Pfalzgraf am Rhein zu Neuburg
1683–1732 Fürstbischof von Breslau
1694–1732 Fürstbischof von Worms, Hoch- und Deutschmeister, Fürstpropst von Ellwangen
1712–1729 Koadjutor des Erzbischofs von Mainz
1716–1729 Kurfürst-Erzbischof von Trier
1729–1732 89. Kurfürst-Erzbischof von Mainz
Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg wurde am 24. Juli 1664 zu Neuburg-Donau als sechster Sohn des Pfalzgrafen Philipp Wilhelm und der Elisabeth Amalie Landgräfin von Hessen, einer Konvertitin und Schwester des Kardinals Friedrich von Hessen, geboren. Philipp Wilhelm trat 1685 die Herrschaft in der Kurpfalz an und vereinte seitdem zusammen mit seinen Stammlanden Neuburg und Jülich-Berg einen ansehnlichen, wenn auch weit verstreuten Besitz. Die große Zahl seiner Kinder ermöglichte dem begabten und an der katholischen Sache interessierten Fürsten eine umfassende Heirats- und Reichskirchenpolitik, die den Einfluss und das Prestige seines Hauses beachtlich steigerten. Die älteste Tochter Leonore war seit 1676 Gemahlin Kaiser Leopolds I. und hat dadurch die Interessen beider Dynastien verknüpft. Seitdem galten die Söhne des Herzogs beim Bemühen um Pfründen als Kandidaten des Kaiserhauses. Johann Wilhelm, der dem Vater 1690 als regierender Fürst folgte, war in erster Ehe mit einer Tochter Kaiser Ferdinands III. und nach deren Tod mit einer Tochter des Großherzogs Cosimo von Toskana verheiratet. Die übrigen Geschwister haben durch ihre Heirat dieses Geflecht weitreichender Verbindungen noch verdichtet. Außerdem gelang es Philipp Wilhelm durch seine zielstrebige Politik, für seine sechs zum geistlichen Stand bestimmten Söhne in 21 Erz- und Hochstiften sowie in sechs Konventen über 40 Pfründen zu erlangen. In 20 Fällen kandidierten seine Söhne für eine Koadjutorie oder ein Bischofsamt.
Franz Ludwig erhielt wie seine Brüder am Hof in Düsseldorf und Neuburg eine solide Erziehung. Sein Vater bemühte sich früh um Altersdispensen für die Zulassung seiner Söhne zur Tonsur, doch wurde diese ihm von den Päpsten Alexander VII. und seinen Nachfolgern, die auf strenge Einhaltung der Bestimmungen des Konzils von Trient bestanden, nur zögernd gewährt. Franz Ludwig erhielt 1672 die Tonsur und 1678 die niederen Weihen. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits Domizellar in Olmütz. 1679 rückte er in die Kapitel von Münster, Speyer und Straßburg ein. Philipp Wilhelms Absicht bei der Besetzung von Bistümern richtete sich vornehmlich auf jene Sprengel, die seinem eigenen Territorium benachbart lagen. So wurde Alexander Sigmund 1690 Fürstbischof von Augsburg und Ludwig Anton 1691 Fürstbischof von Worms, während Wolfgang Georg für Breslau vorgesehen war. Nach dem Tod des prachtliebenden und stets verschuldeten Kardinals Friedrich von Hessen-Darmstadt (†1682) wünschte das Kapitel jedoch nicht dessen Neffen, sondern eine Persönlichkeit, von der man die Fortführung der kirchlichen Aufbauarbeit erwarten konnte. Obwohl der Kaiser alle Mittel für seinen Kandidaten einsetzte, gab die Mehrheit der Wähler ihre Stimmen dem bewährten Olmützer Fürstbischof Karl von Liechtenstein. Als Papst Innozenz XI. diesen jedoch vor die Alternative stellte, sich für Olmütz oder für Breslau zu entscheiden, entschloss er sich für sein mährisches Bistum. Noch bevor das Breslauer Kapitel am 30. Juni 1683 ein zweites Mal zur Wahl schreiten konnte, starb Wolfgang Georg im Alter von 23 Jahren. Daraufhin musste das Kapitel auf Drängen des Kaisers Franz Ludwig postulieren. Der Wiener Nuntius führte den Informativprozess in abgekürzter Form durch und sandte ihn dann, bereits auf der Flucht vor den Türken, von Passau aus nach Rom. Die päpstliche Bestätigung erfolgte am 26. August 1683. Am 27. September 1683 nahm Weihbischof Karl Franz Neander, der Franz Ludwig wegen seiner Minderjährigkeit als Administrator in spiritualibus beigegeben wurde, das Bistum für diesen in Besitz. Franz Ludwig hat sich große Verdienste um sein Bistum erworben, jedoch nie die Priester- oder Bischofsweihe empfangen. Auch die Subdiakonatsweihe ließ er sich erst am 22. August 1687 in Köln erteilen, als seine Kandidatur für das Erzbistum ins Blickfeld rückte.
