Reichsfreiherr, seit 1701 Reichsgraf von Schönborn
1694–1729 Fürstbischof von Bamberg
1694–1695 Koadjutor des Erzbischofs von Mainz
1695–1729 88. Kurfürst-Erzbischof von Mainz
Lothar Franz von Schönborn wurde am 4. Oktober 1655 zu Steinheim am Main als Letztes von 14 Kindern des Philipp Erwein von Schönborn und der Maria Ursula Greiffenclau von Vollrads geboren. Sein Vater war ein Bruder des Mainzer Erzbischofs Johann Philipp von Schönborn, die Mutter eine Nichte des Mainzer Erzbischofs Georg Friedrich Greiffenclau von Vollrads († 1629). Der Vater war kurmainzischer Amtmann von Steinheim und erreichte mit Hilfe seines Bruders den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufstieg seiner Familie. Eine Schwester Schönborns war mit einem Bruder des Speyerer Bischofs Lothar Freiherr von Metternich-Burscheid verheiratet, der 1673 zugleich Erzbischof von Mainz wurde. Ein Bruder war Domherr in Bamberg, Würzburg und Mainz. 1663 wurden die Schönborn Reichfreiherrn, 1701 Reichsgrafen.
Schönborn wurde für die geistliche Laufbahn bestimmt. Noch während seiner Ausbildung bei den Jesuiten in Aschaffenburg erhielt er 1665 eine Pfründe am Domstift zu Würzburg und 1667 zu Bamberg, während das Mainzer Domstift ihm vorerst verschlossen blieb, da es statutengemäß nicht gleichzeitig zwei Brüder als Mitglied haben konnte. Erst der Tod seines Bruders ermöglichte es Schönborn, dort 1674 durch erzbischöfliche Provision Domherr zu werden. Der frühe Tod des Bruders hatte bei den Schönborn erhebliche Unruhe verursacht. Er nötigte sie nicht nur zur dritten Güterverteilung seit 1670, sondern auch dazu, einen neuen geistlichen Hoffnungsträger für die Familie aufzubauen. Die besten Voraussetzungen dazu bot Schönborn, obwohl er gerade erst sein Studium begonnen hatte. Nach einer Kavaliersreise durch Holland, Frankreich und Italien hatte er sich 1673 in Wien für ein Biennium in Theologie und Jurisprudenz immatrikuliert. 1675 schloss er sein Studium ab. 1680 beendete er in Mainz die einjährige prima residentia. 1681 fand er Einlass in das Bamberger Domkapitel. 1683 wurde er Domkapitular in Mainz und Würzburg.
Der Schwerpunkt seiner Aktivitäten lag vorerst in Bamberg. Bischof Marquard Sebastian Schenk von Stauffenberg betraute ihn mehrfach mit diplomatischen Missionen und ernannte ihn zum Präsidenten der Hofkammer. 1689 wählte ihn das Domkapitel zum Scholaster. Im gleichen Jahr war Schönborn erstmals als passionierter Bauherr tätig. In Schloss Gaibach, das ihm vom väterlichen Erbe zugefallen war, ließ er ab 1693 nach Plänen von Leonhard Dientzenhofer Um- und Neubauten vornehmen und einen großartigen Barockgarten anlegen. Am 16. November 1693 wählte ihn dann das Bamberger Domkapitel zum Bischof. Die Wahlbestätigung folgte am 4. Januar 1694, und am 27. Januar erhielt er nach altem Bamberger Sonderrecht das Pallium.
