit denen ich durch all die Jahre hindurch im Team ganz unmittelbar zusammengearbeitet habe. Ein gutes Miteinander setzt viel Energie frei – vieles war möglich, weil wir als Team-GV ein gutes Miteinander hatten! Besonders danke ich den beiden langjährigen Weggefährten, Frau Raster und meinem Referenten Fabian Krämer!
Leben teilen, Glauben teilen, Ressourcen teilen, Verantwortung teilen – wo das geschieht, kommt es auch zu Fehlern, Versagen, ungerechtem Urteil und Schuld. Und mein Wirken in diesem Bistum ist nicht frei davon. Nicht immer war es mir direkt in der Situation und persönlich möglich, mich zu entschuldigen, warum auch immer. Deshalb möchte ich heute noch einmal grundsätzlich um Vergebung bitten bei denen, denen gegenüber ich ungerecht war oder schuldig geworden bin.
„Niemals geht man so ganz…“ Das gilt auch für mich heute: Ich hoffe und wünsche mir, dass in meinen 35 Jahren hier in Mainz manches von meinem Wirken nicht umsonst war, sondern bleibt. Sicherlich aber bleibt dieses meine innere, geistliche Heimat. Diesem Bistum habe ich so vieles zu verdanken! Vergelt’s Gott für alles! Zurück zur Kapelle im Bischofshaus in Paderborn: Dort hat der Hl. Martin seinen Platz. Und er bleibt dort, komme was wolle! Und neben ihm steht der Hl. Liborius. Und auch der bleibt dort! Und wenn ich in der Kapelle auf die beiden schaue, weiß ich immer, woher ich komme und wohin ich jetzt gehöre.