seit 1712 Reichsgraf von Ostein
1743–1763 91. Kurfürst-Erzbischof von Mainz
1749–1756 Koadjutor des Fürstbischofs von Worms
1756–1763 Fürstbischof von Worms
Johann Friedrich Karl (ursprünglich: Franz Gottfried Friedrich Johann Karl Anton) von Ostein wurde am 6. Juli 1689 zu Amorbach als Sohn des Johann Franz Sebastian von Ostein († 1719) und der Anne Charlotte Maria von Schönborn († 1749), einer Nichte des Bamberger und Mainzer Fürstbischofs Lothar Franz von Schönborn, geboren. Das ursprünglich elsässische Ministerialgeschlecht der von Ostein bei Ruffach ist seit dem 15. Jahrhundert nachweisbar. Im 17. Jahrhundert war es ins Mainzer Erzstift und nach Franken gekommen, wo verschiedene seiner Mitglieder Domherren in Würzburg, Bamberg und Mainz wurden. Osteins Vater war kurmainzischer Rat und Oberamtmann von Amorbach, Buchen und Wallldürn im Odenwald. 1712 wurde die Familie in den Reichsgrafenstand erhoben.
Ostein wurde wie zwei jüngere Brüder für die geistliche Laufbahn bestimmt. Der eher introvertierte Knabe erhielt seine erste schulische Ausbildung bei den Jesuiten in Aschaffenburg und 1702–06 am Jesuitengymnasium in Mainz. Seit 1696 war er Domizellar in Mainz, seit 1699 in Würzburg. Seit 1696 hatte er zugleich eine Präbende am Mainzer Ritterstift St. Alban inne. Zum Philosophiestudium ging er wieder nach Aschaffenburg, zum Studium der Theologie nach Rom, wo er sich an der Sapienza einschrieb. Das Studium beider Rechte absolvierte er am römischen Collegium Clementinum. Zum Biennium begab sich Ostein an die Salzburger Universität. Nicht bekannt ist, ob er darüber hinaus noch die beim Adel übliche Kavalierstour unternahm.
Nach der Subdiakonatsweihe wurde er 1713 Domkapitular in Mainz und 1723 auch in Würzburg. Nach dem Tode seines Onkels, des Bischofs Johann Philipp von Schönborn, wählte ihn das Kapitel des Frankfurter kaiserlichen St. Bartholomäusstiftes 1724 auf Empfehlung von Erzbischof Lothar Franz von Schönborn zu dessen Nachfolger als Propst. Es bereitete Ostein und seinen Parteigängern einige Mühe sich gegen den Hildesheimer und Paderborner Domherrn Friedrich Christian von Fürstenberg durchzusetzen, dem die Propstei päpstlich verliehen worden war. Ostein behielt die Stelle bis zu seinem Tode und hat zu dem Kapitel stets ein gutes Verhältnis unterhalten. 1725 wurde er durch Provision von Erzbischof Lothar Franz von Schönborn zugleich Domkustos in Mainz und damit auch Propst von St. Johann.
Ostein trat unter den Erzbischöfen Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg und Philipp Karl von Eltz nur wenig in Erscheinung. Einige Aufmerksamkeit richtete sich auf ihn, als 1732 die Wahl eines neuen Erzbischofs anstand, doch kam er trotz eines höheren finanziellen Einsatzes seiner Familie nicht zum Erfolg. 1740 ging er nach Koblenz und Bonn, um die Erzbischöfe von Trier und Köln offiziell vom Tode Kaiser Karls VI. zu benachrichtigen und zur Neuwahl einzuladen. Eltz hatte Ostein mit dieser Mission betraut, weil er von ihm wegen der guten Beziehungen zum Trierer Erzbischof Franz Georg von Schönborn erwartete, einen zwischen Mainz und Trier drohenden Streit um den Titel „Erzkanzler für Gallien und das Arelat“ nicht erneut aufkommen zu lassen.