Kaum war das Bamberger Verfahren abgeschlossen, bemühte Schönborn sich um ein Wählbarkeitsbreve für Mainz, wo Erzbischof Anselm Franz von Ingelheim schwer erkrankt war. Am 3. September 1694 wählte das Mainzer Kapitel ihn dann gegen den Kandidaten des Kaisers Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg zum Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge. Es traute dem als politisch versiert, dynamisch, kaisertreu geltenden und durch das wirtschaftlich gesunde Bamberg finanziell abgesicherten Schönborn am ehesten zu, den durch die Kriege Ludwigs XIV. an den Rand des Ruins gebrachten Kurstaat aus der Misere zu führen und dem wegen seiner strategisch günstigen Lage nach wie vor gefährdeten Mainz Sicherheit zu geben. Dabei kam Schönborn die Erinnerung an den glücklichen Pontifikat seines Onkels Johann Philipp von Schönborn zugute. Obwohl die römische Kurie grundsätzlich Bedenken gegen Bistumskumulationen trug, bestätigte sie die Wahl am 11. Oktober 1694. Mit dem Tode Ingelheims (30. März 1695) wurde Schönborn dessen Nachfolger. Am 2. Mai nahm er von seinen neuen Ämtern und Würden Besitz. Das Pallium erhielt er am 5. Mai 1695.
Am 1. November 1695 wurde Schönborn Priester, und am 6. November ließ er sich durch Weihbischof Matthias Starck konsekrieren. Für Schönborn, der noch der hierarchischen und ständisch strukturierten Welt des Mittelalters verbunden war, war es wichtig, dadurch die ganze Fülle seines Amtes zu erlangen. Obwohl sein zum Zentralismus neigender gemäßigt absoluter Regierungsstil, seine selbstbewusste und später zu leichtfertig als Frühepiskopalismus getadelte Eigenständigkeit wie auch seine Reformversuche auf dem Gebiet des Handels, der Rechtspflege und des Bildungswesens Züge der neuen Zeit aufwiesen, war er von der Frühaufklärung kaum berührt. Er wurde zwar einer der glänzendsten und einflussreichsten Barockprälaten Deutschlands, blieb aber dennoch einer der letzten großen Repräsentanten der mittelalterlichen Weltanschauung und der universalen Reichsidee. Er wusste sich durch Stand, Wahl und Weihe von Gott persönlich erhöht und beauftragt zu führen, zu leiten und zu repräsentieren. Das verpflichtete ihn zu Leistungen, während er gleichzeitig für seine Diözesen, Stifte, die Kirche, das Reich, das stiftische Deutschland und für die Familie Anerkennung und Achtung erwartete.
Sein Schwerpunkt lag nicht auf geistlichem Gebiet. Hier beschränkte er sich auf gelegentliche Pontifikalhandlungen, Kommunionspendung und auf die Teilnahme an Prozessionen. Der Barockfrömmigkeit entsprechend war Schönborn ein großer Eucharistie- und Marienverehrer. Unter ihm wurde 1722 in Mainz das Große oder Ewige Gebet endgültig eingeführt. Er begünstigte den Ausbau von Walldürn im Mainzer Oberstift zu einem Zentrum der Heilig-Blut-Wallfahrt und ließ im Bistum Bamberg die Wallfahrtskirche Marienweiher bauen. Großen Wert legte er auf den Abschluss der unter Johann Philipp von Schönborn begonnenen tridentinischen Kirchen- und Liturgiereform. In seinem Auftrag brachte Johann Melchior Bencard das römische Missale mit Mainzer Eigenteil heraus. 1705 folgten eine Neuauflage der Mainzer Bibel von 1662, 1715 ein Mainzer Manuale und 1717 ein Mainzer Proprium für das Brevier. Für Bamberg ließ Schönborn 1703 ein neues Proprium, 1707 ein Gesangbuch und 1724 das Rituale Romano-Bambergense veröffentlichen. Er begünstigte ferner den Neubau und die Renovierung von Gotteshäusern. Mit der Durchführung und Beaufsichtigung der Visitation und der laufenden Verwaltung waren sein geistlicher Regierungsapparat und namentlich seine Weihbischöfe beauftragt.
Er selbst sah sich dagegen als ranghöchster Reichsfürst und Landesherr zweier geistlicher Staaten in Auftrag genommen. Gleich seinem Onkel wusste er sich als Kurfürst, Erzkanzler des Reiches, Inhaber des Reichsdirektoriums und Quasi-Souverän zur Geltung zu bringen.
