Schmuckband Kreuzgang

Wort zur Woche

Dem Herzen schenken

Wort zur Woche (c) D. Thiel
Wort zur Woche
Datum:
Do. 6. Okt. 2022
Von:
Dietmar Thiel

In jeder StadtPost Neu-Isenburg gibt es ein „Wort der Woche". Pfarrerinnen, Pfarrer und Vertreter der Kirchengemeinden aus Neu-Isenburg teilen ihre Gedanken zur Jahreszeit, zu Entwicklungen in unserer Gesellschaft oder zu Dingen, die sie aus christlicher Sicht bewerten, mit.

In der Ausgabe: Jahrgang 38, Ausgabe Nr.40, Donnerstag, 06. Oktober 2022, veröffentlichte die StadtPost folgenden Artikel:

Dem Herzen schenken

Als ich mir in den ersten Tagen meines Dienstbeginns bewusst etwas Zeit genommen habe, um Neu-Isenburg zu Fuß bzw. mit dem Fahrrad zu erkunden, fiel mir positiv auf, wie viele Menschen mir einen freundlichen Blick schenkten. Solch eine Offenheit hatte ich in einer so großen Stadt nicht erwartet – umso mehr hat es mich gefreut.

Vom Dichter Rainer Maria Rilke gibt es eine Geschichte, in welcher er von einer Bettlerin in Paris erzählt, die täglich mit ausgestreckter Hand am jeweils gleichen Platz sitzt. Eines Tages legt er ihr eine wunderschöne, aufgeblühte Rose in die offene Hand, woraufhin die Frau erstmals ihren Blick hebt, seine Hand küsst und mit der Rose davon geht. Erst nach einer Woche sitzt sie wieder am gewohnten Platz. Auf die Frage seiner Begleiterin, wovon die Bettlerin denn die vergangenen Tage gelebt habe, gibt Rilke zur Antwort: „Von der Rose…“.

Angesehen und wahrgenommen werden – das ist etwas, was uns Menschen gut tut; es nährt unsere Seele und ich finde, diese Erzählung zeigt sehr schön, wie sehr wir Menschen bedürftig sind nach echter Aufmerksamkeit und Zuwendung und diese so nötig haben wie das tägliche Brot.

Vielleicht fragen wir uns einfach mal: Wonach hungert unsere Seele? Was sind die „Rosen“, von denen wir leben und zehren? Und umgekehrt auch: Welche „Rosen“ dürfen unsere Mitmenschen durch uns erhalten und sich darüber freuen?

Denn so sehr wir zu verkümmern drohen, wenn uns die Wertschätzung fehlt, so sehr blühen wir andererseits auf, wenn uns solche zuteil wird. Und da braucht es nicht unbedingt die großen Taten und Werke – schon eine kleine Geste kann Wunder wirken: sei es ein freundlicher Blick, ein nettes Wort, ein Lächeln.

Mögen wir Beschenkte und Schenkende sein – sind es doch die Begegnungen, die unser Leben ausmachen…

 

Susanne Sturm, Gemeindereferentin in der Pfarrgemeinde St. Josef, Neu-Isenburg