Schmuckband Kreuzgang

Wort zur Woche

Bin ich geduldig?

Wort zur Woche (c) D. Thiel
Wort zur Woche
Datum:
So. 20. Dez. 2020
Von:
Dietmar Thiel

In jeder StadtPost Neu-Isenburg gibt es ein „Wort der Woche". Pfarrerinnen, Pfarrer und Vertreter der Kirchengemeinden aus Neu-Isenburg teilen ihre Gedanken zur Jahreszeit, zu Entwicklungen in unserer Gesellschaft oder zu Dingen, die sie aus christlicher Sicht bewerten, mit.

In der Ausgabe: Jahrgang 36, Ausgabe Nr. 51, Donnerstag, 17. Dezember 2020, veröffentlichte die StadtPost folgenden Artikel:

Bin ich geduldig?

Kürzlich wollte ich mein Essen in der Mikrowelle aufwärmen und habe 30 Sekunden auf dem Gerät eingestellt.  Als ich an der Mikrowelle stand und zusah, wie der Timer herunterzählte, öffnete ich die Tür bereits, als der Timer 12 erreichte. Ich hatte keine Geduld mehr, die vollen 30 Sekunden zu warten.  Wir wollen es jetzt, und wenn es nicht schnell genug geht, werden die Menschen ungeduldig. Moderne Geräte, wie meine Mikrowelle, insbesondere aber das Internet haben den Menschen das trügerische Versprechen gegeben, alles jetzt und sofort erhalten zu können. Schnell im Computer suchen, über Internet bestellen und schon wird am nächsten Tag ins Haus geliefert. Wer will da noch lange warten? Das bringt die Menschen an den Rand von etwas, dass noch gefährlicher ist als eine "Internetgesellschaft". Vielleicht erreichen wir gerade die Höhepunkte der "ungeduldigen" Gesellschaft.  Ich spüre, wie die Ungeduld in meine persönlichen Angelegenheiten eindringt.  Ich denke, dass die Tugend der Geduld heute wichtiger denn je ist. Gerade in dieser Zeit der Pandemie, in der es mehr Unsicherheit als eine Sicherheit gibt, hat Geduld die größte Bedeutung.

Die Adventszeit erinnert uns an den Wert eines geduldigen Wartens. Das Volk Israel wartete geduldig auf das Kommen des Herrn, wie es im Alten Testament prophezeit wurde.  Weihnachten war die Antwort: Die Menschwerdung Gottes.

Geduld ist ein wesentliches Merkmal von Jesus. Er war geduldig mit den Menschen. Geduld war ein entscheidendes Kennzeichen von allem, was Jesus auf seiner irdischen Reise tat.  Jede Lebenssituation kann verändert werden, wenn wir bereit sind, Geduld zu üben.

Geduld und Freundlichkeit werden in den kommenden Tagen wichtiger werden als je zuvor. Jeder Mensch hat unterschiedliche Erfahrungen mit der Pandemiesituation gemacht: Es kann der Verlust von Angehörigen oder eine wochenlange Genesung sein, um die Gesundheit der Infizierten wiederherzustellen,  es können Mütter und Väter im Homeoffice sein, die lernen müssen, wie man die eignen Kinder bei der Verlagerung des Schulunterrichts nach Hause begleiten kann, es könnten Menschen sein, die ihren Arbeitsplatz verloren haben und die versuchen, einen Weg durch das überlastete Arbeitslosensystem zu finden,  es könnte die Teilnahme am Online-Gottesdienst sein. Virtuell oder Präsenz ist das Gesprächsthema der Zeit! Nichts hatte uns darauf vorbereitet, dass dies geschehen wird.  Wenn wir uns wirklich bemühen, jedem, dem wir begegnen, Geduld und Freundlichkeit entgegenzubringen, können wir die Wunden der Pandemie heilen, die uns alle zutiefst treffen.

Die Welt fühlt sich jetzt wie ein fremder Ort an. Die unvorhersehbare und unsichere Situation erfordert Geduld und Warten.  Geduldiges Warten wird gute Nachrichten bringen.

Pater Biji Purakkeril, Kaplan – St. Josef, Neu-Isenburg