Eva-Maria Anton und Shawn Mlynek beeindrucken mit kontrastreichem Programm für Orgel und Tenor in der St. Bonifatiuskirche: Über 300 Jahre spannte sich der Bogen beim Konzert am vergangenen Sonntagnachmittag an St. Bonifatius. Regionalkantorin Eva-Maria Anton und der aus den USA stämmige Tenor Shawn Mlynek präsentierten zehn Titel (davon vier für Orgel solo) von Claudio Monteverdi (1567-1643) bis zum 1890 geborenen tschechischen Tonsetzer Bohuslav Martinu. Aus dessen nahezu 400 Kompositionen umfassenden, hierzulande wenig bekannten, Oeuvre trug Shawn Mlynek ein von der Folklore seiner böhmisch-mährischen Heimat geprägtes anrührendes Lied vor - einfühlsam begleitet von seiner Partnerin an der Orgel.
Mlynek - seit 2020 Dozent für Gesang am Institut für Kirchenmusik des Bistums Mainz - beeindruckte von Beginn an mit seiner so filigranen wie markanten Stimme, die jedoch gegen die widrige Akustik im Kirchenraum "anzusingen" hatte.
Auf den in den Vereinigten Staaten seit den frühen 1930er Jahren populären David W. Guion (Präsident Roosevelt war einer seiner Fans) mit dessen,von den Gesängen der Cowboys aus seiner texanischer Heimat inspirierten song "At the cry of the first bird" folgte Samuel Scheidts Partita über "Da Jesus an dem Kreuze stund" für Orgel solo. Sie ist Teil seines 1624 erschienenen Hauptwerks "Tabulatura Nova" und gilt als epochemachendes Werk der deutschen Orgelmusik. Eva-Maria Anton zeigte sich dessen spieltechnischen Anforderungen mit seinem eindrucksvollen Schlußsatz voll gewachsen.
Claudio Monteverdis "Marienvesper" wird 1610 veröffentlicht und ist Papst Paul V. gewidmet. Mlynek trug die Hohelied-Motette "Nigra sum" aus diesem berühmten Sakralwerk des Frühbarock vor. Es war ein erstes highlight in dem nachmittäglichen Konzert. Einmal mehr überzeugten die Interpreten mit exaktem Zusammenwirken.
Felix Mendelssohn war mit zwei Arien aus seinem "Elias"-Oratorium sowie dem Präludium/Fuge d-moll und der Sonate A-Dur für Orgel solo vertreten. Präludium und Fuge steigern sich zu wahrhaft Bach'schen Dimensionen und verlangen dem Interpreten alles ab. Mit der kongenialen Interpretation dieses Meisterwerks zeigte Eva-Maria Anton einmal mehr die souveräne Beherrschung ihres Instruments. Gleiches gilt für die großartige A-Dur-Sonate mit ihren Kadenzen über mehrere Oktaven und weiteren technischen Finessen.
Mendelssohns im Jahr 1846 uraufgeführtes Oratorium "Elias" handelt in seinem ersten Teil vom alttestamentarischen Propheten, der sich gegen den Baalskult der Kanaaniter auflehnt und für seinen Gott Jahwe kämpft.
Aus diesem Teil trug Shawn Mlynek die Arie "So ihr mich von ganzem Herzen suchet" vor - mit großem Einfühlungsvermögen.
Der zweite Teil zeigt Elias am Tiefpunkt seines Wirkens zeigt, bis ihm in einer Theophanie sein Gott Jahwe erscheint. Mit neuem Mut zieht er in den Kampf gegen die Anhänger des Baalskults und fährt schließlich in einem Feuerwagen zum Himmel auf.
Aus diesem Teil erklang die Arie "Dann werden die Gerechten leuchten". Auch hier beeindruckte Shawn Mlynek einmal mehr durch saubere Stimmführung und präzise Diktion.
Johannes Brahms' elf Choralvorpiele für Orgel solo sind sein letztes, 1896 entstandenes und 1902 posthum erschienenes Werk. Die Mehrzahl der Stücke ist den Themen Tod und Ewigkeit gewidmet. Das von Eva-Maria Anton intonierte zweite Vorspiel "Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen" basiert auf einem der bekanntesten, 1630 publizierten geistlichen Gedichte des Barock.
Mit Henry Purcells 1688 entstandener "Evening hymn" ("Now that the sun hath veiled his light") klang ein stimmungsvolles Konzert nach langanhaltendem Beifall aus.