Anfang 1685 kam Franz Ludwig erstmals nach Schlesien. Nachdem er am 15. Januar 1685 zum Oberlandeshauptmann ernannt worden war, lagen die geistliche und weltliche Leitung Schlesiens in seiner Hand. Die Landeshauptmannschaft wurde ihm erst 1719 entzogen, als er wegen seiner übrigen Bistümer und Reichsbenefizien zu oft außer Landes weilte. Dennoch bildete das Bistum Breslau den Schwerpunkt seiner Tätigkeit. In der Bistumsleitung wurde er von tüchtigen Weihbischöfen (Johann von Brunetti, Elias Daniel von Sommerfeld) unterstützt. Die 1699 von ihm vorgenommene Kompetenzabgrenzung zwischen Generalvikar, Offizial und Konsistorium blieb bis zum Untergang des deutschen Bistums Breslau maßgebend.
Die Amtszeit Franz Ludwigs war durch eine letzte große Welle der Gegenreformation, ferner durch das Aufblühen einer reichen Barockkultur gekennzeichnet. Als nach dem Tode des letzten Piasten 1675 die Fürstentümer Liegnitz, Brieg und Wohlau an das Haus Habsburg fielen, entschloss Kaiser Leopold I. sich zu einem letzten großangelegten Rekatholisierungsversuch. Dadurch wurden bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts, auf das Patronatsrecht gestützt, in den genannten Fürstentümern, aber auch im Umland von Breslau sowie in Oels über 100 Kirchen zurückgewonnen. Dabei kam es zwar z. T. durch Auswanderung zu Bevölkerungsverlusten, doch war der Rückgewinn für den Katholizismus unverkennbar. Wenn auch die Gesamtstrategie dieser Maßnahmen von der Staatsgewalt zu verantworten war, die nicht aus religiösen Motiven, sondern auch aus Gründen der Staatsraison handelte, so haben an diesem Prozess doch auch kirchliche Kräfte aktiven Anteil genommen. Insbesondere die Seelsorgsorden breiteten sich nun kräftig aus. Nach Breslau kamen 1695 Franziskaner, 1686 Ursulinen, 1711 Barmherzige Brüder und 1736 Elisabethinerinnen. Den Jesuiten gelang es 1702 gegen heftigen Widerspruch des Rates, ihrer Breslauer Niederlassung eine Universität anzugliedern („Leopoldina“). 1728 wurde der Grundstein zu einem großen barocken Universitätsbau gelegt. Die neue Vitalität der alten Klöster äußerte sich im Bau gewaltiger barocker Klosteranlagen. 1703 kamen Benediktiner von Braunau nach Wahlstatt bei Liegnitz.
Die Lutheraner suchten währenddessen Unterstützung bei den protestantischen Mächten, doch fiel Sachsen seit 1697 durch die Konversion Augusts des Starken als Schutzmacht aus, während Preußen sich zunehmend in den Vordergrund schob. Die wirksamste Hilfe erfuhr der schlesische Protestantismus jedoch von Schweden, das während des Spanischen Erbfolgekrieges und der ungarischen Adelsaufstände unter Karl XII. eingriff und Kaiser Joseph I. 1707 zur Altranstädter Konvention zwang. Danach musste der Kaiser in den Fürstentümern Liegnitz, Brieg, Wohlau, Oels und Münsterberg, ferner im Breslauer Umland 122 Kirchen zurückgeben und den Protestanten eine Reihe weiterer Zugeständnisse machen (u. a. sechs „Gnadenkirchen“). Als Ausgleich wurden für die Katholiken in den genannten Gebieten 15 sog. Josephinische Kuratien neu geschaffen. Die Konvention beendete die Gegenreformation in Schlesien und erschwerte weitere Gewinne des Katholizismus, obwohl dieser von der Gesetzgebung und Verwaltung bevorzugt wurde. Insgesamt behielt das Luthertum in Schlesien eine in den übrigen habsburgischen Ländern unbekannte Vorzugsstellung.
