Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
es ist kein leichter Weg, auf dem die beiden Jünger nach Emmaus gehen und auf dem sie Jesus begegnen. Sein Tod hat sie ebenso erschüttert wie die Nachricht der Auferstehung. Ihre Vision eines Lebens mit ihm, vermutlich auch ihre Träume von Ruhm und Ehre als Jünger des Messias wurden im wahrsten Sinne durchkreuzt und außer einem „zurück in den Alltag“ und einem trotzigen „weiter so“ haben sie keine Perspektive gesehen.
Wir leben kirchlich wie gesellschaftlich, aber auch weltpolitisch in stürmischen und bedrohten Zeiten. Pandemie und Missbrauchsskandal, Kriege und die gesellschaftliche Spannung über den richtigen Umgang mit diesen Krisen drohen uns zu zerreißen. Doch auch wir können in dieser Situation immer wieder die Erfahrung der Emmaus-Jünger machen: Jesus tritt zu uns und fragt auch uns, was das für Dinge sind, über die wir da sprechen.
Und auch heute helfen uns das Hören auf sein Wort und das betende Gespräch mit ihm, „ihn zu erkennen, wenn er uns das Brot bricht“ (Lk 24,35).
Der Pastorale Weg im Bistum Mainz, in dessen Kontext diese Exerzitien im Alltag stehen, ist an einem wichtigen Übergang: Nach der ersten Phase der pastoralen wie strukturellen Neuorientierung sollen jetzt in den neuen Pastoralräumen miteinander Schritte hin zur Pfarreiwerdung gegangen werden. Hierbei soll die Fülle gewachsener Beziehungen und Orte gelebten Glaubens nicht zu einem Einheitsbrei werden, sondern in einem Miteinander von Gemeinschaften und Gemeinden zu einer Erneuerung der Kirche im Bistum Mainz führen.
Dies ist für alle Beteiligten eine große Herausforderung – menschlich wie kirchlich, aber auch geistlich. Und zugleich die große Chance, uns neu der tragenden Fundamente unseres Christseins zu vergewissern und auf dieser Basis „mehr Leben zu wagen“, wie es die Vision für den Pastoralen Weg als Einladung an uns alle beschreibt.
Gegliedert in fünf Wochen laden diese Exerzitien im Alltag ein, vertieft zu entdecken, was es für uns heute bedeuten kann, Kirche zu sein (Woche 1).
Daran anknüpfend werden die vier Schritte der Vision einer Kirche des Teilens entfaltet: die Vielfalt des Lebens, Glauben und Zweifel, Ressourcen und Verantwortung teilen (Wochen 2 bis 5).
Vorangestellt ist den Exerzitien eine Vision von Kirche, die uns im Epheserbrief geschenkt ist. Lesen Sie diesen Text ruhig mehrmals und lassen Sie sich von ihm auf den Weg dieser Exerzitien im Alltag einstimmen – auf dass auch Sie und wir alle „ihn erkennen, wenn er das Brot bricht“!
Ich lade Sie ein, sich Zeit zu nehmen, den Impulsen jeden Tag persönlich nachzuspüren, sich aber auch in Gruppen, Gremien und Teams darüber auszutauschen und sich so gemeinsam auf diesen Glaubensweg zu begeben. Möge er Sie und uns alle ermutigen, mehr Leben zu wagen.
Ihr Bischof
+ Peter Kohlgraf