Reichsfreiherr von Breidbach zu Bürresheim
1763–1774 92. Kurfürst-Erzbischof von Mainz
1768–1774 Fürstbischof von Worms
Emmerich Joseph von Breidbach-Bürresheim wurde am 12. November 1707 zu Koblenz als Sohn des Ferdinand Damian von Breidbach-Bürresheim und der Anna Helena Sophie von Warsberg geboren. Das rheinische Ministerialgeschlecht der Breidbach wird 1246 erstmals urkundlich erwähnt. 1691 in den Reichsfreiherrenstand erhoben, nannte es sich nach seinen früheren Besitzungen in Rheinbreitbach bei Honnef und nach Burg Bürresheim bei Mayen (Eifel), die 1473 erworben werden konnten. Ende des 17. Jahrhundert verlegte die trierisch-kölnische Linie der Familie ihren Stammsitz nach Koblenz. Im 17. Und 18. Jahrhundert waren mehrere Familienangehörige Mitglieder der Domkapitel von Mainz und Trier. Auch von den 18 Geschwistern Breidbachs wurden zwei Domherren. Andere fanden ihre berufliche Position im Dienst der rheinischen Stifte und Territorien.
Der Einfluss seiner Familie und die engen verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Domstiften verhalfen dem für die Klerikerlaufbahn bestimmten und bereits 1713 tonsurierten Breidbach früh zu Präbenden. 1714 wurde er Domizellar am Trierer Domstift. Die Aufschwörung für das Mainzer Domstift folgte 1719. In dieser Zeit begann auch seine schulische Ausbildung, zunächst in Trier und dann in Mainz und Köln. Gleich einem an den Domen von Mainz, Trier, Würzburg und Speyer bepfründeten Bruder seiner Mutter absolvierte Breidbach das für einen Domherrn obligatorische Biennium um 1724–26 an der Universität in Reims. In diesen Jahren besuchte er auch Paris. Neben philosophischen und theologischen Studien widmete er sich mit Vorliebe der Archäologie und der Geschichtswissenschaften. Dieses historische Interesse hat er als Erzbischof und Kurfürst bewahrt. Er zeigte regen Anteil an den Arbeiten der Kirchenhistoriker Joseph Fuchs und Stephan Alexander Würdtwein, ließ Inschriften sammeln und förderte die Ausgrabung römischer Altertümer. Nach der Rückkehr aus Reims setzte Breidbach in Mainz sein Studium fort und belegte Jurisprudenz. In diesen Jahren entschied er sich endgültig für den geistlichen Stand. Er empfing 1732 die Minores und das Subdiakonat und wurde bald darauf in das Mainzer Domkapitel aufgenommen. Einlass ins Trierer Domkapitel fand er 1736. Zu dieser Zeit dürfte er bereits Stiftsherr von St. Alban in Mainz gewesen sein. Mitglied des Mainzer Ritterstiftes St. Viktor wurde er 1738.
Der talentierte und sprachbegabte Breidbach – er beherrschte Latein, Französisch und Italienisch – war eine sehr offene Natur, verriet einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit, galt als gewandt und frohem gesellschaftlichem Treiben zugeneigt. Seine für moderne Zeitströme empfängliche Geisteshaltung brachte ihn rasch in enge Verbindung zu Staatsminister Anton Heinrich Friedrich von Stadion (1691–1768). Dieser erklärte Anhänger der französischen Aufklärung war wegen seiner umsichtigen, am Volkswohl orientierten und erfolgreichen Wirtschafts- und Finanzpolitik und wegen seiner Reformbemühungen im Rechtswesen einer der bedeutendsten Mainzer Staatsminister des 18. Jahrhunderts. Er verehrte Voltaire mit dem er früh persönlich Bekanntschaft gemacht hatte, war begeistert von der Gedankenwelt Montesquieus und nahm regen Anteil an der seit 1751 von Diderot und d’Alembert herausgegebenen Encyclopédie.
