Vortrag zur Mainzer Priesterausbildung im 19. Jahrhundert – Rückblick

v.l.n.r.: Prof. Dr. Claus Arnold, Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz, Domkapitular Dr. Uwe Scharfenecker, 30. Juni 2021 (c) Bistum Mainz / IMKG
Datum:
Fr. 2. Juli 2021
Von:
Martin Belz

Am Mittwoch, 30. Juni 2021, fand in der Mainzer Kirche St. Stephan die Vortragsveranstaltung anlässlich des zweihundertsten Jubiläums der Gründung der Oberrheinischen Kirchenprovinz (1821–2021) statt, zu der das Institut für Mainzer Kirchengeschichte (IMKG) eingeladen hatte. Erfreulicher Weise konnte der Vortrag in Präsenz – unter Einhaltung der aktuellen Abstands- und Hygieneregeln – stattfinden. Etwa dreißig Personen fanden sich dazu in der Kirche mit den berühmten Chagall-Fenstern ein.

In seinem Grußwort ging Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz auf die Herausforderungen der Priesterausbildung in Vergangenheit und Gegenwart ein. Dabei stellte er manche Ähnlichkeit zwischen den historischen und den aktuellen Fragen rund um die Standorte der zukünftigen Priesterseminare in Deutschland fest.

Der Abendvortrag von Domkapitular Dr. Uwe Scharfenecker aus Rottenburg trug den Titel »Tatsächlich … Gießen. Unverstellte Blicke auf die Mainzer Priesterausbildung im 19. Jahrhundert«. Scharfenecker skizzierte darin die Vorbedingungen und die Anfänge, den Verlauf und das Ende der Katholisch-Theologischen Fakultät an der hessisch-darmstädtischen Landesuniversität in Gießen, die dort von 1830 bis 1859 existierte. Vom hessisch-darmstädtischen Großherzog gewünscht, von den Mainzer Bischöfen Joseph Vitus Burg und Petrus Leopold Kaiser gefördert bzw. geduldet, sollte die Gießener Fakultät zum zentralen Ort der Theologenausbildung im Bistum Mainz respektive im Großherzogtum Hessen avancieren. Zumal durch die Theologen J. B. Lüft, J. E. Kuhn und F. A. Staudenmaier (letztere aus Tübingen) erreichte die Fakultät zunächst ein hohes Niveau. Doch persönliche Konflikte innerhalb des Professoriums der Fakultät blieben später nicht aus – was den Hochschulort aus Mainzer Perspektive nicht gerade attraktiver machte. Am Rhein war die Wahl der Universität ohnehin mehr gelitten als gewünscht, wie Scharfenecker darlegte. Mit der missglückten Wahl des Gießener Dogmatikers Leopold Schmid zum Mainzer Bischof als Nachfolger von Petrus Leopold Kaiser 1849 schlug die Stimmung im Mainzer ultramontanen Klerus endgültig gegen Gießen um. Als Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler 1850 den Mainzer Bischofsstuhl besetzte, war eine seiner ersten Amtshandlungen, die Priesterausbildung zurück an den Rhein zu holen. So war das Ende der Fakultät in Oberhessen eingeläutet.

Mit großer historischer Sachkenntnis und erheiternder Eloquenz legte Scharfenecker die Geschichte der Gießener Fakultät und die Problemkonstellationen dar. Dabei kontextualisierte er das Schicksal der Fakultät im Rahmen des erstarkenden Ultramontanismus und des »Mainzer Kreises«, der seine Vorstellungen einer zeitgemäßen Priesterausbildung schließlich gegen Gießen durchsetzte.

In seinem Schlusswort dankte Prof. Dr. Claus Arnold, Leiter des IMKG, dem Referenten Dr. Scharfenecker und Weihbischof Dr. Bentz sowie der gastgebenden Kirchengemeinde St. Stephan. Er betonte, dass durch die Gründung der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Johannes Gutenberg-Universität (1946) gewissermaßen eine Synthese aus dem Gießener und Mainzer Modell der Priesterausbildung erreicht wurde. Die Veranstaltung wurde umrahmt durch zwei thematisch abgestimmte Orgelkompositionen von Maximilian Künster, die auf den Hl. Bonifatius und den Hl. Martin Bezug nahmen. Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer war es ein erkenntnisreicher und zugleich musikalisch bereichernder Abend.