Wegen des Einfalles Friedrichs II. von Preußen in Schlesien verzögerte sich die Kaiserwahl bis 1742 und fiel nicht auf den Gemahl Maria Theresias, sondern auf Kurfürst Karl Albrecht von Bayern. Als sich dann Georg II. von England, ein Rivale Frankreichs und als Kurfürst von Hannover in Konkurrenz zu Preußen, mit Maria Theresia verbündete, gegen Frankreich und Bayern die „Pragmatische Armee“ zusammenbrachte und gegen Frankfurt vorrückte, komplizierte sich die Lage zusätzlich. In dieser Situation starb Erzbischof Eltz. Ostein war zwar für Österreich ein akzeptabler Nachfolger, doch wurde er von Bayern und Frankreich abgelehnt. Dennoch wählte das Kapitel ihn am 22. April 1743 einstimmig. Die römische Bestätigung und die Verleihung des Palliums folgten am 29. Juli 1743. Am 5. Mai 1743 war Ostein Priester geworden, und am 23. September wurde er durch Erzbischof Clemens August von Bayern zum Bischof geweiht. Im Allgemeinen beschränkten sich die bischöflichen Funktionen Osteins auf besonders feierliche und repräsentative Anlässe. Ostein galt als Marienverehrer und Freund eucharistischer Prozessionen. Er soll jedoch auch 24.486 Firmungen gespendet haben. Am 17. Oktober 1748 wurde er zugleich zum Koadjutor in Worms gewählt und am 20. Januar 1749 bestätigt. Die Nachfolge seines Vetters Schönborn hat er dort am 18. Januar 1756 angetreten.
Aktivitäten in der Reichspolitik, die sonst einen zentralen Aufgabenbereich der Mainzer Erzbischöfe gebildet hatten, waren Ostein kaum möglich. Mehrfache Kriege erschwerten sein Handeln. 1743 standen sich im Mainzer Oberstift die „Pragmatische Armee“ und ein 60.000 Mann starkes französisches Heer gegenüber, das bei Dettingen vernichtend geschlagen wurde. Zum Schutz für den nur schwach armierten Kurstaat und um den eigenen Reichsämtern ihre Bedeutung zu erhalten, blieb Ostein bei der traditionellen Assoziationspolitik und der Neutralität nach allen Seiten hin. Daher schloss er 1744 mit Georg II., einen Subsidienvertrag, der dem Erzstift bis 1747 zur Verteidigung 250.000 Taler brachte. 1745 vermittelte Ostein nach dem Tode Kaiser Karls VII. zwischen Bayern und Österreich den „Füssener Frieden“. Dieser schuf die Voraussetzung dafür, dass Franz von Lothringen im gleichen Jahr in Frankfurt zum Kaiser gewählt und von Ostein als Franz I. gekrönt werden konnte.
Der Sieg des Habsburgers brachte dem Reich wenig Gewinn, denn die Regierung Franz I. blieb farblos und vermochte der durch den Partikularismus gefährdeten Reichseinheit kaum Halt und Stütze zu geben. Das hatte auch Auswirkungen auf die kurmainzische Politik. Ostein schloss sich zwar 1756 noch dem Reichsexekutionszug gegen Preußen an, das den Siebenjährigen Krieg ausgelöst hatte, doch nach der vorübergehenden Besetzung des kurmainzischen Erfurt durch preußische Truppen, hohen Kontributionszahlungen, der Niederlage der Franzosen und der Reichsarmee bei Roßbach und den Kosten des eigenen Militärkontingents war die wirtschaftliche Lage so zerrüttet, dass Ostein in einer Neutralitätspolitik die beste Chance sah, weiteres Unheil abzuwenden. Eine selbständige und ins Gewicht fallende kurmainzische Reichspolitik war kaum noch möglich. Säkularisierungsbestrebungen, die insbesondere Friedrich II. nachgesagt wurden, zeichneten weiteres Unheil ab. Am Frieden von Hubertusburg 1763 war Ostein nicht wesentlich beteiligt.