Von Großmeister Stadion und seinem Kreis beeinflusst, machte sich Breidbach die aufgeklärte Staats-, Rechts- und Gesellschaftsauffassung zu eigen. Ab 1752 war er in der Lage, die Mainzer Regierungsgeschäfte in diesem Sinn mit zu beeinflussen, da Erzbischof Johann Friedrich Karl von Ostein ihn zum Hofrats- bzw. Regierungspräsidenten ernannte. Seitdem gehörte es zu seinen Obliegenheiten, für den geordneten Geschäftsgang in Hofrat und Kanzlei Sorge zu tragen und die täglichen Ratssitzungen zu leiten. 1764 verfügte er als Erzbischof eine Reform der Kurmainzer Regierungsverwaltung. Seine eigenen mehrjährigen Erfahrungen als einer der ranghöchsten Beamten des Kurstaates hatten ihn manchen Missstand erkennen lassen.
1758 gelang es Breidbach, als Nachfolger seines Verwandten Johann Franz von Hoheneck (†1758) Mainzer Domdekan zur werden. Am 5. Oktober 1758 ließ er sich in Trier durch Weihbischof Johann Nikolaus von Hontheim zum Priester weihen. Schon seit längerem bemühte sich die von der Kölner Nuntiatur als wenig romfreundlich charakterisierte Familie der Breidbach um eine geistliche Kurwürde. 1754 scheiterten die Bemühungen Karl Ernsts von Breidbach, eines älteren Bruders Breidbachs, um das Erzbistum Trier. Breidbach selbst gelang es dann, am 5. Juli 1763 in Mainz die Mehrzahl der Stimmen auf sich zu vereinen.
Der Wiener Hof und Nuntius Cesare Alberigo Lucini nahmen diese Wahl mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis, denn Breidbach galt als frankophil und, wie seine Familie, als scharfer Gegner der Kölner Nuntiatur. Während seines Pontifikates blieb die Korrespondenz aus der Nuntiatur aus grundsätzlichen Überlegungen fast gänzlich unbeantwortet. In wichtigen Angelegenheiten verhandelte Breidbach stattdessen direkt mit der römischen Kurie. Die päpstliche Konfirmation der Mainzer Wahl und die Gewährung des Palliums erfolgten am 22. Oktober 1763. Mit den anfallenden Gebühren belastete Breidbach erstmals auch die Mainzer Jesuiten.
Am 13. November 1763 ließ Breidbach sich von Weihbischof Christoph Nebel im Oratorium des kurfürstlichen Schlosses zum Bischof weihen. Im gleichen Jahr hatte er sich auch vergeblich um das Bistum Worms bemüht, dessen Kapitel ihn erst am 1. März 1768 postulierte (Bestätigung 16. Mai 1768). Als die römische Kurie von ihm wegen Gewährung der Beibehaltung des Erzbistums Mainz eine Gebühr verlangte, lehnte Breidbach diese aus prinzipiellen Erwägungen ab. Er vertrat die Auffassung, dass die zum Nachteil der Bischöfe und der deutschen Nation eingerissenen „römischen Missbräuche“ abgeschafft und die „ursprünglichen bischöflichen Rechte“ wiederhergestellt werden müssten. Dafür stützte er sich auf den 1763 erschienen Febronius (Hontheim). Im Oktober 1768 ließ Breidbach ein Programm für eine Vereinbarung mit dem Erzbischof von Köln bzgl. der „Wiedergewinnung“ der bischöflichen Rechte erstellen. Bereits im Januar 1769 kam es zu einer Präliminarkonvention der beiden Erzbistümer mit der Festlegung episkopalistischer Leitlinien; im Dezember 1769 traten in Koblenz die Delegierten der drei rheinischen Erzbischöfe zusammen und erstellten eine 31 Artikel zählende „Vereinigungsurkunde“ mit Gravamina gegen die römische Kurie (Klemens Wenzeslaus, M. F. v. Königsegg-Rothenfels).
Zu den Hauptpromotoren dieser antirömischen Union gehörte der Kurmainzer Sekretarius und spätere Hofkanzler Anselm Franz von Bentzel (†1786). Er und Karl Friedrich Wilibald von Groschlag (†1799), den der Kurfürst 1764 zum Vizehofmeister ernannte, waren Breidbachs einflussreichste Berater.
