Schmuckband Kreuzgang
Pfarrer Herbert Jung (c) Martin Knipf

Predigt von Pfarrer Herbert Jung anlässlich seines 50jährigen Priesterjubiläums am 16.06.2024

Pfarrer Herbert Jung
Datum:
Mi. 26. Juni 2024
Von:
Herbert Jung

Ziel: Kirche nimmt derzeit ab – ihre Zellen schrumpfen, statt zu wachsen wie es Krebszellen tun. Als Ausweg dient die Botschaft der Auferstehung. Darum lade ich ein, aufzustehen.

 

Liebe Zuhörer

Jeden kann es treffen, selbst Königshäuser sind nicht davor gefeit. Die Rede ist von der schrecklichen Krankheit Krebs. Sie breitet sich aus wie schleichendes Gift, überfällt Magen, Darm, eine stillende Mutterbrust, Haut und Hirn und findet stets neue Nahrung in einem Körper. Ärzte stehen ratlos da, Patienten erst recht. Viele forschen und wissen bisher nur das eine, Zellen fangen an wie wild zu wachsen, fressen sich durch Körper wie Raupen durch das Blattwerk eines Baumes. Sie tun es mit rasender Geschwindigkeit und merken noch nicht einmal, dass sie damit ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen. Denn stirbt ihr Wirt, also ihre Nahrungsquelle, dann geht es auch ihnen an den Kragen. Am Ende gibt es keine blühende Krebszelle, nur eine tote, wie die Leiche eines Menschen auch.

 

Genau umgekehrt, liebe Christen, verläuft der Prozess bei unserer Kirche in dieser Zeit. Da wachsen keine Zellen, da nehmen Zellen ab, selbst die Kloster-Zellen bleiben leer. Gemeinden vergreisen, Ordenshäuser schließen, Priesterseminare sind leer, auch katholische Fakultäten schließen ihre Tore. ---Kleine Ausnahme: Die Kirchlichen Verwaltungen  -  sie sind auch schon vom Krebs befallen und wachsen, wachsen stetig weiter !! …..Und gab es je eine Phase, da Kirche profanisiert, verkauft, ja sogar abgerissen wurden? Gewiss unter Kommunistischer Herrschaft geschehen und in vielen Kriegen… Aber wir leben hier in Frieden… noch! – muss man heute sagen.

Auch hier gibt es Forscher und Auguren, die ihre Augen nicht verschließen vor dem was ist, die sich keineswegs zufrieden geben mit der gefährlichen These, es handele sich um eine fällige Gesundschrumpfung. Vereinfacht formuliert, die lauen Christen werden wir los, sind ohnehin nicht zu gebrauchen, die guten bleiben und sind dann wirklich Licht für die Welt (Mt 5,14).

 

Doch wer sich verabschiedet, ihm kann man nicht einfach unterstellen, er habe ohnehin nicht geglaubt, und die Betroffenen wehren sich auch gegen solche Interpretation ihres Tuns. Viele sagen: Ich glaube weiterhin an Gott, ich bete auch zu ihm, ich habe auch gar nichts gegen ihn. Nur dieser Verein Kirche, der kann mir gestohlen bleiben.

 

Ist das nicht inkonsequent? Sie könnten dann doch auch bleiben. Denn von Gott gehört -  über ihn gesprochen das war doch eine von unseren Kirchen – wer denn sonst !

 

Und warum tun sie’s nicht? Als Hauptgrund nennen zumindest die Medien den Missbrauchsskandal. Eine Kirche, die Moral predigt, die Freude an der Sexualität den Menschen verdirbt, sie als teuflisch abstempelt und gleichzeitig sich an Kindern vergeht, sie kann nicht erwarten – wirklich nicht – dass sie Menschen Schutz und Heimat bietet. Bester Grund, zu gehen, aber wohin? Denn eine ganze Gesellschaft kennt den Kindesmissbrauch, selbst Familien.