Einige Akzente konnte Ostein im innerpolitischen Reformbereich setzen. Er war zwar kein ideenreicher Initiator wie sein Onkel Friedrich Karl von Schönborn, sondern eher zögernd, abwartend und auf Ausgleich bedacht. Dem wirtschaftlichen Aufblühen des Kurstaates kam es jedoch zugute, dass er, obwohl selbst der Aufklärung gegenüber distanziert, seinen Vetter Anton Heinrich Friedrich von Stadion († 1768) zu seinem einflussreichen Staatsminister und Berater machte. Dieser war offener Anhänger der französischen Aufklärung, am Volkswohl orientierter Merkantilist, Vertreter des aufgeklärten Absolutismus, geistreicher und freisinniger Kritiker überkommener Formen in Kirche und Staat, feindlich gegen Jesuiten und römische Kurie. Trotz hoher Ämter hatte der frankophile Stadion sich unter Erzbischof Eltz nicht entfalten können. Unter Ostein leitete er sogleich die Belebung von Handel und Wirtschaft ein. 1744 wurde eine neue Forst- und Jagdordnung erlassen, 1746 die Höchster Porzellanmanufaktur gegründet, 1747 der Handelsstand von der Krämerzunft getrennt und jährlich zwei Messen in Mainz gegründet, 1752 eine neue Polizei- und Handelsordnung mit Errichtung einer Handelskammer und eines Handelsgerichtes veranlasst. Außerdem wurde die Infrastruktur durch den Ausbau der Straßen und Wasserwege gehoben.
Unter maßgeblicher Mitwirkung Stadions wurde die Rechtspflege verbessert und 1755 das „Kurmainzer Landrecht“ eingeführt. Ab 1750 setzten Bemühungen um eine Hebung der Volksschulen ein. Schon vorher hatte der an den Wissenschaften sehr interessierte Ostein eine Kommission zur Verbesserung der Universität einberufen und 1746 neue Universitätsprivilegien und -verordnungen veröffentlicht. Ein botanischer Garten wurde angelegt, das anatomische Institut errichtet und die Universitätsbibliothek ausgebaut. Wichtig war die neue Universitätsverfassung auch für die Theologie. In Ergänzung der bis dahin fast ausschließlich spekulativen Ausrichtung wurde mehr Wert auf Exegese gelegt und Kirchengeschichte als eigenes Fach eingeführt. In Erfurt wurde 1754 eine „Academie nützlicher Wissenschaften“, in Mainz 1758 eine Künstlerakademie gegründet. Mit der Berufung von Intendant Konrad Ernst Ackermann und seiner Truppe im Jahre 1760 nahm das Theaterwesen in Mainz einen bis dahin kaum gekannten Aufschwung, und das klassische französische Drama sowie die italienische Oper verdrängten allmählich das lateinische Jesuitendrama. Ostein begeisterte sich an den Werken von Bach und Händel. 1763 gab auch der junge Mozart ein Konzert in Mainz.
Die vielen, häufig von Stadion in die Wege geleiteten Neuerungen fanden freilich nicht nur Beifall. Widerstand kam vor allem aus dem eher konservativen und auf seine Privilegien bedachten Domkapitel und aus jesuitischen Kreisen. Ostein besaß jedoch nicht das Durchsetzungsvermögen seines Onkels Friedrich Karl von Schönborn, der in seiner Auseinandersetzung mit dem Bamberger Kapitel selbst den Gang vor das Reichskammergericht in Wetzlar nicht gescheut hatte. Rückzieher, auch auf Kosten von Stadion, und nur halbherzig durchgeführte Reformprogramme waren die Folge. Dies und die Divergenzen mit dem Domkapitel veranlassten Stadion, 1761 Mainz zu verlassen. Die Reform blieb vorerst unvollendet und wurde erst unter Erzbischof Emmerich Joseph von Breidbach-Bürresheim konsequent durchgezogen. Vollenden konnte Ostein das kurfürstliche Schloss zu Mainz und den Osteiner Hof, den er Valentin Thomann in Auftrag gegeben hatte.
Ostein starb am 4. Juni 1763. Im Mainzer Dom, den er erneuert und für dessen Westchor er ein berühmtes Chorgestühl von Franz Anton Hermann hatte anfertigen lassen, fand er seine Ruhestätte.
von Friedhelm Jürgensmeier,
Text aus: Gatz, Erwin (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches. Ein biographisches Lexikon. Teil: 1648 bis 1803, unter Mitw. von Stephan M. Janker, Berlin: Duncker und Humblot 1990, S. 331–334. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
Weitere Literatur: