Die katholische Position besagt, dass man Sex und Genderunterscheiden muss, aber nicht trennen kann. Hildegund Keul (Würzburg) zeigt auf, dass mit Papst Franziskus die Debatte neu eröffnet ist. Die Kirche kann zu einer solchen Versachlichung kann beitragen, indem sie eine spezifische Perspektive einbringt. Papst Franziskus hat dies kürzlich in „Amoris laetitia“ getan, was leider in der breiten Rezeption des neuen Lehrschreibens beinahe untergegangen ist. Dort heißt es:„Man darf nicht ignorieren, dass »das biologische Geschlecht (sex) und die soziokulturelle Rolle des Geschlechts (gender) unterschieden, aber nicht getrennt werden [können] «.“ (AL 56)
Erstmals wird in einem päpstlichen Lehrschreiben die Unterscheidung von Sex und Gender aufgegriffen und positiv verwendet. Ja, man kann Sex und Gender unterscheiden. Versuche, die Rede von „gender“ generell zu dämonisieren, werden damit abgelehnt. Zugleich gilt: Man kann Sex und Gender nicht voneinander trennen.
Versuche, die Rede von „gender“ generell zu dämonisieren, werden damit abgelehnt. Papst Franziskus ist hier aus sachlichen Gründen zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen wie der Genderflyer „Geschlechtersensibel. Gender katholisch gelesen“, den die Arbeitsstellen für Frauen- und Männerseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz im Herbst 2015 gemeinsam herausgegeben haben. Dort steht: „Die katholische Position besagt, dass man Sex und Gender unterscheiden muss, aber nicht trennen kann. Sie sind aufeinander bezogen, ohne sich ineinander aufzulösen.“
Hierzu abschließend noch ein Originalton von Papst Franziskus.
„Ebenso wenig darf man übersehen, dass in der Ausgestaltung der eigenen weiblichen oder männlichen Seinsweise nicht nur biologische oder genetische Faktoren zusammenfließen, sondern vielfältige Elemente, die mit dem Temperament, der Familiengeschichte, der Kultur, den durchlebten Erfahrungen, der empfangenen Bildung, den Einflüssen von Freunden, Angehörigen und verehrten Personen sowie mit anderen konkreten Umständen zu tun haben, welche die Mühe der Anpassung erfordern. Es ist wahr, dass man das, was männlich und weiblich ist, nicht von dem Schöpfungswerk Gottes trennen kann, das vor allen unseren Entscheidungen und Erfahrungen besteht und wo es biologische Elemente gibt, die man unmöglich ignorieren kann. Doch es ist auch wahr, dass das Männliche und das Weibliche nicht etwas starr Umgrenztes ist. Darum ist es zum Beispiel möglich, dass die männliche Seinsweise des Ehemannes sich flexibel an die Arbeitssituation seiner Frau anpassen kann. Häusliche Aufgaben oder einige Aspekte der Kindererziehung zu übernehmen, machen ihn nicht weniger männlich, noch bedeuten sie ein Scheitern, ein zweideutiges Benehmen oder ein Schande. Man muss den Kindern helfen, diese gesunden Formen des „Austausches“, die der Vaterfigur keinesfalls ihre Würde nehmen, ganz normal zu akzeptieren. Die Starrheit wird zu einer übertriebenen Darstellung des Männlichen oder Weiblichen und erzieht die Kinder und die Jugendlichen nicht zur Wechselseitigkeit, die in den realen Bedingungen der Ehe „inkarniert“ sind. Diese Starrheit kann ihrerseits die Entwicklung der Fähigkeiten eines jeden bis zu dem Punkt hemmen, dass man es schließlich für wenig männlich hält, sich der Kunst oder dem Tanz zu widmen, und für wenig weiblich, irgendeine Führungstätigkeit zu entwickeln. Das hat sich gottlob geändert. Doch mancherorts verengen gewisse unsachgemäße Vorstellungen weiterhin die legitime Freiheit und verstümmeln die echte Entwicklung der konkreten Identität der Kinder oder ihrer Möglichkeiten.“ (AL 286)
Quelle: Hildegund Keul ist Apl.-Professorin für Fundamentaltheologie und vergleichende Religionswissenschaft an der Universität Würzburg (www.verwundbarkeiten.de)
Den ganzen Bericht finden Sie hier http://www.feinschwarz.net/sex-und-gender-unterscheiden-aber-nicht-trennen/