 

Zudem sind nicht alle Christen Täter, auch nicht alle Hauptamtlichen, auch nicht alle Mitarbeiter/innen der katholischen und evangelischen Kirche. Es sind nur einige, aber ohne Zweifel zu viele. Es darf niemand Kinder missbrauchen, Abhängige vergewaltigen, Behinderte zu Opfern machen – einfach niemand. Und trotzdem gilt es, differenziert hinzuschauen: Die Herde besteht nicht nur aus schwarzen Schafen, nein, sie kennt eine Riesenmenge an weißen, und die sind auch heute Morgen gerade hier, die bzw. sie zu übersehen, wäre eine Missachtung ihres Engagements, heißt es doch in der Schrift: „Was sieh’st du den Splitter im Auge des anderen, aber nicht den Balken im eigenen“ (Mt 7,3).

Dieser Hinweis hat nichts mit Vertuschung zu tun, sondern will davor warnen, nicht neues Unrecht zu erzeugen.

 

Für andere ist die Kirchensteuer ein Dorn im Auge. Warum einen Verein bezahlen, der einst Hexen verbrannt im Namen Gottes, z.B. Jeanne d’Arc, der Kreuzzüge mit Kindern organisiert, der Indios zwangsrekrutiert, der ledigen Mutter die Tür gewiesen mit ihrem Kind, dem schwulen bzw. lesbischen Menschen den Arbeitsplatz – besser gesagt, die Existenzgrundlage – brutal wegradiert… Ach, die Liste ist zu Ende, aber nur heute Morgen. Warum noch eine Institution fördern und bezahlen, wenn wir schon dem Staat keine Steuer vorenthalten können, weil er damit auch Kriege und unsinnige Projekte finanziert, dann doch wenigstens der Kirche für ihre unmenschlichen Machenschaften.

 

Vielleicht, Sie gestatten, dass ich daran erinnere, vergessen diese Leute in ihrem Zorn und Ärger den Satz Jesu: „Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“ (Joh, 8,7).

 

Nun, leider bleibt die Frage: Was macht eine Kirche ohne Geld? Wer unterhält dann den Kölner Dom, die Hedwigs-Kathedrale in Berlin, die Kirche und ihre Orgel hier vor Ort, wer bildet dann zusätzliche Erzieher und Sozialarbeiter/innen an eigenen Hochschulen aus? Ist streng genommen Sache des Staates, wer finanziert dann Sozialleistungen von Caritas und Diakonie mit, wer baut dann Schulen in Somalia und Eritrea, eine katholische Uni in Bogota und in Tokio, das Kinderhospital in Bethlehem, die Kirchenmusik in St. Nikolaus. Nicht umsonst freuen sich ein deutscher und andere Staaten, dass Kirchen ihnen helfend unter die Arme greifen.

 

Von größter Bedeutung erscheint mir jedoch der folgende Vorwurf an unsere Kirchenleitung. Und da geht es wirklich an die Substanz, an das Wesen unserer Kirche. Er lautet: Ihr beschäftigt euch seit Jahren nur mit Randfragen, die uns zum Teil gar nicht interessieren. Wir wollen nämlich Spiritualität für Erwachsene, keine kindische Theologie, die Nähe Gottes spüren, wir wollen seinen Atem einholen, wir wollen beten lernen, wie es den Menschen gut tut. Ihr diskutiert über Strukturen, über Stellenpläne und Leitbilder, worüber sich nur das Papier freut, und über Verwaltungsaufgaben. Nichts aber, aber auch wirklich nichts davon, hat mit der Gottes-Frage zu tun. Wie schreibt der jüdische Rabbi Baruch: „So klagt Gott auch! Er hat sein Antlitz von uns abgewendet und sich vor uns verborgen, dass wir ihn suchen und finden. Wir aber suchen ihn nicht“ (Akt. Ls Nr. 122). Sondern – so ergänze ich – den Osterhasen“.

 

Ist gar keine Rettung? So fragt nicht nur der Rabe im Grimm’schen Märchen vom treuen Johannes… Doch, sagt der andere Rabe,es gibt Rettung, und das sage ich auch für unsere Situation hier.

 

Es gibt Rettung. Es findet sich eine Lösung nach dem jetzigen Exitus, zumindest eine Spur, wie es gelingen könnte, den Abwärtstrend zu stoppen  -  Kirche aus der Krise raus zu holen. Es ist der Auferstandene, den wir ja völlig begraben haben, wie Josef von Arimathäa damals.

