Schmuckband Kreuzgang

Exerzitien

Auszeit, den Alltag hinter sich lassen, etwas für sich selbst tun

2023_05_26_Exerz_Tit (c) J.v.Bischoffshausen
Datum:
Fr. 26. Mai 2023
Von:
Johanna v. Bischoffshausen

Danach sehnt sich wohl jeder Mensch, und das sollte man "exerzieren", einüben, damit es einem gut geht. Das geistlich-religiöse Einüben in der katholischen Kirche geht auf Ignatius v. Loyola (1491-1556) zurück, den großen Mitbegründer des Jesuitenordens, der ein Exerzitienbuch schrieb, um den Gläubigen zu zeigen, wie Gott sich im Alltag, im Profanen, finden lässt.

Vier Wochen "verbunden gelebt"

Für die katholische Kirche St. Bonifatius ludt Monika Schuck-Purpus, tätig in der Klinik- und Altenheimseelsorge und in der Trauerbegleitung, zu vier besonderen Wochen ein, die unter dem Titel "verbunden leben" standen. Anhand eines Kalenders, ausgearbeitet von der Erzdiözese München und der Evangelisch-Lutherischen Kirche Bayerns, konnten die knapp zwanzig Teilnehmenden Anregungen zur Meditation und Impulse für den Tag mitnehmen.

Während in der ersten Woche die Verbindung zu Gott und den Mitmenschen im Vordergrund stand, ging es in der zweiten Woche um die innere Wüste; darum, unverbundene, vielleicht sogar negative Beziehungen und Prägungen zu erkennen und sich abzugrenzen. Dies gelingt in erster Linie durch die Konzentration der inneren Kräfte hin zu Gott, der zu einer "freien Bindung" führt, wie in der dritten Woche die Überschrift lautete.

Bei den Teilnehmenden kamen auch Traurigkeit und Unverständnis für gescheiterte, abgebrochene Beziehungen zur Sprache, die, auch wenn z. B. durch Tod oder Unversöhnlichkeit eine Aussprache nicht mehr möglich ist, akzeptiert werden müssen.
Hier spielte das "Gebet der liebenden Aufmerksamkeit" von Ignatius v. Loyola eine große Rolle, das die Gläubigen täglich in Liebe auf sich selber zurückblicken ließ.

Sei still und erkenne, dass ich Gott bin.
Sei still und erkenne, dass ich bin.
Sei still und erkenne.
Sei still.
Sei.

(John O´Donohue, irischer Philosoph u. Priester, 1956-2008)

In Gemeinschaft die "Tiefendimension der Urverbundenheit" erfahren

Wichtig hierbei ist auch die Perspektive: Vielleicht verstehe ich den Anderen besser, wenn ich die Situation einmal aus seiner Position betrachte, meine Sichtweise in Frage stelle. Ich kann lernen, mich in Krisen anders zu verhalten, alte Gewohnheitsmuster ablegen. Ignatius nennt dieses Umdenken "agere contra", sich "entgegen gesetzt verhalten".

Es geht also auch darum, einen gesunden Abstand zu sich selbst zu gewinnen, sich ganz auf Gott hin auszurichten, wodurch die "Tiefendimension der Urverbundenheit", wie es im Kalender heisst, erfahren werden kann. Die Geschichte des barmherzigen Samariters zeigt, dass die Grenzen von Religion, Zugehörigkeit überwunden werden können.

Aber nicht nur mit Gott, den Mitmenschen und sich selber sollte der Mensch eine gesunde Verbundenheit leben sondern mit "allem was lebt", da alles von Gott gesegnet ist.

Dieses Empfinden, gesegnet zu sein, prägte somit vor allem den letzten Abend: Zunächst fanden die Teilnehmenden im kreativen Teil kleine Zettel mit den wichtigsten Bibelzitaten der letzten Wochen auf den Tischen verteilt. Mithilfe von Bunt-, Filz- und Aquarellfarben konnten hierzu nach freier Phantasie Bilder gestaltet werden. Anschließend wurde in sehr persönlichen Ausführungen und Gebeten Rückblick auf die gemeinsame Zeit geworfen, für die alle sehr dankbar waren: "Es ist eine echte Gemeinschaft gewachsen". Um diese in besonderer Weise vor Gott zu tragen, sprachen sich alle in der Runde gegenseitig den Segen Gottes zu, eine Geste, die eigentlich in jeder Gemeinschaft Platz finden sollte.

2023_05_26_Exerz_Teilnr (c) J.v.Bischoffshausen