Anders als Johann Philipp von Schönborn lehnte er das Paktieren mit Frankreich ab und war stets kaisertreu, dies umso leichter, als Österreich nach Beendigung des Türkenkrieges seit 1683 in die Position einer europäischen Großmacht hineinwuchs. Die Belange des stiftischen Deutschland verlor er dabei nie aus den Augen. Hier lag seine Heimat, die es gegen die Konkurrenz der größeren Reichstände zu bewahren galt. Dafür sah er in Kreisassoziationen ein geeignetes Mittel. Sie sollten die kleineren und wenig armierten Stände neben dem aufsteigenden Brandenburg-Preußen und dem habsburgischen Österreich erhalten und mithelfen, den Frieden zu sichern; denn Krieg bedeutete für die kleineren Reichstände immer eine besondere Gefahr. Mainz hatte das 1688 im Pfälzischen Krieg erfahren, und erst der Friede von Rijswijk (1697) eröffnete die Möglichkeit zum Wiederaufbau des Kurstaates.
Schönborn nutzte die Chance in Verbindung mit dem Hochstift Bamberg. Dabei erließ er Zollbestimmungen und eine Weinordnung und stützte die eigene Währung. Er wagte aber auch neue Wege im Getreidehandel, förderte die wenigen Kupferbergwerke und auch die Lohrer Glasmanufaktur. Er begann die Reform des veralteten Finanzwesens, tat jedoch noch nicht den Schritt zu der erst von seinem Nachfolger eingeführten neuen staatlichen Finanzverwaltung. Eine Reform des Kurmainzer Steuersystems scheiterte 1715 am Widerstand des Domkapitels. Insgesamt griffen die Maßnahmen jedoch, und der Kurstaat erholte sich unbeschadet der Belastungen durch den Spanischen Erbfolgekrieg (1701–14). Infolgedessen stieg das Gewicht des Erzstiftes. Es behauptete sich als Partner und vermochte ersten Säkularisierungstendenzen zu begegnen. Das aber trug auch zum persönlichen Ansehen von Schönborn bei.
Nach außen demonstrierte Schönborn dies mit grandiosen Bauten. Die neue Bamberger Residenz, die bambergisch fürstbischöflichen Schlösser Seehof und Jägerburg bei Forchheim, die kurfürstliche Sommerresidenz Favorite in Mainz und Schloss Weißenstein ob Pommersfelden, 1711 in Auftrag gegeben und in den Anfängen von jenen 100.000 Gulden finanziert, die Karl VI. Schönborn dafür schenkte, dass er ihn gewählt und gekrönt hatte, sind Höhepunkte barocker Baukunst. Diese in ausgeprägtem Repräsentationsbewusstsein getragenen Großbauten führten zu einer erheblichen Verschuldung. Sie waren andererseits aber auch ein Anstoß für die Belebung von Handwerk und Handel. Sie veranlassten ferner, dass hervorragende Baumeister und Künstler in die geistlichen Territorien am Rhein und in Franken kamen.
Früh bemühte sich Schönborn, im Sinne seiner Familie die Nachfolge und das Weiterkommen der Schönborn zu regeln. Er selbst hatte sich 1699 vergeblich auch noch um das Bistum Würzburg bemüht. 1703 gelang es ihm und der Schönbornpartei jedoch, den späteren Bischof Johann Philipp Franz von Schönborn als Dompropst durchzusetzen. 1708 bemühte er sich in Bamberg und Mainz, seinen Neffen Friedrich Karl von Schönborn, seit 1705 Reichsvizekanzler in Wien, als Koadjutor durchzusetzen. Dies gelang nur in Bamberg, nicht dagegen in Mainz. Dass die römische Kurie für Mainz außer Friedrich Karl von Schönborn auch Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg ein Wählbarkeitsbreve ausstellte, führte zu längeren Spannungen.
Schönborn, der „glänzendste Repräsentant der Reichskirche“ (H. Jedin), starb am 30. Januar 1729 in Mainz. Sein Leib wurde im Mainzer, sein Herz im Bamberger Dom beigesetzt.
Friedhelm Jürgensmeier
Text aus: Gatz, Erwin (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches. Ein biographisches Lexikon. Teil: 1648 bis 1803, unter Mitw. von Stephan M. Janker, Berlin: Duncker und Humblot 1990, S. 444–446. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.