Die Musikwelt feiert in diesem Jahr den zweihundertsten Geburtstag von César Franck. Aus diesem Anlass widmete Regionalkantorin Eva-Maria Anton dem Jubilar ein ganzes Konzertprogramm: Am Sonntag, dem 15. Mai 2022, spielte sie im fünften Kirchenkonzert in St. Bonifatius ab 16 Uhr die berühmtesten Orgelwerke des französischen Großmeisters.
Die Ankündigung dieses Konzerts hatte interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer nicht nur aus Bad Nauheim und der Wetterau zum Besuch der St. Bonifatius-Kirche bewegt - einige waren sogar aus Frankfurt, Hanau und Darmstadt angereist.
Ihnen allen war sicherlich bewusst, dass sie an diesem Sonntagnachmittag Orgelmusik der ganz besonderen Art hören würden:
Quasi als Summe seiner Orgelmusik und Vermächtnis an die Nachwelt schrieb César Franck in seinem letzten Lebensjahr die „Trois Chorals pour Grand Orgue“, welche Eva-Maria Anton nach der „Prélude, Fugue et Variation op. 18“ in den Mittelpunkt ihrer „Hommage à César Frank“ stellte. In diesem Hauptwerk seiner organistischen Kompositionsweise manifestiert Franck seine vorzügliche, an den Klassikern geschulte Setzkunst und seinen untrüglichen Instinkt beim Gebrauch der Farbkontraste der Orgel.
Weil die LINK-Orgel der Bad Nauheimer St. Bonifatiuskirche in französischer Disposition gebaut ist, konnte Eva-Maria Anton die vom Komponisten selbst stammenden Registrierungshinweise direkt umgesetzen, so dass sich der überreiche Ausdruck der genialen Komposition unmittelbar mitteilte.
Die technischen Voraussetungen dafür waren erst bei der Kirchenrenovierung geschaffen worden: Dank eines großzügigen Spenders wurde die Link-Orgel vollkommen „ausgereinigt“, d. h. alle 2.185 Pfeifen wurden einzeln ausgebaut, gesäubert, neu intoniert und wieder eingebaut. Vierunddreißig Register hat die Bonifatius-Orgel insgesamt, verteilt auf ein Hauptwerk, ein Schwellwerk und ein Pedal. Im Franck-Konzert konnten nun erstmals wieder „alle Register gezogen“ werden, vor allem auch solche, welche in „normalen Gottesdiensten“ nur selten zu hören sind - über die große Klangfülle des Instruments konnte man nur staunen!
Eva-Maria Anton benötigte im wahren Sinne des Wortes „alle Hände und Füße“ dafür, die kunstvoll ineinander verschlungenen Melodie- und Akkordfolgen auf den zwei Manualen und dem Pedal gleichzeitig erklingen zu lassen. Für das blitzschnelle Ziehen und Hineinschieben der Registerzüge bei den zahlreichen Klangfarbenwechseln waren deshalb links und rechts von der Organistin zusätzlich noch eine Registrantin und ein Registrant im Einsatz, welche diese anspruchsvolle Aufgabe mit Bravour bewältigten.
So konnten die Orgelvirtuosin und ihre Assistenz gemeinsam den wahren Klangfarbenrausch entfesseln, welchen der geniale französische Großmeister ursprünglich für seine Orgel in der Pariser Ste-Clotilde-Kirche komponiert hatte. Dabei meisterte Frau Anton die schnellen Akkord-und Melodiefolgen ebenso souverän wie die bewegten Bassläufe und stufte die gesamte Lautstärkeskala vom gewaltigen Pedalklang bis zum zarten Schwellwerkflüstern werkgerecht und differenziert ab.
Nicht enden wollte der Applaus nach diesem unvergesslichen Konzert: Immer wieder musste Eva-Maria Anton an die Brüstung der Orgel-Empore kommen, um die standing ovations der begeisterten Zuhörerinnen und Zuhörer entgegenzunehmen.