Angesichts der schwindenden Reichsbedeutung, mit der sich Kurmainz im Laufe des 18. Jahrhunderts abfinden musste, kam der Einfluss dieser Berater außenpolitisch nur bedingt zum Tragen. Um so deutlicher wirkten sich ihre Reformanstöße im Kurstaat selbst aus. Es kam dem Erzstift zugute, dass Breidbach in Zusammenarbeit mit Groschlag und Bentzel die von Stadion eingeleitete Wirtschafts-, Finanz- und Rechtsreform weitertrieb. Gute Ansätze zeigte auch die vor allem von Bentzel forcierte Schulreform. Sie zielte auf eine umfassende Verbesserung des Erziehungs- uns Schulwesens durch Trennung von Schul- und Kirchendienst, Aufbesserung der Lehrerbesoldung, Errichtung einer auch mit Laien besetzten Schulbehörde (1770) und Eröffnung einer Schullehrer-Akademie (1771), die unter die Leitung von Johann Friedrich von Steigentesch gestellt wurde, der 1765–69 mit nur geringem Erfolg versucht hatte, über die Wochenschrift „Der Bürger“ die Aufklärung ins Volk zu tragen.
Auf Widerstand des Volkes und vieler Kleriker stießen einige an sich zeitgemäße und notwendige Reformen im Kirchen- und Liturgiewesen. Dazu zählten die Vereinfachung des Gottesdienstes, die Eindämmung der barocken Wallfahrtsaktivität und vor allem die Reduzierung bzw. Verlegung der vielen „gelobten“ Feste und „Hagelfeiertage“ durch eine Verordnung aus dem Jahre 1769.
Ganz dem Geist der Aufklärung entsprach Breidbachs Ordenspolitik. 1770 verordnete er strenge Klosterkerker. 1771 ordnete er an, dass alle Klöster ihre Besitzbriefe der geistlichen Zentralbehörde vorlegten. Seine Jesuitenfeindlichkeit zeigte sich bereits 1765 dadurch, dass er den aus dem Elsass ausgewiesenen Ordensleuten die Aufnahme ins Erzstift versagte. 1769 verfügte seine geistliche Behörde ein strenges Zensurmandat für die Schulangelegenheiten der Jesuiten, engte deren Beichterlaubnis ein und verbot die Aufnahme von Novizen. Nach Aufhebung der Gesellschaft Jesu (1773) ordnete er die unverzügliche Ausweisung der seit 1561 in Mainz tätigen Ordensleute aus ihrem Kolleg und aus der Universität an. Gegenüber den Protestanten ging dagegen Breidbachs Toleranz so weit, dass er 1768 der Errichtung eines Kollegiums von vier lutherischen Theologieprofessoren an der Universität Erfurt zustimmte und 1769 die Berufung des Christoph Martin Wieland (†1813) zum Philosophieprofessor ermöglichte.
Vom Geist der Ordensfeindlichkeit waren auch eine Verordnung von 1771 über „die Klöster der kurfürstlichen Lande“ und ein Amortisationsgesetz von 1772 bestimmt, das ein weiteres Wachsen der Güter der „toten Hand“ untersagte.
1766 sondierte Breidbach, ob er Aussicht auf die Wahl zum Abt von Stablo-Malmedy hatte, und 1770 bemühte er sich vergeblich um ein Wählbarkeitsbreve für Speyer. Dabei leitete ihn weniger der Wunsch nach einer Vermehrung der eigenen Pfründen als das Bemühen um das weitere Fortkommen seiner Familie.
Breidbach starb am 11. Juni 1774 in Mainz. Zwei Jahre zuvor hatte er sein Testament gemacht und darin viel von seiner persönlichen Liebenswürdigkeit, seiner Gerechtigkeitsliebe und seinem Sinn für die Armen und Notleidenden durchblicken lassen. Er wurde im Mainzer Dom beigesetzt, dessen durch Blitzschlag und Feuer zerstörten Westturm er bis 1774 wieder aufgebaut hatte. Das Urteil über Breidbach bewegt sich zwischen Extremen. Den Aufklärern galt er als der größte der Mainzer Kurfürsten, den Gegnern der Aufklärung als Zerstörer eines blühenden kirchlichen Lebens. Breidbach war tatsächlich ein positiver Vertreter der katholischen Aufklärung. Sein Reformeifer überzog jedoch manchmal das Maß.
Friedhelm Jürgensmeier
Text aus: Gatz, Erwin (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches. Ein biographisches Lexikon. Teil: 1648 bis 1803, unter Mitw. von Stephan M. Janker, Berlin: Duncker und Humblot 1990, S. 42–44. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
Weitere Literatur: