„Gefangene besuchen…“ ist ein Werk der Barmherzigkeit; eines von sieben, zu denen Christen in der Bibel aufgerufen sind. Gefangene zu besuchen ist aber nicht so leicht, zumal man nicht einfach mal vorbeigehen kann, wenn es die eigene Zeit erlaubt. Im Dekanat Alzey-Gau-Bickelheim haben jetzt acht Ehrenamtliche einen Kurs abgeschlossen. In den kommenden Wochen und Monaten werden sie Gefangene der JVA Rohrbach besuchen.
Viele Gefangene sind sehr froh und dankbar, wenn jemand vorbeikommt und sich für ihre Situation und für ihr Leben interessiert. "Nicht wenige bekommen überhaupt keinen Besuch. Sie fühlen sich dann verlassen, vergessen und auch ausgegrenzt", erzählt Diakon Hubert Frank, Seelsorger in der JVA Rohrbach bei Wöllstein. Er verweist auf ein Bild, das Papst Franziskus verwendet hat:
„Gefängnisse brauchen Fenster und einen Horizont. Man kann nicht davon sprechen, dass jemand seine Schuld gegenüber der Gesellschaft abträgt, wenn er in einem Gefängnis ohne Fenster sitzt. Es darf keine menschliche Strafe ohne Horizont geben! Niemand kann sein Leben ändern, wenn er nicht einen Horizont sieht. Wir aber verbauen unseren Häftlingen oft genug das Blickfeld. Bitte sorgen Sie dafür, dass es in den Gefängnissen Ihrer Heimatländer immer Gefängnisse mit Horizont gibt!"
Die Gefängnisseelsorge in der JVA Rohrbach hat sich daher in Zusammenarbeit mit dem bisherigen Dekanat Alzey-Gau-Bickelheim entschlossen, Menschen zu suchen, die bereit sind, Gefangene in der JVA Rohrbach zu besuchen.
Zu einem ersten Infotag noch vor der Corona-Pandemie kamen zehn Frauen und Männer, die sich für dieses Projekt interessierten. Acht Personen waren dann bereit, sich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen und nahmen an der halbjährigen Vorbereitung teil, die sich dann aufgrund der mehrfachen Corona-Beschränkungen allerdings etwas in die Länge zog.
Viele Fragen wurden besprochen, Rollenspiele halfen, sich in die Gesprächssituationen einzufühlen. Außerdem erhielten die Teilnehmenden ein eigenes Lexikon zu den vielen ungewohnten Begriffe des Vollzugsalltags.
Am Ende der Vorbereitung stand eine Führung in der Anstalt, die von der Anstaltsleiterin Annabel Franzen und dem Chef der Beamten durchgeführt wurde. Besonders das Kennenlernen der Besuchsabteilung, in der die Besuche stattfinden werden, war für alle Teilnehmenden sehr wichtig. Anstaltsleiterin Franzen begrüßte die Initiative der ehrenamtlichen Besuche und bedankte sich bei den Anwesenden für ihr Engagement. "Dieses Engagement trägt dazu bei, dass die Gefangenen wieder einen Weg in die Gesellschaft finden", so Franzen.
Die ehrenamtlichen Seelsorgerhelfer:innen bekommen nun einen offiziellen Ausweis als Vollzugshelfer:in und dann beginnt ihre Tätigkeit. Die Anstalt sucht nun Gefangene aus, die keinen Besuch von ihren Angehörigen und Freunden erhalten und vermitteln diese an die Ehrenamtlichen. Diese wiederum entscheiden dann, wie oft sie ihre Besuche durchführen.
Die Ehrenamtlichen werden auch weiterhin von den hauptamtlichen Seelsorgern - dem evangelischen Gefängnisseelsorger Jörg Brauer, seinem katholischen Kollegen Diakon Hubert Frank sowie dem Alzeyer Diakon Andreas Mangold - begleitet. Denn auch in der Begegnung mit den Gefangenen wird es immer wieder Fragen und Unsicherheiten geben, die dann in der Gruppe besprochen und geklärt werden können.
"Das ehrenamtliche Tun macht immer dann viel Freude, wenn man nicht alleine damit ist und so in diese Tätigkeit langsam hineinwachsen kann", so Diakon Frank. "Dann wird es für alle fruchtbar und bereitet Freude und Erfüllung."
Die Situation von Gefangenen ist auch Thema in den Gottesdiensten des kommenden Sonntags, denn im Bistum Mainz wird jedes Jahr am zweiten Sonntag im Juli der "Tag der Gefangenen" bedacht. Eine Arbeitshilfe für die Verwendung in der Liturgie kann an dieser Stelle heruntergeladen werden. Viele Bausteine sind in diesem Jahr in der JVA Rockenberg, einer Jugendhaftanstalt, im Gespräch des Seelsorgers Reiner Brandbeck mit den Insassen entstanden.
Die Erlöse der Kollekte am Tag der Gefangenen werden gezielt für Projekte in der Gefängnisseelsorge verwendet. So kann betroffenen Angehörigen von Gefangenen, Ehepartner:innen und Kindern, in finanziellen Notlagen geholfen werden, aber auch Gefangene können bei ihrem Weg in die Freiheit Unterstützung erfahren, z.B. mit Kleidung oder mit der Übernahme von Fahrtkosten an den Wohnort.
Einblicke in die Situation in der Abschiebungshaft in Ingelheim bietet eine Broschüre, die zum 20-jährigen Bestehen des ökumenischen Engagements in dieser Einrichtung erschienen ist. Neben evangelischen und katholischen Seelsorger:innen engagiert sich hier auch der Caritasverband für die Diözese Mainz, der eine unabhängige Rechtsberatung finanziert. „Obwohl der Freiheitsentzug die schärfste Sanktion unseres Rechtsstaates ist, wird die Abschiebungshaft immer noch zu schnell, zu oft und zu lange verhängt“, so Diözesancaritasdirektorin Nicola Adick anlässlich der Auswertung der Arbeit des Rechtshilfefonds in der Ingelheimer Abschiebungshaft.
Broschüre 20 Jahre Ökumenisches Engagement in der Abschiebungshaft Ingelheim