Stellungnahme des Katholikenrates im Bistum Mainz zur EVV-Studie

Wir wollen dazu beitragen, eine erneuerte Kirche zu werden

Datum:
Sa. 1. Apr. 2023
Von:
Patrick Landua, Sprecher des Katholikenrates

Der Katholikenrat im Bistum Mainz begrüßt die EVV-Studie als wichtigen und unabhängigen Bestandteil des diözesanen Aufarbeitungsprozesses. Wir sind bestürzt über die Klarheit der Ergebnisse der EVV-Studie, die hohe Zahl an Tätern und Betroffenen in unserem Bistum sowie den menschenverachtenden Umgang mit den Betroffenen.

Fehlentwicklungen in der Vergangenheit, in denen Betroffenen nicht der notwendige Respekt und die angemessene Unterstützung gegeben wurden, wollen wir künftig vermeiden helfen. Die umfassende und nachhaltige Aufarbeitung hat daher für uns oberste Priorität.

Bereits 2018 hat die MHG-Studie ins öffentliche Bewusstsein gehoben, dass systemische Strukturen in der Kirche sexualisierte Gewalt bzw. deren Vertuschung begünstigt haben. Dennoch macht es uns fassungslos, dass auch den ehemaligen Mainzer Bischöfen in einem solchen Maße der Schutz des Systems Kirche wichtiger war als der Schutz, die Begleitung und Zuwendung zu den Betroffenen.

Wir sehen, dass nicht nur Kleriker und kirchliche Mitarbeiter*innen als Täter schuldig geworden sind, sondern ein ganzes System versagt hat, zu dem auch die kirchlichen Verbände, Pfarreimitglieder, Räte und sogar Familien der Betroffenen gehören.

Dieser Schuld wollen auch wir uns stellen und alles dafür tun, dass in Zukunft ein solches Systemversagen nicht mehr möglich wird sowie Übergriffe und Missbrauchstaten verhindert werden.

Bereits im Jahre 2018 hat der Katholikenrat in einer Stellungnahme Bischof Kohlgrafs Bestrebungen zur Aufarbeitung begrüßt, offen und transparent den Weg der Aufklärung von Missbrauch im Bistum Mainz zu gehen. Gleichzeitig wurde die Prävention ausgebaut und der Schutz von Kindern und Jugendlichen in allen Bereichen kirchlichen Lebens an erste Stelle gestellt. Die nun vorgelegte Studie bescheinigt der Bistumsleitung, bereits wichtige Schritte in Bezug auf Prävention, Intervention und Aufarbeitung zurückgelegt und entsprechende Strukturen aufgebaut zu haben.

Gleichzeitig sehen wir noch weiteren Handlungsbedarf in Bezug auf…

  • die zügige Erarbeitung der Schutzkonzepte gegen sexualisierte Gewalt in allen Pfarreien, Verbänden und kirchlichen Einrichtungen
  • eine Selbstverpflichtung aller haupt- und ehrenamtlichen Verantwortungsträger*innen, um eine dauerhafte Umsetzung der Schutzkonzepte voranzutreiben
  • Qualitätssicherung, Überprüfung und wirksame Konsequenzen durch die Bistums-leitung bei Nicht-Einhaltung der Schutzstandards
  • klare Melde- und Beschwerdewege mit einer von der Leitung (auf allen Ebenen) unabhängigen Ansprechperson

Ziel muss es dabei sein, den größtmöglichen Schutz von Kindern, Jugendlichen und schutzbefohlenen Erwachsenen zu erreichen, in einem transparenten Prozess verlorenes Vertrauen wiederherzustellen und damit auch einen Kulturwandel in unserem Bistum herbeizuführen. Hierzu müssen bestehende Machtstrukturen kritisch geprüft und hin zu einer neuen Synodalität entwickelt werden. So fordern wir die Bistumsleitung unter Bischof Kohlgraf auf, dass auf Ebene des Bistums und der Pfarreien partizipative Strukturen geschaffen werden, die dem Bischof, den Pfarrern sowie den Laienvertretungen ein gleichberechtigtes Entscheiden in wesentlichen Dingen des kirchlichen Lebens einräumen. Der Pastorale Weg bietet hier im Blick auf die Erarbeitung synodaler Strukturen gute Möglichkeiten durch entsprechende Anpassung der Statuten.

Die Pfarreien in unserem Bistum dürfen im Umgang mit (neuen) Erkenntnissen über die Täter – insbesondere die Kleriker -  nicht alleine gelassen werden. Aufgabe der Bistumsleitung muss es sein, im offenen Dialog und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln hierbei Hilfe und Unterstützung zu leisten. Dabei braucht es auch eine angemessene Erinnerungskultur.

Wir selbst als Gemeindemitglieder und Verantwortliche in den Räten und Verbänden sind in der Pflicht, unsere Erwartungen an Kleriker klar zu formulieren und uns über ihre Rolle zu verständigen, der sie auch gerecht werden können. Alle – Klerus, hauptamtliche Mitarbeitende, Räte, Gemeinden und kirchliche Einrichtungen – sind in der Pflicht, vor Ort achtsam zu sein, um wirksamen Schutz vor Missbrauch zu gewährleisten und etwaige Verdachtsfälle nicht zu verharmlosen.

Damit Kirche sich entwickelt und erneuert, bedarf es der Zusammenarbeit von Bistumsleitung, aller Haupt- und Ehrenamtlichen in einem gleichberechtigten Miteinander. Der Katholikenrat ist bereit, kritisch-konstruktiv seinen Beitrag zu leisten, um der Kirche ein menschenfreundliches und lebensbejahendes Gesicht zu geben. Damit wollen wir glaubwürdige Zeugen für die Botschaft des Evangeliums sein und in der Kirche einen Schutzraum für alle Menschen bieten.

 

Mainz, im April 2023
Patrick Landua
Sprecher des Katholikenrates

 

Anmerkungen:

  1. „Erfahren. Verstehen. Vorsorgen – Studie zu Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung seit 1945 im Verantwortungsbereich des Bistums Mainz“, 2023
  2. Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“, Mannheim – Heidelberg – Gießen, 2018