Ukrainekrieg, Klima, Pandemie: Für viele Kleinbäuerinnen und Kleinbauern im Süden ist der Faire Handel ein Rettungsanker.
Und es ist gut, dass es in diesen Krisenzeiten auch positive Nachrichten gibt: Im ersten Halbjahr 2022 stieg die Menge an fair gehandelten Waren, die in Deutschland verkauft wurden, um mehr als fünf Prozent. Nach den Zahlen des Fairtrade e.V., der das gleichnamige Siegel vergibt, liefen Kakao, Tee, Kaffee und Bananen besonders gut. Auch dem Weltladen Bad Nauheim halten die Kunden die Treue – trotz Krisenstimmung, Inflation und Preiserhöhungen auch bei fair gehandelten Waren. Für die Kleinbäuerinnen und -bauern im Süden der Welt ist diese Treue zum Fairen Handel derzeit besonders wichtig.
Denn die Folgen der Klimakrise, der Pandemie und des russischen Angriffskriegs haben die Nahrungsmittelproduktion und auch die Transport-Möglichkeiten von Waren schwer beeinträchtigt. „Im laufenden Jahr 2022 haben die kriegs- und pandemiebedingte Inflation sowie ausbleibende Getreidelieferungen ein großes Loch in die ohnehin schwierige Ernährungsversorgung vieler Länder im Süden gerissen“, sagte unlängst Dagmar Pruin, die Präsidentin des evangelischen Hilfswerks Brot für die Welt. Dazu kommen viele Engpässe bei der Lieferung von Waren vom globalen Süden in den Norden.
Aus diesen Gründen ist die Zahl der Hungernden wieder gestiegen. Nach dem UN-Ernährungsbericht wuchs ihre Zahl seit 2019, dem Jahr vor der Pandemie, um 150 Millionen auf 825 Millionen. Allein im ersten Halbjahr dieses Jahres sind dabei 46 Millionen hinzugekommen. Die Krisen treffen die Ärmsten besonders hart.
In dieser Lage bietet der Faire Handel für Millionen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern sowie für Kleinunternehmen eine Art Rettungsanker. Denn für Lebensmittel wie Kakao, Tee oder Kaffee zahlen die Fair-Trade-Händler Preise, die weit über den Marktpreisen liegen. Da die Lebensmittel fast immer nach ökologischen Kriterien angebaut werden, gibt es noch einen Ökozuschlag. Von diesen Erlösen werden in vielen Dörfern Schulen und kleine Gesundheitszentren gebaut. Oft ist der Faire Handel mehr als „bloße“ Überlebenshilfe. „Stabile Erzeugerpreise und ein zusätzlicher finanzieller Aufschlag geben den Produzenten gerade in Krisenzeiten Stabilität und stärken ihre Resilienz“, heißt es in einer aktuellen Studie zur Wirkung von Fairtrade.
Andererseits kann der Faire Handel mit einem Marktanteil von zwei Prozent am Welthandel die weltweite Krise alleine nicht entschärfen. „Wir sind dankbar, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher weiter globale Solidarität zeigen und zu fair gehandelten Waren greifen. Es darf aber nicht sein, dass die Verantwortung alleine auf ihnen lastet“, appelliert Claudia Brück vom Fairtrade e.V. Für sie ist die Politik gefragt, „jetzt Nachhaltigkeit und einen gerechten Welthandel durch Steuererleichterungen zielgerichtet zu fördern“.
Wie dies gehen könnte, demonstrierte der ehemalige Entwicklungshilfeminister Gerd Müller mit seinem Vorschlag, die Kaffeesteuer für fair gehandelten Kaffee abzuschaffen. Dies hätte den deutschen Staat gerade einmal 40 Millionen Euro im Jahr gekostet, gleichzeitig aber die Absatzchancen von fair gehandeltem Kaffee verbessert. Dennoch wurde die Idee nicht aufgegriffen. In der gegenwärtigen Krise wäre es besonders wichtig, dass die Politik über eine Förderung des Fairen Handels neu nachdenkt.