Franz Ludwig hat seinen Sprengel nicht nur pflichttreu verwaltet, sondern auch eine Reihe von Bauten errichtet. Der durch Fischer von Erlach geplante Neubau der fürstbischöflichen Residenz in Breslau kam zwar nicht zustande, doch stiftete Franz Ludwig in Breslau zwei Waisenhäuser, und dem Dom fügte er die barocke Sakramentskapelle hinzu, in der er später selbst beigesetzt wurde.
Franz Ludwig war im Rahmen der Reichskirchenpolitik seines Vaters 1675 und 1687 Kandidat für die Kölner Koadjutorie gewesen (Max Heinrich von Bayern). Nach dem Tod seines Bruders Ludwig Anton (4. Mai 1694), der für die Pfalz-Neuburger Reichskirchenpolitik einen schweren Rückschlag bedeutete, folgte er diesem mit Unterstützung des Kaisers als Bischof von Worms, als Deutsch- und Hochmeister sowie als Propst von Ellwangen (8. Juni 1694 gew.). Dabei handelte es sich zwar um zweitrangige Pfründen, doch spielten sie in Verbindung mit dem übrigen Besitz des Hauses Pfalz-Neuburg durchaus eine Rolle. Neben den Jesuiten hat Franz Ludwig insbesondere den deutschen Orden, der während seiner Amtszeit in Schlesien eine bedeutende Besitzsteigerung erfuhr, tatkräftig gefördert. Franz Ludwig hat sich nicht nur wiederholt in Mergentheim aufgehalten, sondern er ist auch bis in seine letzten Lebensjahre als Bauherr des Ordens hervorgetreten.
Mit dem Besitz dieser zahlreichen Pfründen war Franz Ludwig jedoch noch nicht an das Ende seiner Laufbahn gelangt. Am 5. November 1710 postulierte ihn nämlich das Mainzer Kapitel zum Koadjutor von Erzbischof Lothar Freiherr von Schönborn (5. Oktober 1712 bestätigt), um in Mainz die Kontinuität der kaiserlichen Reichspolitik zu sichern. Da Schönborn erst 1729 starb, kam Franz Ludwig erst im Alter von 65 Jahren auf den Mainzer Stuhl. Inzwischen hatte ihn am 20. Februar 1716 auf massiven Druck Kaiser Karls VI. das Trierer Kapitel zum Nachfolger des Erzbischofs Karl Joseph von Lothringen postuliert (23. Dezember bestätigt). Franz Ludwig traf Anfang 1718 in Koblenz ein, um die Regierung zu übernehmen, doch erfolgte seine feierliche Einführung in Trier erst am 24. März 1719. In enger Zusammenarbeit mit Weihbischof Johann Matthias von Eyss hat er sich seinem neuen Sprengel trotz seiner Ämterfülle in erstaunlicher Weise gewidmet. 1719 erließ er vorläufige Synodalstatuten und wenig später strengere Bestimmungen über die Zulassung zum Pfarramt. In anderen Erlassen ordnete er regelmäßige Exerzitien für den Klerus und die Einrichtung monatlicher Pastoralkonferenzen an. Den Wiederaufbau des 1717 abgebrannten Trierer Domes, bei dem die Langhausbasilika in einen Querschiffbau mit kreuzförmigem Grundriss verwandelt wurde, förderte er. Um die Hebung der juristischen Fakultät in Trier machte er sich durch Erlass einer neuen Studienordnung (1722) verdient.
Als Franz Ludwig nach dem Tod Schönborns dessen Nachfolge in Mainz antrat, musste er am 3. März 1729 auf Trier verzichten. Am 6. April 1729 nahm er von Mainz Besitz. Damit hatte er die höchste Würde der Reichskirche erlangt. Franz Ludwig hat dem Kaiser seine Unterstützung gedankt und sich wie auch Erzbischof Clemens August von Bayern für die Anerkennung der Pragmatischen Sanktion eingesetzt. Seine Mainzer Amtszeit hat jedoch wegen ihrer kurzen Dauer keine tieferen Spuren hinterlassen. Franz Ludwig starb am 18. April 1732 in Breslau an den Folgen eines Schlaganfalles. Er wurde im Dom beigesetzt.
Erwin Gatz – Jan Kopiec
Text aus: Gatz, Erwin (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches. Ein biographisches Lexikon. Teil: 1648 bis 1803, unter Mitw. von Stephan M. Janker, Berlin: Duncker und Humblot 1990, S. 124–127. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
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