St. Josephshaus:Gedenken an die russischen Kriegsgefangenen

Verletzte und erkrankte Kriegsgefangene wurden im von den Nazis enteigneten St. Josephshaus aufgenommen, wobei eine systematische Vernichtung vor allem serbischer und sowjetischer Kriegsgefangener vorangetrieben wurde, indem sie zu wenig und schlechtes Essen, schlechte bis keine medizinische Versorgung erhielten und zur Arbeit gezwungen wurden. In der Zeit zwischen 1941 und 1945 starben auf diese Weise über 440 sowjetische Kriegsgefangene, die man auf dem sogenannten „Russischen Soldatenfriedhof“ in Klein-Zimmern begrub. Wurden zunächst Holztafeln mit Grabnummern versehen, verschwanden diese nach dem Krieg spurlos. Die Verstorbenen verloren nicht nur ihr Leben, sondern mit dem Verlust ihres Namens und ihrer Geschichte auch noch ihre Würde.
Bis heute sind die Geschichten hinter den Verstorbenen noch immer nicht vollständig aufgeklärt. Um dies zu ändern, nahm sich der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. aus Frankfurt, unter der Leitung von Viola Krause, eines ehrgeizigen Bildungsprojektes an. Mit der Bischof-Ketteler-Schule und der Goetheschule Dieburg als zwei von vier Projektpartnern stellen Schülerinnen und Schüler der BKS-Abschlussklasse von Herrn Born Tontafeln mit den Namen und Lebensdaten der Verstorbenen her. Bislang konnten vom Volksbund durch aufwendige Recherchen etwa 380 Namen zugeordnet und etwa 130 Tontafeln hergestellt werden.
Die Gedenkveranstaltung fand statt, um mit der Einweihung der vom Volksbund gestifteten Informationstafel die Grabstätte zu einem Ort des Gedenkens, des Mahnens und des Lernens zu machen. Auf Russisch und Deutsch kann sich jeder Interessierte nun informieren, was vor 80 Jahren geschah. Die hergestellten Namenstafeln werden noch auf Holzstelen sichtbar gemacht. Zwei Urenkel des zu Tode gekommenen Nikita Larschin, Mike und Alexander Bagdonas, waren ebenfalls anwesend und befestigten die erste Tontafel. Nikita Larschin, ein Name unter zu vielen, geboren am 30.04.1903 in der Sowjetunion, starb am 10.04.1944 in Kriegsgefangenschaft unter den Nazis im St. Josephshaus. Mit der Nennung seines Namens und dem Benennen seines Schicksals erhält ihr Urgroßvater einen Teil seiner Würde zurück, denn „nichts ist schlimmer als die Ungewissheit über das Schicksal eines geliebten Menschen“, so Mike Bagdonas.
Das St. Josephshaus beteiligt sich nicht nur bei der Anfertigung der Tontafeln, sondern stellt auch seinen Ton-Brennofen für die Fertigstellung zur Verfügung. An der Gedenkveranstaltung am 22.06.2021 nahmen aus dem St. Josephshaus Herr Domnick und Herr Pelz (Geschäftsführer), Herr Walther (Erziehungsleiter), Frau Keller (stellv. Schulleiterin), Herr Born und Herr Höhn (Lehrer der BKS) sowie Paula und Imran (Schülerin und Schüler der BKS) teil. Imran und Paula aus der Abschlussklasse waren sehr mutig und lasen die Namen und Lebensdaten zweier Kriegsgefangener vor und legten im Anschluss noch Blumen auf die Gräber.
Begleitet wurde die Gedenkfeier durch eine musikalische Darbietung von Magdalena Herrmann, die ein russisches Soldatenlied sang. Anschließend sprach der Generalkonsul der Russischen Föderation, Ivan Khotulev, und ein Vertreter der Russisch-Orthodoxen Kirche der Heiligen Maria Magdalena Darmstadt. Zum Schluss segnete Pfarrer Michael Fornoff von der evangelischen Kirche Groß-Zimmern die Kriegsopfer und mahnte, „ein solches Verbrechen darf sich nie mehr wiederholen.“