Auferstehung spielt doch kaum eine Rolle, weder an der Spitze noch an der Basis der Kirche. Schauen Sie sich doch nur mal hier um. An der Wand hängen 14 Stationen – 14, die uns Verrat, Leid, Folter, Kreuz, Tod und Verzweiflung zweigen, und das Ganze vierzehn mal. Zudem ist hier vorne einer am Balken mächtig aufgehängt, zwei Begleiter rechts und links von ihm, in Schmerz gekleidet und nicht in Hoffnung, in den meisten Kirchen nicht anders. Selbst in der bayerischen Wies, die vor Gold und Glorie glänzt, steht mittendrin der nackte blutende Jesus. In Kapellen, an Feldwegen, in Zimmern zuhause, Bilder, Skulpturen der leidenden Mutter mit ihrem toten Sohn. Was ist da eigentlich passiert? Wie konnte der Auferstandene vergessen werden. Wie kam an die goldenen Kreuze ohne Körper der frühen Kirche plötzlich ein Sterbender dran, und wieso hat sich der durchgesetzt bis in unsere Tage?

 

Wie mag es dem Fremden ergehen, dessen Augen sich dieses Elend in unseren Kirchen anschauen müssen? Es ist doch nur Teil 1. Teil 2 ist der entscheidende bzw. die vergessene Station Nr. 15 - Gott sei Dank - neuerdings hier zu finden. Steh auf (vgl. Mt 9,5/11,5 Lk 7,14), hat der Mann von Nazareth seinen Zeitgenossen, fast wie einen Befehl, gesagt… niemals behauptet: knie nieder.

 

Aufstehen, das ist Jesu Programm, und damit auch das unsere als seine Gemeinde. Solche Worte lässt Menschen wirklich aufstehen, wenn sie niedergeschlagen, wird ihr Ohr größer werden und ihr Atem tiefer gehen. Wenn solches vermittelt wird, und vor allem gelebt, werden alle kommen

Die Bedrückten, die in Zwänge Geratenen, die Suchenden und bisher Ausgeschlossenen, sogar die Insassen der Gefängnisse: ja alle, die irgendwie Erlösung brauchen. Für sie und nur dafür ist Kirche da, um von der Auferstehung zu reden laut und deutlich….“damit unsere Pfarrgemeinden zu Orten werden, an denen wir die Lebendigkeit und Freude des auferstandenen Herrn erleben, der mit uns geht“….so Kardinal Sik (Südkorea, bei der Vorbereitung der Weltsynode am 29. April in Rom)

An dieser Stelle hege ich einen bösen Verdacht, der da heißt: Vielleicht haben die Mächtigen der Kirche – Vorsicht!, die gibt’s nicht nur oben, sondern auch in jeder Gemeinde – die Leidensgeschichten der Schrift missbraucht, um einzelne und ganze Gruppen klein zu halten, sie am Wachsen und Erwachsenwerden zu hindern. Völlige Pervertierung der Frohen Botschaft!!!

Meditation Herbert Jung

Wir können das ändern. Wir sind dazu mächtig genug, hier und heute:

 

Meditation

 

Aufsteh’n

Musst du üben

In die Wiege

Wurd’s dir nicht gelegt

 

Kopf hoch

Auf die Füße

Blick nach vorn

 

Mühsam war’s

Erinnert euch-

Wieder aufsteh’n

Nach dem Fall

 

Wird so bleiben

Lebenslang

Bis dem Liegenbleiben

Jede Lust vergangen

 

Auferstehung angesagt

Oft geübt

Ja für das Ende

Das klein’s ist (Jes 26,19)

 

HAJ 2024

 

Statt einem Amen lade ich jetzt ein, es sofort zu probieren, damit es in Fleisch und Blut übergeht und nicht vergessen wird: Das aufrechte Stehen vor dem Herrn, das Einüben der kommenden Auferstehung am Ende der Welt.

 

Die Gruppe hier vorne wird ihnen dabei helfen und Thomas Wilhelm an der Orgel auch. Langsam geht’s los, denn wir sich doch meistens am Liegen oder soll ich sagen am Schlafen?