Siegfried (II.) von Eppstein (Eppenstein) (um 1165–1230)

1200/01–1230 48. Erzbischof von Mainz

1206 Kardinal

 

Geboren um 1165 aus dem Geschlecht der edelfreien Herren von Hainhausen im Maingau, das sich von Eppstein nannte, seit der Vater von Siegfried, Gerhard II., vermutlich in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts mit der im Taunus gelegenen mainzischen Burg Eppstein belehnt wurde; das reich begüterte und mit den führenden Adelsfamilien des mittelrheinischen Raumes verwandte Geschlecht gelangte zu hoher politischer Macht und großem Einfluss, als Siegfried Erzbischof von Mainz wurde; sein Pontifikat leitete in der Auseinandersetzung mit den Staufern und mit dem Aufbau einer weit ausgreifenden erzstiftisch-mainzischen Territorialmacht ein Jahrhundert bedeutender Mainzer Politik in Reich und Kirche ein und eröffnete die Epoche der von Eppstein auf dem Mainzer Erzstuhl, den sie mit Siegfried, seinem Neffen Siegfried III. von Eppstein und dessen Neffen Werner und Gerhard von Eppstein zwischen 1201 und 1305 viermal für insgesamt 77 Jahre innehatten.

Siegfried ist erstmals 1189 als Propst des Stiftes St. Gangolf in Mainz belegt; spätestens 1196 Propst des St. Peterstiftes Mainz, mit dessen Kanonikern er einen jahrelangen Rechtsstreit führte; 1194 als vom Papst ernannter Propst des Stiftes St. Martin in Worms bezeugt; vermutlich auch Propst der Kollegiatkirche St. Peter in Brünn und als Propst des Kollegiatkapitels St. Peter und Paul auf dem Wyschehrad bei Prag Kanzler des Königreichs Böhmen. Nach dem Tod des Mainzer Erzbischofs Konrad von Wittelsbach stand die Neubesetzung des Bistums Mainz im Zeichen der Doppelwahl im Reich von 1198; die Mehrheit des wie der Klerus und die Bewohner von Mainz prostaufisch eingestellten und erstmals als ausschließliches Wahlgremium zusammengetretenen Domkapitels sprach sich für den von Philipp von Schwaben favorisierten Wormser Bischof Lupold von Scheinfeld aus. Dagegen wählte im November/Dezember 1200 eine welfisch gesinnte Minderheit Siegfried in Bingen zum Erzbischof. Er wich zunächst nach Köln aus, verband sich dort mit König Otto IV. und konnte mit dessen Truppen im Dezember 1200 vorübergehend Mainz einnehmen; Siegfried feierte mit dem Welfen im Dom den Weihnachtsgottesdienst und krönte ihn.

Mit der Anerkennung Ottos IV. verband Papst Innozenz III. wohl am 21. März 1201 die Anerkennung von Siegfried, der durch den päpstlichen Legaten Guido de Poré, Kardinalbischof von Palestrina (1200–06), die Bischofsweihe empfing und im September 1201 mit der Administration des Erzstifts beauftragt wurde. Wie Otto IV. im Reich, so konnte sich auch Siegfried in Mainz nicht durchsetzen und dort keine bischöflichen Funktionen ausüben. Im Auftrag von Innozenz III. sprach er 1205 in Köln die Absetzung des Erzbischofs Adolf von Altena aus, musste dann jedoch vor diesem weichen. 1206 reiste Siegfried nach Rom, wo er einigen Quellen zufolge Kardinalpriester von S. Sabina geworden sein soll. Erst die Ermordung König Philipps von Schwaben am 21. Juni 1208 in Bamberg beendete das Mainzer Schisma. Ohne königlichen Schutz vermochte sich Lupold in Mainz nicht mehr zu halten und resignierte. Sein Verzicht ermöglichte Siegfried die allgemeine Anerkennung und seine Rückkehr nach Mainz, wo er ohne Verzug reichspolitisch aktiv wurde. Er berief den Reichstag zu Frankfurt ein und bewirkte, dass Otto IV. erneut zum König gewählt wurde.

Als nach dessen Kaiserkrönung 1209 wegen der Italien- und Sizilienpolitik ein offener Konflikt zwischen Kaiser und Papst ausbrach, sagte sich Siegfried von dem Welfen los und betrieb die Wahl eines Gegenkönigs. Im Sinne der Reichspolitik von Innozenz III., der ihn im März 1212 zum Apostolischen Legaten für Deutschland ernannte und „secundus post papam“ nannte, drängte er in Nürnberg und Frankfurt auf die Wahl des jungen Staufers Friedrich, den er 1212 im Mainzer Dom krönte. Kaiser Otto IV. reagierte darauf mit der Verwüstung mainzischer Gebiete, musste jedoch 1214 bei Tournai eine vernichtende Niederlage hinnehmen und Friedrich II. weichen, der von Siegfried 1215 in Aachen ein zweites Mal gekrönt und inthronisiert wurde. Im gleichen Jahr nahm Siegfried am IV. Laterankonzil teil, ohne jedoch besonders hervorzutreten. 1220 war er erneut in Rom bei der Kaiserkrönung Friedrichs II. in St. Peter durch Papst Honorius III. In Begleitung des im April 1220 in Frankfurt zum König gewählten Kaisersohnes Heinrich VII. kehrte er im Winter 1220 nach Deutschland zurück. Obwohl Friedrich II., der 15 Jahre außerhalb des Reiches blieb, ihn nicht mit der Aufgabe des Reichsverwesers betraute, nahm Siegfried großen Einfluss auf die Reichsangelegenheiten. Während der 1228 beginnenden Regentschaft Heinrichs VII. opponierte er gegen dessen Städtepolitik. Die den geistlichen Reichsfürsten anlässlich der Königswahl 1220 vom Kaiser gewährten Rechte, Privilegien und Regalien wusste er ebenso für die Mainzer Territorialpolitik zu nutzen wie den gezielten Burgenerwerb am Rhein, in Hessen und in Thüringen.

Das kirchliche und religiöse Leben förderte er durch den weiteren Ausbau der archidiakonalen Struktur und Verwaltung und durch Synoden bzw. Konzilien 1223 in Erfurt und 1225 (Reichskonzil) sowie 1226 bzw. 1227 in Mainz. Er erwarb 1228 Rechte am Benediktinerkloster Lorsch und betrieb durch vielfaches Einwirken die Kloster- und Stiftsreform. Im Februar 1223 war er bei Kaiser Friedrich II. in Capua und im September 1227 in Brindisi. Siegfried betrieb eine eigenständige Böhmenpolitik. Er ließ sich bei der von ihm 1228 im Veitsdom zu Prag vorgenommenen Krönung Wenzels I. von Böhmen und dessen Gemahlin Kunigunde von Heusenstamm († 1248) verbriefen, dass nur dem Mainzer Erzbischof als Metropolit das Recht zustehe, den böhmischen König zu krönen, ein Anspruch, den auch der Hl. Stuhl anerkannte. Im Anschluss an die Krönungsfeierlichkeiten visitierte Siegfried das Bistum Prag.

Gestorben am 9. September 1230 Erfurt; Grab: Dom Beatae Mariae Virginis (Marienkirche) in Erfurt.

Friedhelm Jürgensmeier

 

Text aus: Gatz, Erwin (Hrsg), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches. Teil: 1198 bis 1448, unter Mitw. von Clemens Brodkorb, Berlin: Duncker und Humblot 2001, S. 398–399. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.